Varazdin. Handball-EM: DHB-Team bekommt heute gegen Spanien das erhoffte „Endspiel“. Abwehrrecke Finn Lemke kann für Halbfinal-Einzug entscheidend werden.

Es war vor dem Spiel gegen Dänemark, als Finn Lemke zur Mittellinie schritt und dort stehenblieb. Demonstrativ verharrte der Abwehrrecke dort am Sonntag minutenlang und fixierte die Dänen mit seinem Blick. In jenen Augenblicken war das stete Lächeln verschwunden, stattdessen stand dort ein Lemke mit angriffslustigem Gesichtsausdruck. Es gibt sicher angenehmeres, als diesen 2,10-Meter-Hünen beim Aufwärmen vor einem Spiel nur wenige Meter entfernt zu wissen. Auch den Spaniern will Lemke an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF) Respekt einflößen.

Ob’s nützt? Deutschland braucht am Mittwochabend einen Sieg über die Iberer, um sich doch noch für das Halbfinale zu qualifizieren. Weil Mazedonien am Dienstagabend unerwartet gegen die Tschechen mit 24:25 patzte, reicht Deutschland heute ein Sieg. Dann läge man vor Spanien, weil bei Punktgleichheit der direkte Vergleich zählt. „Ich kann nicht versprechen, dass wir gewinnen. Ich verspreche aber, dass wir alles für einen Sieg tun werden“, so Bundestrainer Christian Prokop.

Großer Kampf

Das Spiel gegen den iberischen Vize-Europameister wird ein stressiger Gang. Im spanischen Angriff wirken mit Kreisläufer Julen Aguinagalde und Spielmacher Raúl Entrerríos zwei Weltklassespieler. Lemke: „Ich bin selbst überrascht, dass wir mit einer Niederlage und zwei Unentschieden noch Chancen aufs Halbfinale haben. Die wollen wir nutzen, auch wenn uns gegen Spanien ein großer Kampf erwartet.“

Lemke und Spanien – das ist eine besondere Beziehung. Vor zwei Jahren gewannen die deutschen Handballer die EM mit einem 24:17-Erfolg über die Spanier. Es war das Turnier, in dem sich Lemke als Abwehr-Star etablierte. Als 210 Zentimeter große Bedrohung für jeden Gegenspieler, der auf das Tor zukam. Mit seinen riesigen Händen wehrte er Würfe ab, ballte die Pranken nach gelungenen Abwehraktionen zur Faust und feierte lautstark mit den Mitspielern. Wenn Lemke in der Mitte der Abwehr steht, wird es dunkel rund um den Siebenmeterpunkt.

Umso erstaunlicher, dass Bundestrainer Christian Prokop vor der EM zunächst auf den 25-jährigen Bremer verzichtete. Statt nach Kroatien ging es für Lemke mit dem Bundesligisten MT Melsungen ins Trainingslager nach Spanien. Dort ließ der sonst so gesprächige 25-Jährige Fragen zu seinem Gemütszustand nur über den Vereins-Pressesprecher zu. Die Antworten waren knapp, die Situation war eindeutig: Lemke war maßlos enttäuscht.

Als sich die Deutschen dann im zweiten Vorrundenspiel beim 25:25 gegen Slowenien zu anfällig in der Abwehr präsentierten, korrigierte Prokop seine Entscheidung. Keine 24 Stunden später kam Lemke, spielte gegen Mazedonien und half bei einem erneuten 25:25, die Abwehr wieder zu stabilisieren.

Auch die folgenden Auftritte waren in der Defensive überzeugend. Sogar das 25:26 gegen Dänemark – paradoxerweise der bisher beste deutsche Auftritt, weil auch der Angriff überzeugte. Lemke weiß: „Darauf müssen wir aufbauen.“

Spätstarter Lemke

Lemke ist ein Spätstarter im professionellen Handball. Noch als 17-Jähriger war er durch das Raster der deutschen Talentförderung gefallen. Doch Christian Schwarzer, einstiger Weltklasseverteidiger der Nationalmannschaft, erkannte den Rohdiamanten in Bremens Jugend-Regionalliga. In der Nachwuchs-Nationalmannschaft und in den Profijahren beim TBV Lemgo und beim SC Magdeburg wurde dann fleißig geschliffen.

Zum Spitzenspieler reichte es allerdings nicht in allen Sportarten. Wenn die deutschen Handballer in ihrer Freizeit an die Darts-Scheibe treten, darf Lemke nicht mehr mitspielen. Seine Würfe landeten zu oft an der Decke. Eines weiß das Team trotzdem: Wenn heute wieder Handball gespielt wird, wird es nicht auf Lemke verzichten wollen.