Braunschweig. Um das Zehn-Finger-Schreibsystem zu lernen, helfen Online-Plattformen – und viel Fleiß. Eine unserer Volontärinnen hat den Selbstversuch gewagt.

Ich will schneller werden. Nicht im 100-Meter-Sprint, obwohl das auch wünschenswert wäre. Nein, ich will schneller tippen können. Rasch eine Meldungen verfassen, kurz noch eine Überschrift ändern, beim Telefonieren mitschreiben – berufsbedingt gehören diese Aufgaben zu meinem Alltag. Um mich dort zu verbessern, will ich deshalb das Zehn-Finger-Schreiben lernen.

Bis jetzt benutze ich hauptsächlich die Zeige- und Mittelfinger zum Tippen. Über die Jahre bin auch ich mit meiner Art zu tippen schneller geworden. Allerdings schaue ich beim Tippen auf die Tastatur und nicht auf den Text – Tippfehler fallen mir also häufig erst auf, wenn ich den Satz noch einmal lese. Wenn ich mit allen zehn Fingern tippen könnte, so erhoffe ich mir, könnte ich beim Schreiben auf den Bildschirm schauen und Flüchtigkeitsfehler direkt ausbügeln.

Im Internet stoße ich auf einige Übungsprogramme, die versprechen, mit ein wenig Übung das Zehn-Finger-System zu erlernen.

Schau nicht auf die Tastatur

Ich starte mein Schreib-Training mit dem Programm Typingclub. In über 100 Übungsschritten soll ich hier zum Tipp-Profi ausgebildet werden – kostenlos. In einem Einführungsvideo wird mir die „Grundposition“ meiner Finger erklärt: Der linke Zeigefinger soll auf dem Buchstaben F liegen, der rechte Zeigefinger auf dem J. Die beiden Tasten sind dafür extra mit einer kleinen Erhebung versehen, damit ich sie, ohne dabei hinzusehen, ertasten kann. Die restlichen Finger kommen auf die Tasten daneben.

Zehn-Finger-Schreiben lernen, digitales Leben
Zehn-Finger-Schreiben lernen, digitales Leben © bz | Screenshots/fnos

Zu dieser Position soll ich während der folgenden Übungen immer wieder zurückkehren. Dabei gibt es eine Regel: Schau nicht auf die Tastatur! Meine Finger sollen den Weg zurück zu ihren „Ausgangstasten“ alleine finden.

Los geht’s: In der ersten Übung soll ich nur abwechselnd F und J drücken. Ich bestehe fehlerfrei. Runde 2: Jetzt kommt noch die Leertaste dazu, die ich mit den Daumen – wahlweise rechts oder links – drücken soll. Funktioniert alles noch reibungslos. Weiter geht’s mit D und K, die Mittelfinger sind gefragt … Für jeden einzelnen Buchstaben auf der Tastatur gibt es mehrere Übungen. Erst in Lektion 94 werden alle zehn Finger gleichzeitig auf der gesamten Tastatur gefordert. Das dauert mir ehrlich gesagt zu lange. Kann ich es nicht schneller lernen?

Zeigefinger auf lila, Ringfinger auf rot

Auf Tippenakademie.de, ebenfalls kostenlos, darf ich schon nach zehn Aufwärmübungen an ganze Wörter ran. Zuerst nur auf der mittleren Grundreihe. Danach kommen je Übung immer zwei Buchstaben mehr dazu. Eine Tastatur auf dem Bildschirm zeigt mir an, welche Finger ich für welche Buchstaben benutzen soll.

