Gifhorn. Beim Verbandstag des NFV wird beschlossen, wie mit der unterbrochenen Saison 2019/2020 verfahren wird – alles deutet auf einen Abbruch hin.

Die niedersächsische Fußballwelt blickt am Samstag virtuell nach Barsinghausen. Dort wird nämlich auf dem außerordentlichen Verbandstags des Niedersächsischen Fußballverbandes (NFV) die Entscheidung getroffen, auf die die Kicker im Grunde seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie warten: Wie geht es weiter? Bis jetzt ist die Spielzeit 2019/2020 nur unterbrochen – wie sie gewertet werden wird, ist noch offen.

Warum ist die Entscheidung wichtig?

Die Bedeutung des Entschlusses hängt mit seiner Tragweite für die Vereine zusammen. Denn zunächst geht es schlichtweg um Planungssicherheit: Wird die unterbrochene Saison tatsächlich abgebrochen, oder doch noch fortgesetzt? Und für welche Spielklasse muss geplant werden? Schließlich ist es schon fast Juli, die „normale“ Saison wäre so gut wie vorbei. Entsprechend weit wären üblicherweise die Planungen für die kommende Spielzeit vorangeschritten. Ein möglicher Auf- oder Abstieg würde aber andere Voraussetzungen schaffen, was die Macher bislang aber eben noch nicht sicher einplanen können.

Außerdem ist es auch eine Frage der Fairness: Alle Mannschaften haben viele Spiele absolviert, haben sportlichen, organisatorischen und teils finanziellen Aufwand betrieben. Am Ende soll der Aufstieg herausspringen – oder der Abstieg vermieden werden. Für jeden einzelnen Verein geht es also auch um seine Perspektive. Selbstverständlich wird nun die bestmögliche Variante auf dem Verbandstag gesucht – allerdings gibt es bei jeder Lösung auch „Verlierer“, entsprechend emotional wurde und wird die Debatte mitunter geführt.

Worüber wird entschieden?

Vor dem Verbandstag hatten die Vereine die Möglichkeit, verschiedene Anträge vorzubringen. Insgesamt wurden zehn Anträge gestellt, über die abgestimmt wird (siehe Auflistung am Textende). Grundsätzlich geht es dabei um diese Szenarien: Den Abbruch, die Fortführung oder die Annullierung der Spielzeit.

Der Abbruch der Saison hat sich als die wohl wahrscheinlichste Variante herauskristallisiert, einen solchen sieht auch der Antrag des Verbandes vor. Demnach soll nach Quotientenregelung gewertet werde – mit Aufsteigern, aber ohne Absteiger. Die Vereine haben allerdings noch weitere Szenarien entwickelt: Beispielsweise mit Wertung auf Basis der Hinrunden-Tabelle, der Vergabe von zusätzlichen Aufstiegsrechten oder auch einen Abbruch mit Absteigern.

Wer stimmt ab?

Bei dem Verbandstag werden 324 Delegierte stimmberechtigt sein. 200 dieser Stimmrechte werden an die einzelnen NFV-Kreise verteilt. Als Schlüssel dient hierbei der Anteil der Mannschaften aus dem Kreis an der Gesamtzahl der in Niedersachsen gemeldeten Mannschaften. Der NFV-Kreis Gifhorn stellt mit den Vorstandsmitgliedern Sven Stuhlemmer, Timo Teichert, Dennis Laeseke, Hans-Dieter Smilowski und Wilhelm Wilke fünf Delegierte.

Außerdem sind die Mitglieder des Verbandsvorstandes, also das zwölfköpfige Präsidium um den NFV-Präsidenten Günter Distelrath, sowie die 33 Kreisvorsitzenden, also auch Gifhorns Kreisvorsitzender Ralf Thomas, stimmberechtigt. Zusätzlich können die vier NFV-Bezirke jeweils drei Delegierte benennen. Der letzte große Block der, der beim Verbandstag mitentscheidet, kommt von den erfolgreichsten Vereinen des Landes: Die Mannschaften der Herren und Frauen, die in der Oberliga oder höher spielen, stellen ebenfalls einen Stimmberechtigten, so auch der Oberligist MTV Gifhorn.

