Minneapolis. . Philadelphia gewinnt erstmals den Super Bowl. Unser Reporter erlebt im NFL-Stadion den Unterschied zur Fußball-Bundesliga.

Millionen grüne und weiße Konfetti fliegen durch die Luft, Tom Brady schleicht geschlagen vom Platz. Der größte Spieler in der Geschichte der Football-Liga NFL hat diesmal verloren. „Fly Eagles fly“ brüllen die Fans im US Bank Stadium von Minneapolis. Erstmals haben die Adler aus Philadelphia den Super Bowl gewonnen - 41:33 gegen Brady und seine New England Patriots. Es ist einer der wenigen Momente, in denen man den Eindruck hat: Es geht wirklich nur um Sport.

Vieles ist anders als bei einem Fußball-Endspiel. Der Patriotismus vor dem Kick-off zum Beispiel. Leslie Odom singt die inoffizielle Nationalhymne „America the beautiful“, Popsängerin Pink die offizielle. Unmittelbar bevor Pink mit der ersten Zeile beginnt, nimmt sie etwas aus dem Mund. Was? Die Frage wird zur Breaking News. Nachher wird sie sagen: „Grippe! Es war ein Hustenbonbon.“

Werbepausen und Promi-Gucken

In Kuschel-Atmosphäre – draußen sind’s minus 20 und im beheizten Stadion plus 20 Grad – bestimmen die Eagles die erste Halbzeit. Nur für Brandin Cooks von den Patriots ist der Football-Abend nach einer brutalen Attacke von Eagles-Verteidiger Malcolm Jenkins schnell beendet. Cooks wird minutenlang behandelt. Als er aufsteht – ein Wunder – gibt es nicht die in Deutschland übliche Häme („Auf Wiedersehen!“). Nein, alle applaudieren. Die eigenen Fans, die des Gegners, sogar der Gegenspieler. Kann passieren, weiter geht‘s.

Aber nicht immer. Ständig gibt es Pause beim American Football. Und nur, damit das Fernsehen Werbespots zeigen und Prominente auf den Tribünen einblenden kann. Manchmal dauern die Werbepausen so lange, dass die Spieler auf dem Spielfeld ungeduldig von einem Bein aufs andere treten.

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Den Fans bleibt nur das Promi-Gucken. Schauspieler Bradley Cooper ist mit Freundin Irina Shayk da und trägt ein Eagles-Trikot. Laut wird‘s. Moderator Jimmy Fallon verschüttet sein Getränk, als er auf einer Anzeigetafel zu sehen ist, die größer erscheint als ein Fußballfeld. Alle lachen.

Unterhaltung und Spitzensport - hier geht beides

In der Pause verwandeln hunderte Helfer minutenschnell den Rasenplatz in eine Konzerthalle. Stadionlicht aus, Disco-Licht an: Justin Timberlake betritt mit viel Getöse die Bühne. Zwischendurch lässt Timberlake Prince, den lokalen Helden aus Minneapolis, als Hologramm auferstehen. Keiner pfeift hier. Das war bei Helene Fischer im DFB-Pokalfinale anders. Und macht den Reiz aus. Die Amerikaner verstehen die Balance zwischen Unterhaltung und Spitzensport. Denn das darf man nicht vergessen: Super Bowl ist beides.

Das NFL-Finale ist ein Offensiv-Spektakel. Die Teams bewegen den Ball über 1151 Yards. Das hat es in einem Super Bowl noch nie gegeben. Der Videobeweis hilft den Zuschauern im Stadion, die Entscheidung der Schiedsrichter besser zu verstehen. So in der 38. Minute.

Die Aschenputtel-Story des Nick Foles

Da passt Eagles-Quarterback Nick Foles den Ball über 22 Yards zu Corey Clement – Touchdown zum 29:19. Doch stand Clement mit beiden Beinen im Spielfeld, als er den Ball fing? „The play is under review“, sagt Schiedsrichter Gene Steratore – Videobeweis.

Die Wartezeit beginnt. Doch die wird diesmal nicht überbrückt durch den nächsten Fünf-Millionen-Dollar-Werbespot. Der Teil der 67 000 Zuschauer, der sich gerade nicht für neun Dollar ein Budweiser besorgt, sieht im Stadion dieselben Zeitlupen wie der Schiedsrichter. Bei Schalke gegen Dortmund wäre das undenkbar. Nach ein paar Minuten verkündet der Schiedsrichter: „The ruling on the field stands“. Er bleibt bei seiner Entscheidung. Alle wissen Bescheid.

Superstar Tom Brady muss seine Degradierung hilflos mit ansehen. Am Ende steht einer oben, der die Ausstrahlung eines Kunststudenten hat: Nick Foles wird zum wertvollsten Spieler gewählt. Eine Aschenputtel-Story, da Foles erst im Dezember für den verletzten Carson Wentz übernommen hatte.

Reporter in der Umkleidekabine

Im Bauch des Stadions sitzen nach der Siegerehrung die wichtigsten Spieler auf Podien und beantworten die Fragen der Reporter. Einige Reporter dürfen sogar in die Umkleidekabinen. Spieler erzählen ihre Geschichte – und die wird monatelang auf allen Sportkanälen verbreitet. Bis im September der NFL-Wahnsinn von vorn beginnt.