Berlin. Seit 1. März greift die Gas- und Strompreisbremse – doch nicht alle Verbraucher profitieren. Viele Gas- und Stromkunden gehen leer aus.

  • Seit 1. März greift die Gas- und Strompreisbremse – diese wird auch rückwirkend für Januar und Februar gewährt
  • Doch nicht alle Verbraucher haben einen Anspruch auf die staatliche Finanzspritze – viele könnten leer ausgehen
  • Grund dafür ist die "Stichtagsregelung" im Gesetz – Verbraucherschützer bezeichnen diese als "unfair"

Die Energie- und Preiskrise hat das Jahr 2022 für viele Verbraucher geprägt. Von Heizöl über Strom bis zu Gas – die Energiepreise waren primär in der Hochphase der Energiekrise explodiert. Die Heizölpreise haben zeitweise sogar die Marke von zwei Euro pro Liter geknackt und auch die Preise für Strom oder Gas erreichten primär für Neukunden Rekordwerte. Die Ampel-Koalition steuerte 2022 mit verschiedenen staatlichen Hilfen gegen – unter anderem mit der seit 1. März geltenden Gas- und Strompreisbremse für alle Verbraucher in Deutschland.

Gas- und Strompreisbremse seit 1. März: Wer jetzt auf Geld vom Staat hoffen kann

Doch das Adverb "alle" trifft es nicht so ganz – denn einige Verbraucher gehen leer aus. Das haben Recherchen von "Finanztip" ergeben. Der Grund für dafür ergibt sich aus der Funktion der Gas- und Strompreisbremse: Der Staat deckelt die Energiepreise auf einen bestimmten Betrag. Verbraucher mit Arbeitspreisen über dieser Grenze werden so durch die jeweilige Preisbremse entlastet.

Gas- und Strompreisbremse seit 1. März: Ab diesen Beträgen gibt es die staatliche Hilfe

PreisbremsePreisdeckel je kWh
Gaspreisbremse12 Cent
Strompreisbremse40 Cent
Fernwärme9,5 Cent

In der Energiekrise waren die Beträge in der Tabelle realistisch. Gas hatte im Frühjahr 2022 zeitweise mehr als 40 Cent pro Kilowattstunde (kWh) gekostet. Auch für Strom mussten die Verbraucher tief in die Tasche greifen. Doch mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Der durchschnittliche Gaspreis hatte schon im Dezember Vorkriegsniveau erreicht und bewegt sich auch aktuell auf einem konstanten Niveau von 11 Cent pro kWh für Neukunden. Der Strompreis sank am 10. März ebenfalls weiter und liegt derzeit bei rund 36 Cent je kWh in Ökostrom- und Alternativtarifen.

Gas- und Strompreisbremse unter einer Auflage: So können Sie den Anspruch verlieren

Damit erreichen zumindest Gas- und Stromkunden in diesen Tarifen die Grenze für die Gas- und Strompreisbremse nicht. Auch wer zum Stichtag 1. März in einen günstigeren Gas- oder Stromtarif gewechselt ist, wird benachteiligt. Konkret ergibt sich folgendes Problem: Kunden, die zum Stichtag 1. März zu einem Preis oberhalb der Preisgrenze beliefert wurden, bekommen die Entlastung auch rückwirkend für die Monate Januar und Februar. Doch Verbraucher, die kurz vor oder am Stichtag in einen günstigeren Tarif gewechselt sind, verlieren den Anspruch auch rückwirkend.

Das Problem an dieser Stelle sei die sogenannte "Stichtagsregelung" im Gesetz, sagt Energierechtsexpertin Julia Schröder von der Verbraucherzentrale Niedersachsen im Gespräch mit unserer Redaktion. "Verbraucher, die vor oder zum 1. März in einen günstigeren Gas- oder Stromtarif gewechselt sind, verlieren die Ansprüche für die Entlastung auch rückwirkend für die Monate Januar und Februar." Betroffene Verbraucher können sich in diesem Fall nicht wehren. Schröder im Gespräch: "Es ist eine Gesetzeslücke."

