Braunschweig. Der Profi-Tickethändler Wim Bledon erklärt, warum verwaiste Briefkästen für den Schwarzmarkt so wichtig sind.

Die Stimme ist unkenntlich verzerrt, die Telefonnummer unterdrückt. Wim Bledon, so nennt sich der Mann am Telefon, braucht diesen Schutz, bevor er auspackt und erklärt, wie er nach eigener Aussage zu einem der erfolgreichsten Schwarzhändler Deutschlands wurde. Er verdient 15 000 Euro monatlich im Durchschnitt, Steuern bezahlt er keine. Ein hoher Lebensstandard ist gesichert, vor der Tür steht der Porsche bereit.

„Die attraktivste Plattform ist Viagogo. Hier sind die höchsten Margen möglich.“
Wim Bledon, Schwarzhändler, über die Internet-Ticketstelle.

Der Verkauf von Tickets für das Finale des englischen Tennisturniers hat ihm einmal einen Riesengewinn beschert: Für zwei Karten durfte er sich über 7000 Euro freuen – das mehr als 20-fache des Normalpreises, daher kommt das Pseudonym des Schwarzhändlers.

Derzeit ist für ihn Sommerloch, er setzt nur auf ein paar Konzerte, etwa Justin Bieber in Köln und Yello in Berlin. Die goldenen Monate sind für ihn der April und der Dezember. Da verdient er am meisten. „In der Osterzeit geht die Bundesliga- und Champions-League-Saison langsam zu Ende. Zu Weihnachten werden gerne Tickets verschenkt“, erklärt er. Bei Champions-League-Endspielen erzielt er die höchsten Preise – vor allem wenn der FC Bayern und Borussia Dortmund mitmischen. „Bei dem Duell 2013 in London wurden für zwei Karten bis zu 12 000 Euro bezahlt.“

Diese beiden Vereine sind es auch, die ihm in der Bundesliga zu hohen Gewinnen verhelfen. Tickets für hochklassige Teams aus Niedersachsen, also der VfL Wolfsburg, Eintracht Braunschweig und Hannover 96, seien dagegen im Schwarzmarkt unattraktiv, sagt Bledon. „Diese Vereine haben generell Schwierigkeiten, ihre Spiele auszuverkaufen. Je länger es Karten auf dem Regulärmarkt gibt, desto schwieriger ist es, sie als Weiterverkäufer abzusetzen.“

Überrascht hat ihn allerdings die Braunschweiger Bundesliga-Saison 2013/14. „Da war es schwer, überhaupt an Karten heranzukommen. Zwei Drittel der verfügbaren 24 000 Tickets gingen ja an Dauerkarteninhaber.“ Von den aufgezählten Vereinen sei die Eintracht in puncto Schwarzmarkt also noch der attraktivste.

Doch wie kommt Bledon an die Tickets – und wie verkauft er sie dann weiter?

Die meisten Karten besorgt er sich direkt nach Vorverkaufsstart auf zwei Wegen. Zum einen geht er in Läden und kauft dort ein. „Selbst wenn es ein Limit von vier oder sechs Karten pro Person gibt, bekomme ich oft mehr, manchmal sogar 20 Stück. Denn die Ticketstellen sind natürlich auch daran interessiert, möglichst viel zu verkaufen“, behauptet er.

Zum anderen kauft er sich die Karten in den Vorverkaufsstellen im Internet. Um auch hier auf eine hohe Zahl zu kommen, nutzt er gefälschte Profile. So ist er relativ schnell bei 70 Tickets, sagt er. Diese lässt er sich an Adressen in Wohnblocks senden, die gerade leer stehen. „An die verwaisten Briefkästen klebe ich unauffällig ein Namensschild dran. Bei bis zu 120 Wohnungen in so einem Block fällt das nicht auf.“ Er betreut etwa 250 Briefkästen im Radius von 150 Kilometern. Einmal ist zwischenzeitlich ein Neumieter in eine Wohnung gezogen. „Da habe ich an der Tür geklingelt und gesagt, dass ich vorher dort gewohnt habe und ein Brief für mich angekommen ist. Den habe ich tatsächlich ausgehändigt bekommen. Da schöpft keiner Verdacht.“

Und dann gibt es noch virtuelle Fanclubs, die nur bestehen, um günstig an Dauerkarten zu kommen. „Ich halte eine zweistellige Zahl an Dauerkarten, die sich schon bei attraktiven Spielen rentiert.“

