Göttingen. Die BG Göttingen befindet sich in der Basketball-Bundesliga in einer schwierigen Phase. Im Interview äußert sich der Geschäftsführer Frank Meinertshagen.

Bei der BG Göttingen liegen Licht und Schatten derzeit sehr nah beieinander. Der Erfolg im FIBA Europe Cup täuscht nicht darüber hinweg, dass es in der BBL noch nicht wie gewünscht läuft. BG-Geschäftsführer Frank Meinertshagen spricht im Interview über die Vor- und Nachteile des europäischen Wettbewerbs, ordnet die momentane sportliche Situation ein und erklärt, warum er kein Freund von Trainerentlassungen ist.

Im FIBA Europe Cup wurde souverän als Gruppenerster die zweite Runde erreicht. Hättest du bei der Gruppenauslosung im Sommer damit gerechnet?

Natürlich nicht. Bei der Auslosung war auch noch Cholet in unserer Gruppe, die sich dann für die Basketball Champions League qualifiziert haben. Das hat unsere Gruppe nominell etwas schwächer gemacht. Ich hatte damit gerechnet, dass wir die Chance haben, Zweiter hinter Varese zu werden, weil Varese schon ein ziemlich gutes Team ist.

Welche Vorteile hat es für die BG, am europäischen Wettbewerb teilzunehmen?

Generell sammeln wir eine Menge Erfahrungen und können uns als Organisation weiterentwickeln. Zudem ist die Teilnahme eine Belohnung und wir können stolz darauf sein, im FIBA Europe Cup zu spielen und noch stolzer, eine Runde weiter gekommen zu sein.

Es gibt Menschen, die glauben, die Leistung in der Liga würde unter der Belastung im FIBA Europe Cup leiden, und du würdest nicht erkennen, dass die Teilnahme ein Fehler war. Wie siehst du das?

Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass Leute es als Fehler sehen, am FIBA Europe Cup teilzunehmen. Ich habe das Gefühl, dass es ein deutsches Ding ist zu sagen, dass der europäische Wettbewerb sportliche Nachteile durch die hohe Belastung hätte. Ich genieße jedes FIBA Europe Cup-Spiel, weil ich stolz darauf bin.

Natürlich ist es eine höhere Belastung, allerdings nicht durch das Spielen, sondern durch das Reisen. Bei einem FIBA Europe Cup-Auswärtsspiel haben wir in der jeweiligen Woche zwei Reisetage, die anstrengend sind, die fürs Training fehlen. Aber das Spielen bringt natürlich unheimliche Vorteile, gerade bei unserem Team, das neu zusammengestellt ist, das sehr jung ist. Da sind die vielen Spiele unheimlich hilfreich. Ich glaube, dass es sportlich eher ein Vorteil als ein Nachteil ist.

Bei allem Stolz und aller Freude, sich für die erfolgreiche vergangene Saison zu belohnen: Welche Herausforderungen bringt der FIBA Europe Cup mit sich?

Wir haben bestimmte Annahmen getroffen, die sehr defensiv waren. Jetzt hat sich herausgestellt, dass diese nicht defensiv genug waren.
Frank Meinertshagen, Geschäftsführer der BG Göttingen

Dadurch, dass wir schon so lange nicht mehr an einem europäischen Wettbewerb teilgenommen haben, war es für uns schwierig finanziell zu kalkulieren. Wir haben bestimmte Annahmen getroffen, die sehr defensiv waren. Jetzt hat sich herausgestellt, dass diese nicht defensiv genug waren. Der Zuschauerschnitt liegt etwas unter dem, den wir erwartet haben. Zudem haben wir es nicht geschafft, bei unseren Sponsoren genügend Begeisterung zu wecken und ihnen zu verdeutlichen, dass der FIBA Europe Cup etwas ganz Tolles ist, sodass sie sich nicht nur in der Bundesliga engagieren. In Chemnitz und Rostock ist diese Begeisterung da.

Wie kann man diese Begeisterung wecken?

Daran arbeiten wir gerade. Für die zweite Runde wollen wir noch ein paar mehr Sponsoren dazugewinnen. In der zweiten Runde haben wir auch attraktivere Gegner.

Die momentane Situation in der Liga ist nicht neu. Auch in der ersten Saison unter Roel Moors 2020/21 hatte die BG bis Ende Dezember nur zwei Siege geholt. Wie gehst du mit kritischen Stimmen um, die fordern, den Trainer zu entlassen oder sich aus dem Europapokal zurückzuziehen?

Es ist kein Geheimnis, dass ich kein großer Freund davon bin, den Trainer zu entlassen – aus vielfachen Gründen.
Frank Meinertshagen, Geschäftsführer der BG Göttingen

Natürlich registriere ich Kritik und nehme sie zusätzlich zum Anlass, mich zu hinterfragen, bestimmte Abläufe zu hinterfragen, ob wir da in die richtige Richtung gehen. Auch mit Roel Moors war es ein Prozess. Da lief am Anfang auch nicht alles rund und es hat gedauert, bis sich der erwünschte Erfolg eingestellt hat, der in der vergangenen Saison gipfelte, die außerordentlich erfolgreich war. Und jetzt stehen wir wieder am Anfang eines solchen Entwicklungsprozesses.

Es ist kein Geheimnis, dass ich kein großer Freund davon bin, den Trainer zu entlassen – aus vielfachen Gründen. Es gibt genügend Statistiken, die belegen, dass eine Trainerentlassung in den meisten Fällen nicht zum gewünschten Erfolg führt. Und es entspricht auch gar nicht unserer Philosophie. Wir wollen sportlichen Erfolg durch gemeinsame Entwicklung erreichen. Da braucht man manchmal ein bisschen mehr Geduld und manchmal dauert es auch länger, als man es sich vorgestellt hat, aber wir wollen uns in allen Bereichen weiterentwickeln: die Trainer, die Spieler, die Organisation. Wir wollen nicht einfach Menschen austauschen.

Welches Gefühl überwiegt momentan: Der Stolz, sich als Organisation vom Aufstieg 2014 bis heute zu einem Europapokal-Teilnehmer weiterentwickelt zu haben, oder die Sorge um die Finanzen und den sportlichen Erfolg in der Liga?

Das ist eine Mischung aus beidem. Ich freue mich, dass es im FIBA Europe Cup so erfolgreich läuft und dass wir mit dabei sind. Natürlich wissen wir hier aber alle, dass die Bundesliga viel, viel wichtiger ist und dass über allem immer der Klassenerhalt steht, auch wenn unsere Ziele höher und ambitionierter sind. Auf der anderen Seite ist es hier in Göttingen immer ein Ritt auf der Rasierklinge. Wir haben nach wie vor einen der kleinsten Etats. Ich habe gerade aktuelle Zahlen der Liga bekommen, in denen wir den drittkleinsten Etat haben. Und dementsprechend ist es finanziell immer schwierig und eigentlich müsste es auch sportlich immer schwierig sein.

Wir wissen alle, dass es sportlich momentan nicht so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben. Wie schon gesagt: Wir brauchen Geduld, was aber nicht heißt, dass wir tatenlos sind. Wir führen viele Gespräche und schauen, was wir verändern können. Wir haben auch schon viele Dinge verändert, die dazu geführt haben, dass sich Sachen zum Positiven entwickelt haben, aber noch nicht mit dem gewünschten Ergebnis. Und so werden wir das weitermachen.

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