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Musterrechnung zur Gas- und Strompreisbremse zeigt: So hoch kann die Erstattung sein

Ein Beispiel: Familie Mustermann war bis zum 1. März in der Grundversorgung und zahlte in ihrem Vertrag seit 1. Januar 2023 einen Strompreis von 50 Cent je kWh. Wir rechnen mit einem jährlichen Verbrauch von 4.000 kWh. Der auf 80 Prozent von der Strompreisbremse gedeckelte Basistarif liegt dann bei 3.200 kWh. Für diese Menge werden die ermäßigten 40 Cent je kWh berechnet. In Euro ergibt das nach Berechnungen von "Verivox" eine Entlastung von 27 Euro im Monat – also 324 Euro auf das Jahr gerechnet.

Die Kosten für Gas und Energie werden auch in diesem Jahr wohl noch hoch bleiben - trotz Gas- und Strompreisbremse.
Die Kosten für Gas und Energie werden auch in diesem Jahr wohl noch hoch bleiben - trotz Gas- und Strompreisbremse. © epd | Friedrich Stark

Zum 1. März ist Familie Muster aber in einen Alternativtarif gewechselt und zahlt seither nur noch 36 Cent für eine kWh Strom. Von der Strompreisbremse profitiert die Familie nun nicht mehr. Auch für die Monate Januar und Februar – in denen die Familie noch den alten Arbeitspreis von 50 Cent je kWh bezahlt hat – verliert die Familie ihren Anspruch auf die finanzielle Entlastung aus der Preisbremse. Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt auf "Finanztip"-Anfrage: Verbraucher, die vor oder zum Stichtag in einen günstigeren Tarif gewechselt sind, verlieren auch rückwirkend ihren Anspruch.

Gas- und Strompreisbremse ab März: Experte bezeichnet Stichtagsregelung als "unfair"

Das betrifft sowohl Gas- als auch Stromkunden. Schon vor März hatten einige Energieversorger die Verbraucher mit einem Gaspreis von unter 12 Cent gelockt. Auch mehrere Stromanbieter hatten im Februar ihre Preise massiv gesenkt und mit Arbeitspreisen von unter 40 Cent geworben. Besonders ärgerlich: Wenn man in seinem Gas- oder Stromtarif knapp unter den 12 oder 40 Cent liegt. Denn wer ab dem 2. März erst gewechselt hat, bekommt für die Monate Januar und Februar die Erstattung aus der Gas- und Strompreisbremse.

Das bedeutet: Am Ende haben einige Verbraucher dank der Gas- und Strompreisbremse mehr Geld in der Tasche – eben weil sie einen Tag später ihren Versorger gewechselt haben. Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert die Ampel-Koalition daher zum Handeln auf. Engelke im Gespräch mit "tagesschau.de": "Dass preisbewusste Verbraucher keine Rückerstattung bekommen – nachdem sie im Januar und Februar viel gezahlt haben – ist unfair." Die Stichtagsregelung müsse umgehend angepasst werden.

Geld aus Gas- und Strompreisbremse nach Anbieterwechsel: So funktioniert es

Lohnt es sich ein Anbietervergleich für Gas- und Stromkunden jetzt trotzdem noch? Auch Sicht von Energierechtsexpertin Schröder auf jeden Fall. "Das Problem mit der Stichtagsregelung besteht seit 2. März nicht mehr." Wer jetzt seinen Gas- oder Stromanbieter wechselt, bekommt für die Monate Januar und Februar trotzdem die Entlastung aus der Preisbremse. "In diesen Fällen ist der alte Anbieter für die Erstattung der zu viel gezahlten Energiekosten zuständig", sagt Schröder.

Im Normalfall müssen die Verbraucher bei der Gas- und Strompreisbremse auch gar nicht aktiv werden. Die Energieversorger verringern die monatliche Abschlagszahlung automatisch. Im Falle der Rückerstattung von einem alten Anbieter geschieht dies entweder über den neuen Anbieter oder eben über eine direkte Erstattung an den Kunden. Wenig Klarheit herrscht dagegen bei der Entlastung für Heizöl- und Pelletkunden. Erst vor einigen Wochen wurde bekannt: Die Auszahlung vom Pellet- und Heizölzuschuss verzögert sich weiter – über die Gründe dafür berichten wir im eben verlinkten Beitrag.