Braunschweig. Am Samstag beginnen in der NFL die Play-offs. Wer sind die Favoriten, wer der Geheimtipp? Diese und weitere Fragen hat Roman Motzkus beantwortet.

Für Überraschungen ist die nordamerikanische Football-Profiliga NFL immer gut. Nur eine Konstante gibt es: Der 40 Jahre alte Quarterback Tom Brady von Titelverteidiger New England Patriots lässt auch in seiner 18. Saison nicht nach. In der regulären Saison warf keiner mehr Yards als er. Die Jagd auf Tom Brady beginnt erneut. Vor dem Start in die Play-offs haben wir uns mit Pro7-Experte Roman Motzkus unterhalten.

Wie fällt Ihr Rückblick auf die Regular Season aus?

Roman Motzkus: Typisch NFL! Man kann vor der Saison viel nachdenken, wer der Beste sein kann, wer in den Super Bowl kommt – aber die NFL straft einen Lügen und bringt andere Mannschaften nach vorn. Das ist das System, das ist auch gut so. Jede Mannschaft kann nach vorn und nach hinten kommen. Nur die Cleveland Browns nicht, die stehen immer hinten (lacht).

Die Anfangsphase der Saison war von politischen Meinungsverschiedenheiten geprägt – mit Protesten gegen Rassismus, Spielern auf den Knien, einer Einmischung von Präsident Trump, Mannschaften, die in der Kabine geblieben sind und einem Statement der NFL. Sind diese Proteste inzwischen abgeebbt?

Motzkus: Jein. Es sind immer noch Proteste da, die Spieler knien immer noch. Der Protest steht aber nicht mehr so im Fokus. Ich finde es gut, dass die NFL Muskeln gezeigt hat und dass Sportler ihre Meinung vertreten. Man darf es aber nicht auf die Spitze treiben – aber das hat niemand getan. Irgendwann haben die Owner der Vereine wieder das Business im Kopf. Sie wollen Geld verdienen, die Sportler wollen gute Verträge haben. Dementsprechend konzentrieren sie sich wieder auf ihren Hauptjob als Sportler.

Der Anführer dieser Proteste, Quarterback Colin Kaepernick, hat aber keinen neuen Verein mehr gefunden. Kann er seine Karriere beenden?

Motzkus: Wenn er in der NFL noch hätte Fuß fassen wollen, hätte er in dieser Saison spielen oder irgendwo im Training sein müssen. Jetzt ist er ein Jahr raus. Wie er trainiert hat, weiß keiner. Er hat sportliche Fähigkeiten, ist besser als mancher Starting- oder Backup-Quarterback. Er hat aber nicht den Ruf, dass er eine Mannschaft von allein besser macht. Er ist ein Running Quarterback wie Russell Wilson von den Seattle Seahawks, aber nicht so präzise in seinen Würfen. Zudem gibt es noch die mediale Aufmerksamkeit um seine Person zum Thema Rassismus. Wegen dieser Kombination glaube ich nicht, dass er in der Off Season einen Vertrag bekommt.

Acht von zwölf Mannschaften aus den Play-offs waren im vergangenen Jahr nicht dabei. Sind diese Teams die positiven Überraschungen der Saison?

Motzkus: Ja, es sind einige dabei, die im Vorjahr nicht annähernd in Play-off-Nähe waren, wie zum Beispiel die Los Angeles Rams. Auch die Jacksonville Jaguars haben im Vorjahr ihr Potenzial gar nicht ausgeschöpft.

Und die negativen Überraschungen?

Motzkus: Die New York Giants, weil sie vor der Saison alle Voraussetzungen hatten, weit zu kommen – gerade mit ihrem Passspiel mit Quarterback Eli Manning und den Receivern Odell Beckham Jr. und Brandon Marshall. Doch die meisten haben sich verletzt. Zusätzlich haben sie ihr Laufspiel sträflich vernachlässigt und sich in der Defense selbst zerfleischt. Das wurde bitterböse bestraft. Auch die Indianapolis Colts gehören zu den negativen Überraschungen. Da sieht man bei Andrew Luck, der eine Verletzung auskurieren musste, wie abhängig man von einem Superstar-Quarterback sein kann. Und die Denver Broncos haben mich auf der Quarterback-Position sehr enttäuscht. Alle drei haben gespielt – aber keiner überzeugt.

Was ist mit den Seattle Seahawks, die nach fünf Jahren in den Play-offs diesmal nicht dabei sind?

Motzkus: Dass die Seahawks irgendwann nicht mehr in die Play-offs kommen, hat sich abgezeichnet. Irgendwann kommt ein Generationswechsel. Den durchlebt jede Mannschaft – bis auf die New England Patriots, die können nehmen, wen sie wollen, die sind immer oben. In der NFL bleiben Mannschaften immer mal eine gewisse Zeit oben und können Spieler entwickeln. Das hat in der Defense der Seahawks sehr gut funktioniert. Doch nun sind zwei Faktoren zusammengekommen: ein nicht existierendes Laufspiel und eine Alterung der Defense-Stars und damit verbunden Verletzungsanfälligkeit.

