​Pyeongchang. Deutschland gewann 14 Goldmedaillen – und darf sich erneut eine führende Wintersportnation nennen. Aber Doping-Ärger mit Russland und Säbelrasseln in den USA belasten 17 Tage Wintermärchen auch.

Die Olympischen Spiele haben viele Gesichter. An den 17 Tagen zwischen der Eröffnungsfeier und der großen Abschlussparty am Sonntag hat Pyeongchang sie alle gezeigt. Einige waren schön anzusehen, andere verstörten wiederum. Welches Gesicht Olympias bleibt also am Ende der Winterspiele in Südkorea am ehesten in Erinnerung?

Wenn der letzte Eindruck am meisten zählt, muss es das Gesicht von Christian Ehrhoff sein. Und es steht für das Team Deutschland. Der Star der Eishockey-Mannschaft, 35 Jahre alt, in Moers am Niederrhein geboren und viele Jahre in der NHL in Nordamerika aktiv, presste nach der 3:4-Finalniederlage gegen ein Land, das offiziell gar nicht bei diesen Spielen dabei war, erst die Lippen aufeinander und strahlte dann doch noch mit der Medaille um den Hals. Der deutsche Fahnenträger bei der Schlusszeremonie am Abend vollzog damit noch seine Wandlung vom zutiefst enttäuschten Sportler hin zum stolzen Olympioniken, der mit seinen Kollegen Wertvolles erreicht hatte.

Medaillen sind die Essenz des Leistungssports, demnach wiegt Gold am Ende mehr als Silber. Aber diese Eishockey-Truppe hat in der Heimat eine Euphorie entfacht, wie sie Sportarten außer dem Fußball nur während Olympia zu erzeugen wissen. Absurd und ergreifend zugleich, wie derart eine Lawine der Emotionen ins Rollen kommen kann und so viele Menschen berührt.

"Wir sind wieder eine der führenden Wintersportnationen"

Genau wie beim Dreifachsieg der Nordischen Kombinierer und erst recht beim zauberhaften Auftritt der Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot, die das erste Paarlauf-Gold seit 66 Jahren für Deutschland holten. „Unsere Sportler haben die Spiele zu einem Spektakel gemacht“, sagte Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig zum deutschen Abschneiden. 14 Mal Gold, genauso viele wie Norwegen (14/14/11) als bester Nation im Medaillenspiegel, dazu zehnmal Silber und siebenmal Bronze. „Wir sind wieder eine der führenden Wintersportnationen“, freute sich Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Ein Wintermärchen. Die Schland-Besoffenheit lösen alle vier Jahre jedoch nur Rodeln, der Bobsport, Nordische Kombination und Biathlon aus. Beim Ski Freestyle, Snowboard, Eisschnelllauf, Shorttrack und Skilanglauf, die zusammen etwas mehr als die Hälfte der 102 Goldmedaillen ausmachen, stockt die deutsche Medaillen-Manufaktur jedoch.

Für das Fernsehen hat Olympia ausschließlich sein geschminktes Gesicht gezeigt. Atemberaubende Bilder von starken, mutigen, erfolgreichen Athleten. Von wunderbaren Sportstätten mit kurzen Anfahrtswegen und einer perfekten Organisation, die Pyeongchang trotz der klirrenden Kälte anfangs zu den Spielen der zufriedenen Sportler gemacht haben. Nicht aber zu den Spielen der Fans.

Denn deren Bilder werden ein anderes Gesicht des Olympia-Gastgebers nach Hause transportieren. Es sind Eindrücke einer Region, die sich als von Touristen stark frequentierte Wintersportregion nicht vorstellen lässt. Für die Hallen im Küstenort Gangneung wird sich eine Verwendung finden. Bis es eine nachhaltige Nutzung für die schicke Alpensia-Schanze, das Biathlon-Zentrum und die Eisbahn gibt, ist von Olympia nicht mehr viel zu sehen. Die Umweltsünden, das Roden von zigtausend Bäumen für eine alpine Abfahrtsstrecke, lassen sich auch nicht mehr rückgängig machen.

Sauber bei Olympia ist nur noch der weiße Schnee

Olympia hat also auch ein ungeschminktes Gesicht, gar ein schmutziges. Denn sauber ist bei den Winterspielen nur noch der weiße Schnee. Vier Athleten sind während der vergangenen zwei Wochen des Dopings überführt worden. Zwei von ihnen kommen ausgerechnet aus Russland, dessen Nationales Olympisches Komitee wegen des staatlichen Dopingsystems bei den Sotschi-Spielen diesmal gesperrt war. Auch bei der Abschlussfeier mussten russische Sportler auf ihre Fahne verzichten. Von Reue und einem Eingeständnis war in Südkorea allerdings nichts zu vernehmen. Und den Bann wird IOC-Präsident Thomas Bach wohl in den nächsten Tagen aufheben, sollten die noch ausstehenden Ergebnisse der übrigen Dopingtests negativ ausfallen.

Überhaupt waren die Spiele in Südkorea sehr politische. Wie auch sonst, nur 80 Kilometer vom seit mehr als 50 Jahre verfeindeten nördlichen Bruder entfernt? Die politische Symbolik war enorm: das Einlaufen der koreanischen Athleten aus Nord und Süd ins Olympiastadion, die Spiele des gemeinsamen Frauen-Eishockeyteams, der Besuch von Kim Jong-uns Schwester zur Eröffnung. Dass Olympia am Ende aber zu einer Lösung im Korea-Konflikt beigetragen haben könnte, ist utopisch: US-Präsident Donald Trump blökt schon wieder in Richtung Diktator Kim Jong-un, und wenn die letzten Athleten am Montag abgereist sein werden, beginnen im Grenzgebiet wieder militärische Übungen.

Olympias Gesicht in Pyeongchang – auch das gehört leider dazu.