Die Tasten sind nach Farben sortiert – jeder Finger bekommt eine Farbe: Kleiner Finger auf gelb, Ringfinger auf rot, Mittelfinger auf grün, linker Zeigefinger auf blau, und der rechte Zeigefinger soll nur auf die lilafarbenen Tasten drücken. Ich wage mich an die ersten Wörter: als, skala, kajak …

Zehn-Finger-Schreiben lernen, digitales Leben
Zehn-Finger-Schreiben lernen, digitales Leben © bz | Screenshots/fnos

Ganz langsam klappt es fehlerlos. Allerdings schaue ich beim Tippen sehr angestrengt auf die aufleuchtenden Buchstaben auf der digitalen Tastatur und nicht auf den Begriff, der mir angezeigt wird. Ich denke beim Schreiben nicht an das eigentliche Wort – nur an die Buchstabenfolge. Und versuche ich ein Wort gleichzeitig zu lesen und zu schreiben, vertippe ich mich. Das ist frustrierend. Kann doch nicht so schwer sein, den Buchstaben A zu treffen, schimpfe ich vor mich hin, als ich mal wieder daneben greife. Ist es aber, mein kleiner Finger ist einfach nicht daran gewöhnt. Aus dem „Glas“ wird bei mir ein „Glsd“ und aus „Alaska“ ein „Alsdka“. Online komme ich so nicht weiter. Vielleicht wäre ein professionelleres Schreib-Training besser?

Buchstaben nach Themen ordnen

„Der kleine Finger hat sehr viel zu tun“, erklärt mir Annette Grabe, die an der Kreisvolkshochschule in Helmstedt Kurse zum Zehn-Finger-Schreiben unterrichtet. „Er wird mit dem Buchstaben A viel gefordert und ist außerdem noch für die Shift-Taste zuständig. Da kann er am Anfang schon schnell müde werden.“ Deshalb soll ich erst die Grundreihe intensiv trainieren. Erst wenn ich hier mit allen Fingern fit genug bin, darf ich auch die Sonderzeichen ran – die gesamte Tastatur kommt erst viel später in meinen Übungsplan.

„Wenn man ganz neu einsteigt, dann muss man erstmal lernen, die Grundreihe wirklich blind zu ertasten und immer wieder zur Grundstellung zurückzukehren.“ In den Kursen arbeitet Grabe dafür etwa mit einer Farbtastatur. Diese bekommt außerdem ein Thema, wie zum Beispiel „Urlaub“. „Das hilft für Eselsbrücken“, so die Dozentin. Das funktioniere so: Der Buchstabe D (wie Delphin) etwa liegt auf einer blauen Taste. Blau, denn der Delphin schwimmt im blauen Meer. Der Mittelfinger ist für den Buchstaben D zuständig, bekommt also die Farbe blau zugeteilt. „So lernt man das Schreiben multisensorisch“, erklärt Grabe. Eine gute Übung für Fortgeschrittene wäre außerdem, die Augen beim Tippen zu schließen oder den Bildschirm auszuschalten. Damit sich die Finger vollständig daran gewöhnen, sich wirklich eigenständig über die Tasten zu bewegen.

In fünf Wochen zum Schreib-Profi

Üben, üben, üben, lautet mein Trainingsplan für die nächsten Wochen. „Das ist eine Fleißarbeit“, sagt auch Grabe. „Wie ein Musikinstrument, das man erlernen will.“ Zum Selbstbeibringen seien auch Online-Plattformen gut geeignet. Sie empfiehlt die Seite Schreibtrainer-Online.de.

Wenn ich jeden Tag etwa 30 Minuten übe, könnte ich schon in fünf Wochen Sätze mit allen zehn Fingern schreiben. Das motiviert mich! Auch wenn es eine gewisse Selbstdisziplin erfordert. Immerhin: Nach einer Woche findet mein kleiner Finger das A schon ziemlich treffsicher – nur wenn ich gleichzeitig die Shift-Taste drücken muss, dauert es noch ein wenig.

Annette Grabe gibt mir noch den Tipp: Wenn sich alle meine zehn Finger an ihre Tasten gewöhnt haben, soll ich für jeden noch so kleinen Satz auch alle Finger benutzen – auch wenn ich anfangs mit meiner altbekannten Zwei-Finger-Schreibweise wahrscheinlich schneller wäre.