Wie läuft die Abstimmung ab?

Nach Barsinghausen wird niemand fahren müssen, denn der Verbandstag findet virtuell statt und beginnt um 10 Uhr. Live wird die Veranstaltung nicht übertragen, der NFV will aber im Anschluss zeitnah eine Pressekonferenz abhalten.

Nach obligatorischen Punkten in der Tagesordnung wird es schließlich um die Anträge gehen. Die Logik, mit der dabei vorgegangen wird, lässt sich grob wie folgend erklären: Die Anträge, die (auch satzungstechnisch) am gravierendsten sind, stehen als erstes zur Wahl.

Dementsprechend wird zunächst über die Annullierung der Saison abgestimmt. Danach folgen die Anträge für einen Abbruch mit Aufsteigern aber ohne Absteiger, dann jene für einen Abbruch mit Auf- und Abstieg, und zum Abschluss die Anträge für eine Fortsetzung der Saison. Sobald einer der Anträge mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, weiß die niedersächsische Fußballwelt, wie es weitergeht.

Was ist eigentlich mit dem Pokal?

Auch in den Pokalwettbewerben muss bei einem Abbruch der Saison eine Entscheidung gefunden werden. Schließlich geht es hierbei auch um Startrechte in höheren Pokalwettbewerben bis hin zur Teilnahme am DFB-Pokal. Die Lösung des NFV: Bis 30. Juni können Sieger sportlich ermittelt werden – oder müssen notfalls ausgelost werden.

Für letztere Variante hat sich der NFV-Kreis Gifhorn entschieden. Am Sonntag um 10 Uhr wird der Sieger des Wittinger Kreispokals ausgelost, um den Bezirkspokalteilnehmer zu benennen. Die Veranstaltung wird auf dem Facebook- und Instagram-Kanal des NFV-Kreises live übertragen. Auch über eine Ermittlung des Siegers im Elfmeterschießen hatte der NFV-Kreis nachgedacht, diese Option wäre aber nicht durchführbar gewesen.

So ist die Gifhorner Sicht

Im Gegensatz zu vielen anderen Kreisen in Niedersachsen hatte der NFV-Kreis Gifhorn den demokratischen Weg gewählt: Sämtliche Vereine durften in der vergangenen Woche abstimmen, welchen der neun Verbandstagsanträge sie unterstützen. 47 von ihnen beteiligten sich an der Abstimmung – eine sehr gute Zahl, wie Christian Benecke, Kreisgeschäftsführer des NFV-Kreises Gifhorn, findet.

Mehrheitlich sprechen sich die hiesigen Vereine für das Modell des Verbands aus – also den Saisonabbruch und eine Wertung mit Auf-, aber ohne Abstieg anhand der Quotientenregelung –, und entsprechend diesem Votum werden die fünf Delegierten aus dem Vorstand des NFV-Kreises Gifhorn auf dem Verbandstag abstimmen. Benecke ist auch der Meinung, dass die Wahl am Samstag auf diesen Antrag fallen wird.

Sollte es so kommen, dürfte mutmaßlich der SV Calberlah in der kommenden Saison in der Landesliga spielen. Zwar weist der Tabellendritte der Bezirksliga bei identischem Punktequotienten (2,333) im Vergleich zu Spitzenreiter TSG Mörse den schlechteren Tordifferenzquotienten (1,466 zu 2) auf, da die Wolfsburger aber nicht die Zahl von 15 vereinseigenen Spielern in der A-, B- und/oder C-Jugend nachweisen können, wird ihnen der Aufstieg wohl untersagt. Auch ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, den die TSG im Nachgang des Verbandstags einreichen würde, hätte kaum realistische Chancen auf Erfolg.

So richtig freuen könnte sich Calberlahs Trainer Stefan Timpe im Falle des Aufstiegs aber nicht, „weil wir es sportlich hätten entscheiden wollen“. Ein weiteres Problem: Hätten die Grün-Weißen eher von diesem Szenario gewusst, „wären wir auch früher auf dem Transfermarkt tätig geworden, um gestandene Landesligaspieler zu verpflichten“, erklärt der SVC-Coach. Auch wenn er nach wie vor ein Verfechter davon ist, dass es im Falle einer Quotientenregelung auch Absteiger geben müsse, „nehmen wir es, wie es kommt“, sagt Timpe. Wünschen würde er sich trotzdem, dass auf dem Verbandstag thematisiert wird, „wie dann in der kommenden Saison mit Überhang gespielt werden soll“.

