Leiferde. Frauenfußball: Die 19-jährige Charleen Thöne aus Leiferde ergatterte über ein Sichtungsturnier ein Stipendium in den Vereinigten Staaten.

Die Vereinigten Staaten sind auch bekannt als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – und Charleen Thöne aus Leiferde kann aufgrund ihrer eigenen Geschichte inzwischen nachvollziehen, was damit gemeint ist. Die Fußballerin, die in der vergangenen Saison noch für das Bezirksliga-Team der SG Hillerse/Leiferde spielte, ergatterte ein Stipendium für ein College in den USA. Bis mindestens Mai kommenden Jahres schnürt die 19-Jährige die Fußballschuhe für das Sussex County Community College.

„Das hätte ich mir nie zu träumen gewagt“, sagt sie selbst. „Zumal es zwischendurch auch etwas in Vergessenheit geraten war.“ Rund zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass Charleen Thöne eine Anzeige bei Facebook erblickte, die ihren Traum vom Fußballspielen in den USA auf den Weg brachte. „Dort wurde darauf hingewiesen, dass amerikanische Colleges Stipendien für Sportler vergeben“, berichtet die Stürmerin. Zwar rechnete sie sich kaum Chancen aus, „ich wollte es mir aber zumindest mal anhören. Also habe ich Kontakt mit der Organisation aufgenommen und ein persönliches Informationsgespräch vereinbart“, erklärt Thöne.

Anfängliche Skepsis

Zu diesem Zeitpunkt spielte sie noch in dem von Heiko Rösler trainierten A-Juniorinnen-Team des JFV Kickers (Kreisliga Celle). Aus einem deutschen Kreisliga-Jugendteam an eine Hochschule in den USA? Dieser Sprung erschien auch ihren Eltern als unrealistisch. „Sie haben die Sache damals noch nicht so recht ernst genommen und waren anfangs noch sehr skeptisch, weil eine kleine Anzeige bei Facebook nicht so seriös auf sie gewirkt hat.“ Dennoch unterstützten sie ihre Tochter, fuhren mit ihr zum Gespräch nach Hannover. Weil sich alles positiv und schlüssig anhörte, seien ihre Eltern danach schon offener für das Projekt gewesen.

Das Problem: Ein abgeschlossenes Abitur war Voraussetzung, um für ein Stipendium infrage zu kommen. Da Thöne daran noch arbeitete, lag der Traum von den Staaten in den folgenden Monaten vorerst auf Eis. Ihre sportliche Entwicklung setzte die schnelle, technisch starke Angreiferin ab Sommer 2018 bei den Frauen der SG Hillerse/Leiferde fort. Auch im Erwachsenenbereich fasste sie schnell Fuß und wurde mit 21 Saisontreffern zur erfolgreichsten Torschützin ihres Teams in der Bezirksliga 1.

Wendepunkt in Stuttgart

Auch ihre guten Leistungen trugen dazu bei, dass der Gedanke ans Stipendium wieder auflebte. Und so meldete sich Thöne zu einem Sichtungslehrgang in Stuttgart im Dezember letzten Jahres an – auf eigene Kosten, mit Regionalliga-, Zweitliga- und sogar Nationalspielerinnen als „Konkurrenz“. „Als sie gesehen haben, wie professionell alles aufgezogen war und dass sogar zahlreiche amerikanische Trainer vor Ort waren – das hat meine Eltern dann komplett überzeugt“, erzählt die 19-Jährige.

Trotz der vielen höherklassig aktiven Spielerinnen gelang es Thöne, mehrere US-Coaches mit ihrer Leistung und einigen Toren auf sich aufmerksam machen. „Eine Trainerin aus South Carolina hat mich anschließend angesprochen“, berichtet sie. Doch noch hatte Thöne das Abitur nicht in der Tasche, hinzu kam, dass nur die wenigsten volle Stipendien erhielten. „Daher mussten wir immer auch schauen, ob es finanziell machbar ist“, erklärt sie. Vor diesem Hintergrund sollten dann auch die Lage des Colleges und die angebotenen Studiengänge passen. Weitere vier Monate vergingen, dieses Mal blieb ihr Traum aber gegenwärtig, weil die Spiele des Sichtungstrainings aufgenommen und auf der Website der Organisation veröffentlicht wurden und so immer wieder neue Colleges an die Leiferderin herantraten.

Das Abenteuer beginnt

Und schließlich war die richtige Anfrage dabei: Das Sussex County Community College in Newton im US-Bundesstaat New Jersey zeigte Interesse. Es folgten Gespräche und viele Mails, um die Formalitäten zu klären. Visum beantragen, für einen Kurs anmelden – „plötzlich ging alles ganz schnell“, sagt Thöne, die Mitte August allein in den Flieger stieg und in ihr Abenteuer startete.

Rund 100 Kilometer nordwestlich von New York City fand Thöne einen zwar sehr kleinen Campus, dafür aber sehr professionelle Bedingungen vor. Neben US-Amerikanerinnen gehören dem Damen-Team der Hochschule drei Brasilianerinnen, drei Engländerinnen, eine Australierin, eine Österreicherin sowie eine weitere deutsche Spielerin neben Thöne an. „Anfangs war es mit der Verständigung noch etwas schwierig, ich habe aber recht schnell Anschluss gefunden“, schildert die 19-Jährige. Um die – teils sehr schnellen – Gespräche der Muttersprachler und den Unterrichtsstoff zu verstehen, belegte sie vor Beginn des Semesters – Thöne entschied sich für das Fach „Criminal Justice“ (Strafrecht) – noch einen zusätzlichen Englischkurs. „Inzwischen geht das mit der Verständigung überraschend gut“, merkt sie lachend an.

Gleich ein großer Titel

Auch sportlich erlebt sie gerade eine völlig neue Kultur mit täglichem Training und in der Regel zwei Spielen pro Woche. „Die Coaches bereiten uns mit intensivem Videostudium auf unseren nächsten Gegner vor. Das Training und das Spiel sind hier sehr auf das Taktische ausgerichtet, der Fokus ist ein anderer als in Deutschland“, erläutert Thöne. Im Land des amtierenden Weltmeisters werde der Frauenfußball einfach ganz anders gefördert. Sie habe schon jetzt das Gefühl, den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung genommen zu haben – fußballerisch wie persönlich.

Und die Arbeit, die investiert wird, um in der höchsten College-Liga (NJCAA Division I) mithalten zu können, zahlt sich aus: Das Team sicherte sich an diesem Mittwoch den Titel in seiner Region (Garden State Athletic Conference) – zum überhaupt erst zweiten Mal nach 2008 gelang dies einem Damenteam von Sussex County. Nun winkt das überregionale Finale, das in Florida ausgetragen wird.

Thöne freut sich darauf und hofft, auch noch die Zeit für einen New-York-Besuch zu finden. „Ich will die Zeit hier nutzen, um so viel wie möglich vom Land zu sehen“, betont sie. Denn noch ist sie sich unsicher, ob sie über den Mai hinaus in den Staaten bleibt. Es bleibt eine Geldfrage, „außerdem wird das Studium in Deutschland nicht anerkannt“, erklärt sie. „Deshalb sehe ich es jetzt als einmalige Chance, als Abenteuer.“