Braunschweig. . Volontärin Julia Popp testet das Leihfahrrad-Angebot der Deutschen Bahn am Bahnhof Braunschweig.

Ein leises Klicken ertönt, das Schloss des rot-silbernen Fahrrads mit einem DB-Sticker auf dem Gepäckträger schnappt auf. „Gute Fahrt“ erscheint in Großbuchstaben auf einem Display. Ich ziehe das Schloss – ein Metallstab, der an einem schwarzen Kabel befestigt ist – aus der Verankerung und balanciere das Rad zwischen zwei Fahrradständern durch. „Endlich geschafft“, denke ich. Denn bis ich das Mietrad der Deutschen Bahn Connect in den Händen halte, war es ein langer Weg. Am Braunschweiger Hauptbahnhof bietet das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn mit dem Dienst„Call-a-Bike“ Räder zum Verleih. „Kinderleicht“, verspricht der Anbieter, sei das System. Ganz so einfach läuft es allerdings nicht, wie ich schon bei der Anmeldung feststelle. Eine Multimedia-Reportage zum Thema finden Sie hier.

Wie registriere ich mich?

Bevor ich die ersten Meter fahren kann, muss ich mich über die Call-a-Bike-App anmelden. Diese ist kostenlos im App- und Google-Play-Store erhältlich. Wer kein Smartphone zur Hand hat, kann sich per Telefonanruf vor Ort ein Rad leihen. Sobald ich die App heruntergeladen habe, erscheint ein Button mit dem Schriftzug „Registrierung“. Ich bestätige mit einem Klick und scrolle nach unten.

Dann das erste Problem: Aus einem Wirrwarr an Tarifen muss ich auswählen, um mein Kundenkonto anzulegen. Aber welchen? Zur Auswahl stehen fünf Angebote: Basis und Komfort, ein Tagespass sowie zwei ermäßigte Tarife. Ich bin überfordert. Worin unterscheiden sich die Modelle? Was wird am Ende für eine Fahrt fällig? Ich brauche mehr Informationen, wechsle in der Menüansicht zur Rubrik „Tarife“, um mehr Informationen zu erhalten.

Was kostet die Ausleihe?

Der Blick in die Preisliste zeigt: Für die Ausleihe wird im 30-Minuten-Takt abgerechnet. Im Basis-Tarif bezahlen Nutzer einen Euro pro halbe Stunde. Der Preis ist für mich
akzeptabel – mehr würde ich aber nicht bezahlen. Zusätzlich wird eine Jahresgebühr von drei Euro fällig. Maximal bucht der Dienst pro Tag 15 Euro ab, lese ich weiter. In Stuttgart, Hamburg und Lüneburg fahren Nutzer ist die erste halbe Stunde kostenlos – in Braunschweig gibt es dieses Angebot leider nicht.

Vielfahrer bezahlen im Komfort-Tarif eine Monatsgebühr von neun Euro beziehungsweise eine Jahresgebühr von 49 Euro. Jede erste halbe Stunde ist für Nutzer kostenlos, danach wird ein Euro für 30 Minuten fällig. Ermäßigungen gibt es für Bahn-Card-Inhaber, Studenten und Senioren in beiden Tarifen.

Da ich das Angebot testen möchte, entscheide ich mich für das Basis-Modell. In der App werde ich zum nächsten Schritt weitergeleitet, muss meine persönlichen Daten wie E-Mail-Adresse, Geburtsdatum, Anschrift und meine Handynummer eingeben. Diese wird später zur Verifizierung meines Kundenkontos benötigt. Weiter geht’s.

Für die Bezahlung kann ich zwischen Kreditkarte oder Sepa-Lastschrift auswählen: Ich entscheide mich für Lastschrift, tippe meine Bankdaten ein und überprüfe meine Eingaben. Dann endlich ist die Registrierung abgeschlossen – vorerst. Denn wenige Sekunden später erhalte ich eine SMS mit einem Freischaltungscode für die Verifizierung meines Kontos.