Auf einen speziellen Festtag hätte sich derweil Calberlahs Ligakonkurrent TSV Vordorf freuen dürfen. Zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte hatten die Papenteicher das Viertelfinale des Bezirkspokals erreicht, in dem sie am Ostermontag auswärts auf den Braunschweiger Kreisligisten SV Gartenstadt getroffen wären.

„Das wäre für uns etwas ganz Besonderes gewesen“, betont TSV-Trainer Heinz-Günter Scheil. Da alle Pokalwettbewerbe aber bis zum 30. Juni beendet sein müssen, wird wohl das Los über den Sieger entscheiden – zum Verständnis von Scheil: „Wir müssen damit leben und sind froh, dass wir alle gesund sind. Der Fußball steht halt aktuell nicht an erster Stelle.“

Landesligist SSV Kästorf hofft wiederum noch darauf, dass eben nicht der Antrag des NFV durchgeht, sondern eine Alternative, durch die die Mannschaft doch noch aufsteigen darf. Schließlich hat das Team eine überragende Saison hinter sich gebracht und hätte eigentlich durch Nachholspiele noch auf Platz 1 vorrücken können. Die Quotientenregelung würde die Aufstiegsträume nun aber zunichte machen. Aber selbst wenn es nicht mit dem Aufstieg klappt: Vielleicht wird es ja was im nächsten Jahr. Der Großteil des Kaders soll jedenfalls schon unabhängig von der Liga für die Spielzeit 20/21 zugesagt haben – und wird am Samstag die Daumen dafür drücken, dass es in der nächsten Saison in der Oberliga auf den Platz geht.

Die Anträge für den Verbandstag zum Nachlesen

Neben dem NFV haben zwölf Vereine fristgerecht Anträge gestellt, die sich teils stark ähneln. So sind neun Varianten entstanden, wie mit der unterbrochenen Saison 2019/2020 verfahren werden soll. Ein weiterer Antrag betrifft lediglich den Aufstieg in die Regionalliga. Die jeweiligen Antragssteller stehen im Folgenden stets vorweg.

NFV: Saisonabbruch nach Quotientenregelung mit Auf- (Regelaufsteiger und Relegationsplatz), aber ohne Abstieg.

SSV Kästorf: Wertung der Saison ohne Absteiger, aber mit Aufsteigern anhand der Hinrunden-Quotiententabelle.

FC Germania Parsau: Mit Final-Four-Turnieren der ersten und letzten vier Teams einer Liga werden auf neutralem Platz Auf- und Absteiger ermittelt.

TuS Berge: Saisonabbruch nach Quotientenregelung mit Auf- und Absteigern.

Inter Celle 07: Abbruch nach Quotientenregelung mit Auf- (Regelaufsteiger und Relegationsplatz), aber ohne Abstieg. Bei Punktequotienten, die sich um weniger als 0,1 unterscheiden, steigt auch der Dritte auf.

VfB RW 04 Braunschweig, SV Wilhelmshaven: Neben dem jeweiligen Regelaufsteiger steigt auch der Tabellenzweite auf.

MTV Treubund Lüneburg: Saisonabbruch nach Quotientenregelung (Tabellenstand vom 12. März) mit Auf-, aber ohne Abstieg. Sollte der nach der Quotientenregelung ermittelte Aufsteiger nicht identisch mit dem Tabellenersten nach der Hinrunde nach Quotientenregelung sein, so steigt zusätzlich auch der Tabellenerste der Hinrunde mit auf.

TuS Sulingen, SV Nienstädt 09, SV Kickers Vahrenheide: Fortsetzung des Spieljahres 2019/2020.

FC Dynamo Lüneburg: Saisonabbruch durch Annullierung (kein Auf- und Abstieg).

VfL Oldenburg: Oberligisten, die eine Regionalliga-Lizenz erhalten haben, sollen aufsteigen dürfen.