Gifhorn. Fußball: Der Verband legt sich auf ein Szenario zur Wertung der Saison fest. Während das für drei Teams bitter ist, atmen Gamsen und Wilsche auf.

Der Niedersächsische Fußballverband (NFV) hat sich am Mittwochabend dafür ausgesprochen, die bislang nur unterbrochene Saison 2019/2020 abzubrechen und mittels der Quotientenregelung mit Aufsteigern, aber ohne Absteiger zu werten (Details am Textende). Die ersten Reaktionen der Fußballvereine aus dem Kreis Gifhorn hierauf fielen gemischt aus.

Die Reaktionen aus Gifhorn

Michael Spies, Trainer des Oberligisten MTV Gifhorn, hadert mit der Entscheidung: „Auf- und Abstieg wäre für mich die einzig faire Lösung gewesen – wir müssen es aber akzeptieren“, urteilt er. Was ihn an der Abbruchvariante ohne Absteiger stört, ist die Perspektive. „Die Liga wird jetzt ja noch größer. Wie viele Spiele sollen wir Amateure in der Saison denn absolvieren?“, hinterfragt Spies. „Es war doch schon letztes Jahr eng, und in dieser Saison noch enger.“

In das gleiche Horn stößt auch Rouven Lütke, Trainer des Landesligisten MTV Isenbüttel: „Abbruch heißt Abbruch“ – also bei Quotientenregelung auch mit den daraus resultierenden Absteigern, damit die Ligen in ihrer Mannschaftszahl nicht verändert werden. „Es kann ja nun wirklich keiner davon ausgehen, dass wir in der Spielzeit 2020/21 eine normale Saison spielen werden“, plädiert er gegen die nun angestrebte Abbruchvariante. „Ich denke, man bräuchte einen großen Zeitkorridor mit wenig Spielen für das nächste Fußballjahr.“

Er erwartet darüber hinaus, dass nun auch entsprechende Regelungen für einen Abbruch in die Statuten des Verbandes aufgenommen werden. Gänzlich unwahrscheinlich sei es schließlich nicht, dass sich ein solches Szenario noch einmal wiederholt – „obwohl ich mir das nicht ausmalen möchte, dass wieder eine Saison abgebrochen werden muss“, so Lütke.

Isenbüttels Staffelrivale SSV Kästorf ist indes in besonders bitterer Art und Weise von der Entscheidung betroffen: Mit zwei Spielen und fünf Punkten weniger als die SVG Göttingen hätte die Mannschaft von Trainer Georgios Palanis eigentlich die Trümpfe im Titelrennen in der eigenen Hand gehabt – nach Quotientenregelung hat Kästorf (2,375 Punkte/Spiel) aber nun knapp das Nachsehen gegenüber den Göttingern (2,388).

Besonders bitter in diesem Zusammenhang: Die Heimspiele des SSV sind ausgefallen, weil der Rasenplatz teils nicht bespielbar war – die SVG konnte derweil ihrerseits im Zweifelsfall auf Kunstrasen ausweichen und so eben mehr Partien absolvieren. Es könnte also ein struktureller Vorteil sein, der am Ende den Ausschlag gibt. So oder so: Für den SSV ist die Quotientenregelung extrem bitter. Auf Anfrage unserer Zeitung räumte sich Georgios Palanis Zeit für eine Stellungnahme ein.

Ähnlich gestaltet sich die Situation in der Bezirksliga. Die SV Gifhorn, mit 38 Punkten nach 17 Spielen Zweiter, fällt durch die Quotientenregelung um einen Rang. Spielertrainer Tino Gewinner hatte bereits vor einigen Tagen seinen Unmut über die Dauer der Entscheidungsfindung kundgetan (wir berichteten) – ebenso, dass er aufgrund der drohenden Mehrbelastung durch die Regelung ohne Absteiger gegen diese Variante ist. „Aber wir nehmen alles hin, wir wollen einfach nur mal eine Entscheidung haben, um planen zu können“, hatte Gewinner gesagt.

Der SV Calberlah ist zwar mit 35 Punkten nur Tabellendritter, hat allerdings auch drei Spiele weniger bestritten als Primus TSG Mörse (42 Punkte). Beide Mannschaften kommen auf einen Quotienten von 2,333. Da in diesem Fall der Tordifferenzquotient (Tordifferenz geteilt durch Anzahl der absolvierten Spiele) über die Platzierung entscheidet, hat Calberlah (1,467) im Aufstiegskampf das Nachsehen gegenüber Mörse (2,0).

