Minneapolis. Amerika ist im Super-Bowl-Fieber. Eine Million Touristen sind in Minneapolis. Unser Reporter ist bei dem Ereignis einer von 6000 aus aller Welt.

Es ist so kalt, dass Seifenblasen nicht zerplatzen, sondern zersplittern. „Stop! Nicht das Wetter definiert diese Region“, sagt Doug Baker und lacht. Baker hat vier Jahre lang mit dem Organisationskomitee die Stadt Minneapolis auf den Super Bowl vorbereitet. Am Sonntagabend ist es soweit: Titelverteidiger New England Patriots trifft im Finale der amerikanischen Football-Profiliga NFL auf die Philadelphia Eagles (0.30 Uhr MEZ, ProSieben live) – und eine Stadt im mittleren Westen, die kaum größer ist als Bochum, versucht, sich selbst treu zu bleiben.

42 000 Hotelzimmer hat die Region – ausgebucht. 70 000 Plätze hat das Stadion – die Karten sind längst weg. Ähnlich wie das Ruhrstadion in Bochum liegt der zentrale Ort des Super-Bowl-Wahnsinns, das US Bank Stadium, am Rande der Innenstadt. Kaum ein Fenster der Stadt verzichtet auf eine Fahne mit der Aufschrift „Super Bowl LII“, die in römischen Zahlen auf die 52. Auflage des weltgrößten Tages-Sportereignisses hinweist.

Rund um das Stadion wird seit Wochen gewerkelt, Straßen sind längst abgesperrt. Außer bei der Lage hat das Stadion mit dem Ruhrstadion so wenig gemeinsam wie der VfL mit der Champions League. Das US Bank Stadium ist nagelneu. Knapp 875 Millionen Euro hat es gekostet, umgerechnet 1,1 Milliarden Dollar. Ein Stadion der Superlative.

10 000 freiwillige Helfer

Cindy Ardolf aus Minneapolis steht auf einer Straße zwischen dem Stadion und einer Fanmeile. „So eine Möglichkeit gibt es nur einmal im Leben“, sagt sie. Als eine von 10 000 freiwilligen Helfern dient sie den Besuchern aus aller Welt. Sie weist den Weg zu einer Hauptstraße, die acht Tage lang abgesperrt ist. Es gibt Dutzende Eisskulpturen, noch mehr Stände und eine große Bühne für Konzerte. In der Super-Bowl-Woche spazieren eine Million Touristen vorbei.

Das stellt den Boss der NFL zufrieden. Der residiert in einer Nebenstraße unweit der Fanmeile im Hilton-Hotel. Commissioner Roger Goodell ist so mächtig wie DFL-Chef Reinhard Rauball, DFB-Chef Reinhard Grindel und Bundestrainer Joachim Löw zusammen. Im großen „Ballroom“ des Hotels stellt sich Goodell bei einer Pressekonferenz etwa 1000 der 6000 Journalisten, die aus aller Welt angereist sind. Er bleibt 30 Minuten, keine Sekunde mehr, keine Sekunde weniger. Die meisten Fragen werden in aller Ausführlichkeit beantwortet. Vor allem die lieben, die wirken wie vorher bestellt.

Der Boss bügelt Kritik kurz ab

Europäische Reporter werden ignoriert, so sehr sie auch winken. „Das ist doch eine Farce“, schimpft der deutsche TV-Experte Patrick Esume von ProSieben und winkt ab. Auch wenige kritische Anmerkungen der US-Reporter werden kurz abgebügelt. Ob er mit US-Präsident Donald Trump gesprochen habe, nachdem sich der in der Anti-Rassismus-Debatte einen bösen Ausfall geleistet habe, wird Goodell gefragt. „Nein“, sagt er kurz. Nächste Frage. Am liebsten von den Kinder-Reportern der Sport-Sender.

Am anderen Ende des Zentrums schließt die „Super Bowl Experience“ im Convention Center die Fanmeile ab. Da interessiert sich niemand für Kritik, für Trump, für die Gefahr von schweren Kopfverletzungen. Die Experience ist eine Mischung aus Disney World und Football-Ausstellung auf drei Etagen. Kurz: eine Art DFB-Fußballmuseum, allerdings für eine andere Sportart – und nicht 365 Tage im Jahr geöffnet, sondern lediglich acht vor dem Super Bowl.

Jeder kann dort aus 40 Yards Entfernung ein Field Goal schießen – und jeder kann versuchen, mit dem Football in der Hand zwei Meter große und gefühlt auch breite Gegenspieler aus Stoff umzuhauen. Es ist so voll, dass bei jeder Attraktion 30 Minuten Wartezeit einzukalkulieren sind, selbst bei der Ausstellung der Super-Bowl-Ringe. Disney World eben.

Trikots tragen die Hälfte aller Besucher – aber nicht etwa nur von den Patriots, den Eagles oder den in Minneapolis beheimaten Minnesota Vikings. Es sind auch andere Trikots zu sehen, ob von den Chicago Bears, den Seattle Seahawks, den Pittsburgh Steelers oder, oder.

Die Tickets sind für viele zu teuer

Viele Leute kommen einfach nur in die Stadt, um den Trubel zu erleben. Die Tickets für den Super Bowl können sich ohnehin nur wenige leisten, auf dem Schwarzmarkt ist das günstigste zwei Tage vor dem Spiel für 3300 Dollar zu haben. Teuer ist hier alles, selbst in der „Super Bowl Experience“. Für eine vierköpfige Familie beträgt allein der Eintritt 100 Dollar. Im NFL-Shop kostet ein Original-Super-Bowl-Football 215 Dollar.

„Der Super Bowl ist nicht nur ein Spiel, sondern ein Festival“, sagt Andrea Mokros aus dem Organisationskomitee. Und wenn der große Zirkus am Montag wieder abzieht und die Stadt wieder zur Ruhe kommt, hofft Doug Baker auf einen nachhaltigen Effekt: „Ich hoffe, dass die Woche unvergesslich wird. Nicht nur wegen des Wetters.“