Die Karten verkauft er hauptsächlich im Internet. „Vor dem Stadion oder der Halle sind nur noch Amateure unterwegs. Das ist nur noch eine Notlösung, denn aufgebrachte Fangruppen können einen ordentlich in die Mangel nehmen.“

Im Netz sei alles anonymer und das Geld rechtzeitig da. Vor allem bei eBay versteigert Bledon die Karten, hier hat er dutzende Accounts. „Die attraktivste und lukrativste Plattform ist aber Viagogo. Hier sind die höchsten Margen möglich. Die Anbieter selbst entscheiden über den Preis.“

Bledon sieht sich aber auch als Konkurrenz zu Viagogo selbst. Die Firma habe ebenso zahlreiche Tickets, die sie verkaufen möchte. „Solange sie ihre Karten nicht verkauft hat, behandelt sie die übrigen Anbieter nur nachrangig, schaltet etwa die Angebote sehr verspätet frei.“

Viagogo garantiert, dass die gekauften Karten nicht gefälscht sind – und lässt sich diesen Service bezahlen. Zu dem festgesetzten Ticketpreis kommt auf den Käufer noch eine Provision in Höhe von 15 Prozent des Preises und auf den Verkäufer in Höhe von 10 Prozent zu.

Bledon ist der Meinung, es sei erlaubt, Karten weiterzuverkaufen, auch zu einem höheren Preis als dem aufgedruckten. „Natürlich stellt sich die Moralfrage, da ich jemandem ein begehrtes Event vorenthalte, wenn er nicht bereit ist, tief ins Portemonnaie zu greifen. Aber ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Das ist für mich ein Beispiel von Angebot und Nachfrage. Alle haben die Möglichkeit, rechtzeitig an Karten zu kommen, wenn sie sich bemühen und beispielsweise beim Vorverkaufsstart am Ticketschalter stehen.“

Seit 15 Jahren verkauft Bledon Tickets auf dem Schwarzmarkt, angefangen hat er mit Karten für die Cebit. „Ursprünglich war die Planung, die EM als letztes großes Event mitzunehmen. Doch sie blieb aufgrund der Terrorangst deutlich hinter den Erwartungen zurück. Was in Zukunft passiert, muss ich entscheiden. Es gibt mit Sicherheit sehr lukrative Sachen, bei denen es einem immer in den Fingern juckt, den einen oder anderen schnellen Euro mitzunehmen.“ Fest steht für Bledon, der Schwarzmarkt wird sich in Zukunft vergrößern. „Es gibt immer mehr Haie, die in diesem Becken schwimmen.“

KOMMENTAR

Viagogo – für Fußballfans ein Schlag ins Gesicht

Der Schwarzmarkt, ein von verruchten Gestalten geführtes Geschäft im Zwielicht des Fußballs, ist seit 2007 ein schickes Ticket-Online-Portal im schweizerischen Genf – nicht gerade die günstigste Ecke. Heute muss sich niemand mehr in dunklen Gassen herumtreiben, um Karten für Fußballspiele zu bekommen, für die es eigentlich keine Karten mehr gibt, wie beispielsweise fürs WM-Finale. Nein, heute ist die Erfüllung eines Ticketwunschs nur einen Maus-Klick entfernt – Viagogo sei Dank. Aber zu welchem Preis? Und damit meine ich nicht den tatsächlichen Preis – wobei dieser sich teilweise auch im Bereich des Absurden befindet – sondern den symbolischen Preis. Die Plattform hat ihren ursprünglichen Sinn als Ticketbörse für unpässliche Kartenbesitzer und Kartensuchende verfehlt. Viele der Anbieter kaufen sich diese seltenen Karten einzig, um sich zu bereichern. Damit landen deutlich weniger Karten zu regulären Preisen auf dem Markt. Die Preise werden nach oben getrieben. Für Fußballfans, die ihren Verein im Stadion unterstützen wollen, ein Schlag ins Gesicht. Eine Möglichkeit, dem digitalen Schwarzmarkt den Hahn abzudrehen, sind personalisierte Tickets. Die sind bei Fußballfans aber ebenso unbeliebt wie der Schweizer Großkonzern. Eine Zwickmühle ohne einfachen Ausweg ...