Nächste Hürde: Wo gebe ich den Code ein? Langsam bin ich genervt; überlege kurz, den Test einfach ganz zu lassen. Weil ich in der App nicht weiter komme, öffne ich meine E-Mail-Anwendung auf dem Smartphone. In einer Begrüßungsmail der Bahn erhalte ich einen Link, der mich auf die Internetseite des Anbieters weiterleitet. Dort tippe ich den Verifizierungscode ein und erstelle ein Passwort. Endlich!

Ganze 20 Minuten und mehrere umständliche Klicks später ist mein Kundenkonto eingerichtet, mein anfänglicher Optimismus allerdings getrübt. „Schnell und einfach“, so die Aussage der Bahn. Nach der Anmeldung erscheint mir das wie blanker Hohn.

Wie leihe ich ein Fahrrad aus?

Jetzt möchte ich schnell ab auf’s Rad. In Braunschweig kann ich die Leihfahrräder von Call-a-Bike nur am Hauptbahnhof mieten. Weitere Stationen in der Innenstadt gibt es nicht. Das sei laut Pressestelle der Deutschen Bahn auch nicht geplant.

Die Suche nach den Rädern wird mir durch die App erleichtert – nach der umständlichen Anmeldung ein Pluspunkt. Eine Karte zeigt meinen Standort und den der Fahrräder an. Links um das Bahnhofsgebäude herum werde ich zu den Rädern gelotst, die am Ostausgang aufgereiht sind. Mit vier Rädern ist die Auswahl überschaubar. Schnell habe ich mich für eines der Mieträder entschieden.

Noch während ich vor dem Fahrrad stehe, hat die App erkannt, welches Modell ich ausleihen möchte und zeigt mir dessen Nummer an: 7893. Mit einem Klick bestätige ich den Ausleihvorgang auf meinem Smartphone. Ein vierstelliger Öffnungscode erscheint, den ich in ein Schlossdisplay eingeben soll, erklärt mir die App weiter. Soweit, so gut.

Ich suche das Fahrrad ab. Kein Display am Lenker, keines an den Rädern, keines am Gepäckträger. Gut versteckt unter einer Klappe an einer kleinen Metallkiste entdecke ich nach einigen Minuten das Display am Rückrad. Ich tippe die Zahlenfolge ein, bestätige. Es klickt leise, ich ziehe das integrierte Schloss zwischen dem Hinterrad aus der Verankerung durch. Fast fünf Minuten sind inzwischen vergangen, bis ich das Fahrrad nutzen kann.

Bevor ich mich auf den Weg mache, möchte ich testen, wie ich das Mietrad für Zwischenstopps, zum Beispiel im Supermarkt, abschließen kann. Ich schiebe das Schloss wieder in die Verankerung. Auf dem Display erscheint ein weiterer Hinweis: „Bitte den Druckknopf rechts drücken.“ Ich befolge die Anweisungen und schließe das Fahrrad ab – öffnen lässt es sich jetzt allerdings nicht mehr, auch nicht per Code. Und ein Blick in die App zeigt: Das Rad ist abgestellt. Und jetzt? Ich bin ratlos und verärgert – noch einmal ausleihen und bezahlen möchte ich nicht.

Hilfe bekomme ich im Service-Center, die Nummer finde ich über die App: Ein Mitarbeiter erklärt mir freundlich, dass ich das Rad nicht direkt vor den Fahrradständern abschließen kann. Das System könne sonst nicht erkennen, ob ich es zurückgeben möchte.

Den Euro schreibt mir der DB-Mitarbeiter auf meinem Konto sofort gut. Er erklärt mir weiter: Wird das Rad zwischendurch geparkt, muss ich weiter bezahlen. Ärgerlich, Fahrten vom Braunschweiger Bahnhof zur Arbeit sind also nicht möglich, wenn ich unnötige Kosten verhindern möchte.

Wie sind die Mieträder?

Mein Leihfahrrad scheint auf den ersten Blick gut gewartet. Die Reifen sind breit und gut aufgepumpt. Und sogar eine Klingel ist am Lenker angebracht, die einwandfrei funktioniert. Für meine erste Fahrt fühle ich mich sicher, schließlich bin ich ohne Helm unterwegs.