Heißt es in den Play-offs wie in den Vorjahren wieder nur: Wer stoppt Patriots-Quarterback Tom Brady?

Motzkus: Ich sehe die Patriots als Favorit in der AFC. Die Starspieler wie Brady und Rob Gronkowski sowie die Runningbacks sind wieder da, auch die Receiver werden wieder fit. Da kommen Spieler in Leistungshöhen, die sie nie hatten, weil sie noch nie so gecoacht wurden wie bei den Patriots. Das liegt nicht nur an Headcoach Bill Belichick, sondern auch am Drumherum. Nicht umsonst sind bei allen offenen Headcoach-Fragen in der NFL die Patriots-Leute im Rennen.

Und die Konkurrenten in der AFC?

Motzkus: Die Jaguars sind mein Geheimfavorit. Die Defense ist wirklich überragend. Wenn sie ernsthaft spielt, hat es kein Gegner leicht. Im Laufspiel sind die Jaguars die Nummer 1 bei Yards pro Spiel – so kontrolliert man die Gegner. Es läuft auf das Conference Final Patriots gegen Jaguars hinaus.

Wie sieht es in der NFC aus?

Motzkus: Die ist ein bunter Haufen. Da kann ich nicht viel sagen, außer dass die New Orleans Saints das lachende Gesicht haben könnten. Die haben erst die Carolina Panthers vor der Nase – da ist die Ausgeglichenheit der Saints das A und O. Das NFC-Finale werden die Saints bei den Minnesota Vikings bestreiten – wenn es nicht vorher dazu kommt. Die Vikings haben eine gute Mischung aus solider Offense und sehr guter Defense. Die Saints sind ähnlich aufgestellt. Die Offense um Quarterback Drew Brees, der gar nicht richtig gefordert war in diesem Jahr, kann noch einiges bewirken.

Zum ersten Mal kann eine Mannschaft ein „Finale dahoam“ bestreiten – die Minnesota Vikings in Minneapolis. Gibt das einen Motiviationsschub?

Motzkus: Das gibt einen Push. Die Vikings waren bisher eine überragende Mannschaft. Dabei war Quarterback Sam Bradford nach dem ersten Spiel raus. Wer hätte gedacht, dass Vertreter Case Keenum mehr als 3000 Yards in einer Saison wirft? Nicht viele. Auch der Rookie-Runningback Dalvin Cook hat sich verletzt. Die Vikings haben aber immer einen Ersatz gefunden und dazu eine sehr, sehr gute Verteidigung.

Die Philadelphia Eagles waren bisher die beste Mannschaft in der NFC, Quarterback Carson Wentz fällt aber mit einer schweren Verletzung aus. Werden die Eagles nun zum Außenseiter?

Motzkus: Mal sehen, ob sie überhaupt ihr erstes Play-off-Spiel überstehen. Die Eagles haben viele durchschnittliche Spieler, die über ihrem Level gespielt haben. Der moralische Dämpfer ist, dass der Spieler, der ihnen neues Leben eingehaucht hat, jetzt auf Krücken rumrennt. Die Eagles sind eine andere Mannschaft ohne Wentz, da fehlt ein seriöses, gutes Passspiel. Nick Foles ist ein guter Ersatz – würde er auch noch ausfallen, hätten die Eagles in den Play-offs gar keine Chance. Deshalb haben sie ihn zuletzt auch geschont.

Zwei Stars haben Sie noch gar nicht genannt, die in den vergangenen beiden Jahren im Super Bowl standen: Panthers-Quarterback Cam Newton und Matt Ryan von den Atlanta Falcons.

Motzkus: Die Panthers sind nicht konstant genug. Cam Newton hat nicht die Präzision in den Pässen. Er ist zudem der beste Rusher der Panthers. Wenn man das in Schach halten kann, kann man die Panthers in Schach halten. Trotz ihrer sehr guten Defense werden sie nicht weit kommen. Die Falcons spielen bei den Los Angeles Rams – und die sind sehr, sehr, sehr gut. Ich schätze, es gibt einen Rams-Sieg gegen die Falcons. In der zweiten Runde wird den Rams die Play-off-Erfahrung fehlen. Die sind die zweitjüngste Mannschaft der Liga, haben einen sehr jungen Coach, der auch noch nie in den Play-offs war. 2017 hat man das auch bei den Dallas Cowboys beobachten können. Die standen nach der Regular Season bei 13:3 Siegen – aber die Play-offs waren eine andere Hausnummer. Da entscheidet manchmal das kleine bisschen mehr Erfahrung. Deshalb sehe ich die New Orleans Saints und die New England Patriots im Super Bowl.

Es wäre das Duell der alten Männer: Drew Brees von den Saints gegen Tom Brady und die Patriots.

Motzkus: Das würde mich freuen.