Da eine Fortsetzung der Saison als sportlich fairste Variante kein Thema mehr ist, erachtet SVC-Trainer Stefan Timpe die Quotientenregelung als „die beste der schlechten Varianten“ – obwohl sie seine Mannschaft um die Möglichkeit des Aufstiegs bringt. Allerdings hätte auch er eine Regelung mit Aufsteigern und Absteigern als konsequenter empfunden, weil er die Mehrbelastung durch die nun gewählte Variante fürchtet. „Aber die gesamte Vorgehensweise des NFV in dieser Situation war nicht konsequent“, moniert er. „Nun hat man den sozusagen positivsten Weg gewählt, der zumindest ausschließt, dass die Absteiger gegen die Wertung klagen.“

Diesen Weg hätte der MTV Gamsen definitiv nicht beschritten. Das Tabellenschlusslicht profitiert nun wohl von der Abbruchregelung. „Natürlich freuen wir uns, wenn wir auch in der nächsten Saison in der Bezirksliga spielen können“, sagt Spartenleiter René Dethlefs, betont aber umgehend: „Wir hätten aber auch die Variante mit Absteigern akzeptiert. Nach unserer Hinrunde hatten wir in all unsere Planungen und Gespräche ohnehin einbezogen, dass wir künftig vielleicht in der Kreisliga antreten müssten.“

Das Wichtigste, so Dethlefs, sei für alle Vereine ohnehin aber, „dass es endlich Planungssicherheit gibt, denn das ist wichtig für die weiteren Gespräche mit Spielern und Sponsoren. Alle wollen wissen, wie und vor allem wo es weitergeht.“ Etwas zögerlich ist Dethlefs allerdings noch, da der NFV in seiner Mitteilung Vereinen noch die Möglichkeit einräumt, bis zum außerordentlichen Verbandstag am 27. Juni, bei dem dann ein finaler Beschluss gefasst wird, Anträge einzureichen.

Auch den Verantwortlichen vom VfR Wilsche-Neubokel fiel als Reaktion auf die NFV-Mitteilung ein Stein vom Herzen. Nach dem MTV Gamsen und Lupo Martini Wolfsburg hat der VfR nämlich den drittschlechtesten Quotienten der Liga (0,75), Aufsteiger Brome steht minimal besser da (0,82). „Es ist die einzig vernünftige Entscheidung“, findet Coach Bernd Huneke. „Wir haben im Vergleich zu Brome gegen mehr Spitzenteams gespielt. Es wäre fatal, wenn wir dafür bestraft worden wären“, erklärt er. „Wenn es im nächsten Jahr mehr Absteiger geben wird, ist das aus meiner Sicht kein Problem. Darauf kann man sich einstellen.“ Doch auf einen Abstieg, der am grünen Tisch entschieden worden wäre, hätte sich keiner einstellen können, weswegen dies der falsche Weg gewesen wäre, so Huneke.

Das hat der NFV entschieden

In der lange offenen Frage nach dem Umgang mit der unterbrochenen Fußballsaison zeichnet sich nun endlich eine Klärung ab: Der Vorstand des Niedersächsischen Fußballverbandes (NFV) hat sich in seiner Sitzung am Mittwochabend final mit den vier möglichen Varianten beschäftigt. Die dem Vorstand angehörenden Präsidiumsmitglieder und Vorsitzenden der 33 NFV-Kreise einigten sich dabei auf eine Variante: den Saisonabbruch nach Quotientenregelung mit Auf-, aber ohne Abstieg.

Die Resonanz beim jüngsten Webinar habe „gezeigt, wo die Präferenzen der Vereine liegen. Insofern ist der Verbandsvorstand auch nach Empfehlung des Präsidiums zur Beschlussfassung gekommen“, heißt es in der Mitteilung des NFV. Diese Variante werde vom Verband als einziger Antrag für den außerordentlichen Verbandstag am 27. Juni eingereicht werden. „Unabhängig davon kann jeder Verein einen Antrag im Rahmen der Antragsfrist stellen“, erklärte NFV-Präsident Günter Distelrath. Gemäß der Geschäftsordnung des NFV müssen Anträge wenigstens drei Wochen vor dem Verbandstag beim NFV eingereicht werden.

Neben dem Votum für das Abbruchszenario wurde auch über die Aufstiegsregelung abgestimmt. Der NFV-Vorstand sprach sich mit großer Mehrheit für die „Regelaufsteiger + Relegationsplatz“ aus. In Spielklassen, in denen neben direkten Aufsteigern noch Relegationsplätze vorgesehen waren, steigen demnach auch die Teams auf, die den Relegationsplatz (nach Quotientenregelung) belegen.

Dass sich aus der Regelung ohne Absteiger für die kommende Saison eine große Herausforderung für die Spielausschüsse und die Aktiven ergibt, sei den Verantwortlichen bewusst. „Wir müssen darauf achten, dass kein Verein und keine Mannschaft überfordert wird. Deshalb wird es zum Beispiel hinsichtlich der Planung der Saison keine Denkverbote geben“, erklärte Distelrath mit Bezug auf die Mehrbelastung. Der NFV behalte sich ferner vor, Sonderregelungen für die Pokal- Wettbewerbe zu treffen oder die kommende Saison bis zum Beginn der Sommerferien am 22. Juli 2021 zu verlängern.