Jetzt kann es also losgehen: Ich stelle den Sattel auf meine Körpergröße ein. Das geht dank eines Schnellspanners problemlos. Dann steige ich auf mein Leihfahrrad und radele um den Block. Mit der
7-Gang-Schaltung komme ich gut voran, auch wenn das Fahrrad schwerer ist als normale Räder. Und ein Bremstest vor einer Kreuzung zeigt: Die Bremsen funktionieren, auch wenn sie etwas quietschen.

Knapp fünf Minuten später, zurück am Hauptbahnhof, stelle ich das Fahrrad wieder in der Station ab: Eine Rückgabe ist nur dort möglich. Wer das nicht befolgt, muss fünf Euro Strafe bezahlen. Ich ziehe das Schloss wieder durch das Hinterrad und verriegele das Rad mit dem Sperrknopf. Auf dem Display wird mir die Rückgabe bestätigt. Und auch in der App sehe ich: die Fahrt ist abgeschlossen.

Lohnt sich das Angebot?

Mein Fazit: Für die Registrierung brauchen Nutzer viel Zeit und vor allem gute Nerven. Das Anmeldeverfahren ist mühsam und wenig nutzerfreundlich gestaltet. Wer an der Anmeldung allerdings nicht verzweifelt, kommt mit den Rädern gut ans Ziel. Die Ausleihe an sich geht schnell, wenn das Prinzip einmal verstanden ist. Dennoch: Kunden sollte besser erklärt werden, wie Call-a-Bike genau funktioniert.

Dass ich das Fahrrad nur am Bahnhof in Braunschweig zurückgeben kann, ist für mich ein großer Nachteil des Bahn-Angebots. Minuspunkte gibt es auch für den Preis: Für eine Stunde bezahle ich bei meiner Testfahrt zwar nur zwei Euro, möchte ich das Mietrad zwischendurch abstellen, wird es schnell teurer. Nach meinem Testversuch fahre ich deshalb mit dem Bus zur Arbeit – für mich die günstigere Lösung.

Kommentar von Julia Popp

Mieträder entlasten den Verkehr und damit die Umwelt. Nicht nur für Touristen ist das Angebot eine gute Lösung, um eine Stadt zu erkunden. Ein flexibles Nahverkehrsmittel können die Räder auch für Pendler sein, um vom Bahnhof ins Büro zu kommen.

In Städten mit mehreren Rückgabestationen ist die Idee der ausleihbaren Rädern überzeugend. Halbherzig wirkt das Konzept der Deutschen Bahn hingegen in Braunschweig. Denn so sinnvoll das Verleihsystem auch ist: Das Ganze kann nur funktionieren, wenn es genügend Rückgabemöglichkeiten gibt. Eine einzige Station reicht nicht aus, um viele Nutzer auf den Sattel zu locken. Und mit einer Flotte von vier Fahrrädern ist Call-a-Bike in Braunschweig ohnehin nicht lukrativ.

Problematisch ist aber auch das Bezahlmodell: Nicht nur, dass die Räder nicht kostenlos für Zwischenstopps geparkt werden können. Auch der Preis von 15 Euro für einen Tag ist schlichtweg zu teuer. Mit einem Tagesticket des öffentlichen Nahverkehrs kommen Bürger da oft günstiger ans Ziel.

Andere Städte sind Braunschweig hier einen Schritt voraus: In Hamburg fahren Call-a-Bike-Nutzer zum Beispiel die erste halbe Stunde kostenlos. In Berlin kommen Abonnenten des öffentlichen Nahverkehrs mit Rädern des Anbieters „Nextbike“ 20 Minuten kostenlos von A nach B. Das wäre doch auch eine Idee für Braunschweig: Bürger, die ein Nahverkehrs-Abo haben, erhalten einen Bonus. Das würde die Mieträder und gleichzeitig den öffentlichen Nahverkehr populärer machen