Braunschweig. Schon vor Pokémon Go gab es ein Spiel, das auf Geo-Daten basiert. Wir haben Ingress-Spieler auf einer Tour begleitet.

Um halb acht trudeln alle langsam ein. Thomas Scholz, 47, hat seine Mitspieler zu einer Ingress-Tour eingeladen. Sie wollen ihren Gegnern bei einem Spaziergang durch Braunschweig virtuelle Portale rauben. Das Besondere: Diese Portale finden sich meist an bekannten Orten in der Stadt. Wie Pokémon Go basiert das Spiel Ingress auf GPS-Daten und verbindet dabei die reale Welt mit der virtuellen Spielwelt.

Sowohl Ingress als auch Pokémon Go wurden von der US-amerikanischen Firma Niantic entwickelt – Ingress ist allerdings älter und kam bereits 2012 auf den Markt. Für Scholz ist das Spielprinz von Pokémon Go daher ein alter Hut – das Spiel findet er eher „albern“, auch wenn er selbst dem Pokémon-Fieber verfallen ist. Er hält diese Augmented-Reality-Spiele für einen Segen für Nerds: „Ingress begann als Nerd-Spiel. Diese Leute sind dann aus ihren Kellern herausgekommen, weil sie im Freien spielen mussten. Dort treffen sie sich mit anderen und lernen sie kennen. Das hat den Erfahrungshorizont erweitert.“

Scholz spielt Ingress von Beginn an. Längst hat der Informatiker Level 16 erreicht. Damit ist das Spiel eigentlich vorbei, aber Scholz bleibt bei der Stange. „Manchmal frage ich mich schon, warum spiele ich das eigentlich noch? Aber mir geht es auch um das Drumherum“, sagt er.

Ingress-Portale sind jetzt auch Pokémon-Stops

Drumherum, damit meint er solche Ingress-Aktionen wie am Donnerstagabend. Mit mindestens acht Spielern auf Level Acht können sie dabei das hochwertigste Spielmaterial erlangen. Im Vergleich zu Pokémon Go setzt Ingress nämlich auf den Kampf gegeneinander.

So müssen sich die Spieler gleich zu Beginn entscheiden: Halte ich die mysteriöse Energie XM, die sich auf der Erde ausbreitet, für eine Chance der Menschheit oder für eine Gefahr? Gehöre ich zu den erleuchteten Spielern oder zu den widerständigen? Scholz und seine Mitspieler gehören zu den Erleuchteten und werden im Spiel grün dargestellt. Sie versprechen sich etwas Gutes von der Energie und versuchen, virtuell möglichst viele Gebiete im Stadtgebiet unter ihre Kontrolle zu bringen.

Gezielt laufen die acht Spieler durch den Braunschweiger Osten. Hier gibt es besonders viele Portale der Widerständigen, die blau dargestellt werden. Gnadenlos attackieren sie deren Portale und bringen sie unter ihre Kontrolle. „Wir wollen die Blauen ein bisschen ärgern“, zwinkert der 17-jährige Tobias.

Scholz erzählt: „Als ich angefangen habe zu spielen, gab es in Braunschweig vielleicht 120 Portale. Inzwischen sind es über 2000.“ Dazu gehört etwa die St.-Pauli-Kirche im östlichen Braunschweiger Stadtgebiet, aber auch andere Sehenswürdigkeiten oder Graffiti. Sie werden von den Spielern fotografiert, verortet und bei Ingress eingereicht. Niantic nutzt nun genau diese Portale auch für das Pokémon-Go-Spiel – hier heißen die Orte Poké-Stop.

Zwei Stunden Spaziergang und ein gemeinsames Essen

Unterwegs zieht die Gruppe die Blicke auf sich. Acht Köpfe stieren auf die Displays ihrer Handys, Kabel der Ersatzakkus baumeln aus den Hosentaschen, gesprochen wird wenig, und wenn, vor allem im Ingress-Spieler-Jargon. „Ist das hier professionelles Pokemon-Go-Spielen?“, fragt eine Passantin im Vorbeigehen. Die Spieler lachen.

Der Software-Entwickler Scholz dehnt inzwischen seinen Arbeitsweg von 30 Minuten auf ein- bis anderthalb Stunden aus. Parallel hackt er dann Portale bei Ingress und fängt Rattfratzes und Taubsis bei Pokémon Go. „Pokémon Go ist niedlich, Ingress ist futuristischer“, meint Scholz. Auch der 22-jährige Spieler Jonas sieht einen klaren Vorteil bei Ingress: „Es ist viel interaktiver als Pokémon Go.“

In Braunschweig haben die erleuchteten Ingress-Spieler eine Gemeinschaft gebildet, zu der immer wieder neue dazu stoßen. Wie etwa Tobias, der eigentlich Berliner ist und nun in Braunschweig ein Internat besucht. „Wir haben erst drei Monate lang geschrieben, dann bin ich zum ersten Treffen gegangen“, erzählt er. Seitdem ist der 17-Jährige bei jeder Ingress-Aktion dabei.

INGRESS

Das Spiel gibt es kostenlos im Google-Playstore für Android und im Applestore für iOS.

Kontakt zu den Spielern erhält man über die Einsteiger- Gruppe „Enlightened Braunschweig“ bei Google Plus.