Wolfsburg. Der VfL Wolfsburg geht mit 1:0 in Führung, vergibt dann seine Großchancen – und verliert. Der Traum vom Europacup ist damit ausgeträumt.

Was für ein Desaster. Trotz aussichtsreicher Ausgangslage hat der VfL Wolfsburg die Chance auf den Europacup am finalen Spieltag der Fußball-Bundesliga noch verspielt. Die Wölfe leisteten sich gegen Schlusslicht Hertha BSC eine 1:2 (1:0)-Schlappe. Da Eintracht Frankfurt gleichzeitig gegen den SC Freiburg (2:1) gewann, rutscht die Mannschaft von Trainer Niko Kovac auf Rang 8 und haben damit keine Chance mehr auf das internationale Geschäft – und das auf den letzten Metern der Saison …

Doch zunächst zum Spiel: Eine ganz große Geste offenbarte sich bereits etwa eine Stunde vor dem Anpfiff in der VW-Arena. Und zwar gab’s einen Wechsel im Kapitäns-Amt. Nein, nicht weil der etatmäßige Spielführer Maximilian Arnold nicht mitwirke durfte. Viel mehr zeigte er an seinem 29. Geburtstag Josuha Guilavogui seine Wertschätzung. Nach neun Jahren wird der Routinier den VfL im Sommer verlassen. Deshalb durfte er die Wölfe noch einmal als Kapitän auf Feld führen. Für den Franzosen nichts neues – schließlich war er vor wenigen Jahren bereits fester Captain des Klubs. Die Fans der Grün-Weißen empfingen ihr Team mit einer großen Choreographie. Die Nordkurve wurde zur grün-weißen Wand, aus der sich VFL-Fan in Arbeiterlatzhose erhob.

Jakub Kaminski mit der Blitz-Führung

Auf der anderen Seite musste die Aufstellung der Gäste den Wolfsburgern Hoffnung machen. Hertha-Coach Pal Dardai hatte im Vorfeld schon angekündigt, den Jugendspielern eine Chance geben zu wollen. Gleich zwei Youngster machten nun ihr Profi-Debüt: der 20-jährige Torhüter Tjark Ernst und der erst 18 Jahre alte Innenverteidiger Pascal Klemens.

Mehr zum VfL Wolfsburg:

Und als der Ball rollte, verschwendeten die Wölfe keine Zeit, um die Weichen zu stellen. 108 Sekunden waren gespielt, als Jakub Kaminski zum 1:0 vollendete. Vorausgegangen war ein starker Diagonalpass Arnolds auf den Torschützen. Der Pole nahm Yannick Gerhardt mit. Nach dessen Vorlage mit der Hacke vollstreckte Kaminski.

Pyro im Hertha-Block

Allerdings gaben die Gäste kurz darauf einen Warnschuss ab: Koen Casteels musste sich strecken, um Florian Niederlechners Schuss noch um den Pfosten zu lenken (4.). Nach weiteren VfL-Chancen durch Kaminski, Jonas Wind und Gerhardt, die Hertha-Keeper Ernst allesamt glänzend parierte, rückte das Spiel zunächst in den Hinter- und die Zuschauer wieder in den Vordergrund. Dieses Mal aber auf der anderen Seite. Die Berliner Anhänger machten ihrem Unmut über den Abstieg und die Klubpolitik Luft – zunächst mit einem Spruchband, danach mit Pyrotechnik. Sie zündeten Bengalos, Böller und schossen Raketen ab. Schiedsrichter Benjamin Cortus unterbrach die Partie für mehrere Minuten. Hertha-Coach Dardai machte sich schließlich auf den Weg in die Kurve, um die Gemüter zu beruhigen.

Danach war der ganz große Druck der Wölfe, die zu ihrem 4-3-3-System zurückgekehrt waren, erst einmal verpufft. Chancen, die Führung auszubauen, hatten sie aber dennoch. Die dicksten gab’s für Wind und Guilavogui. Der Däne scheiterte aus etwa drei Metern Torentfernung, als er nach einem feinen Solo von Micky van de Ven dessen Flanke nicht richtig traf (18.). Der Franzose durfte nicht jubeln, weil Herthas Marco Richter seinen Schuss gerade noch von der Torlinie kratzte (42).

Bayer Leverkusen liegt hinten – Hertha gleicht aus

Die 1:0-Pausenführung war dennoch hoch verdient und nie wirklich in Gefahr. Einen Wermutstropfen gab es aber noch. Kurz vor der Halbzeit musste Felix Nmecha verletzt vom Feld. Gute Kunde kam dagegen aus Bochum. Dort führte der VfL mit 2:0 gegen Leverkusen. Die Wölfe hatten in diesem Moment die Nase vorn im Europa-Rennen.

Im zweiten Durchgang ging’s zunächst genauso weiter in Wolfsburg. Nur wollte das erlösende 2:0 nicht fallen. Ridle Baku und erneut Gerhardt scheiterten in der 52. Und Chancenwucher rächt sich dann eben doch oft. Nur drei Minuten später stellte der eingewechselte 17 Jahre alte Ibrahim Maza auf 1:1. Zu diesem Zeitpunkt waren die Wölfe immerhin noch auf Rang 6 – weil sie in der Tabelle ein einziges Tor besser dastanden als Bayer.

Reicht’s für den Europacup?

Das änderte sich jedoch wenig später. In der 68. Minute schlenzte Richter die Berliner fast aus dem Nichts in Führung. Spiel gedreht. Nun war der VfL plötzlich hinter Leverkusen im Europacup-Rennen. Auch kurz vor Schluss ging die Sorglosigkeit mit Großchancen weiter. Der eingewechselte Omar Marmoush vergab in der 86. Minute aus kurzer Distanz. Anschließend scheiterte noch Sebastiaan Bornauw per Kopf am bärenstarken Ernst. Und dann war’s das. Und dann noch die Hiobsbotschaft: Frankfurt hatte die Partie beim SC Freiburg gedreht. Der VfL war plötzlich auf Rang 8.

Das Szenario, mit dem sich in Wolfsburg niemand beschäftigen wollte, ist nun tatsächlich eingetreten. „Das kann passieren. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass wir unser Spiel erfolgreich absolvieren werden“, hatte Kovac am Freitag gesagt. Einen Tag später hat der Kroate nun Gewissheit, dass er falsch lag. Der VfL hat sein großes Saisonziel am Schlussakt der Spielzeit verdaddelt. Ist diese Punktrunde deshalb eine Gesamtenttäuschung? Sicher nicht. Im Vorjahr schließlich mussten sich die Wolfsburger lange Zeit mit dem Abstiegskampf beschäftigen. Die Enttäuschung ist dennoch groß. Und zwar zurecht. Wer am letzten Spieltag die Chance hat, gegen einen sicheren Absteiger den Europacup klarzumachen, muss sie nutzen, sonst hat er im internationalen Geschäft nichts verloren. Noch nicht zumindest. Denn der VfL-Tross ist noch jung – und wird aus dieser bitteren Erfahrung sicherlich lernen.