„Novak Djokovic ist noch immer ein absoluter Topspieler. Wer ihn jetzt abschreibt, macht einen Fehler“, kommentiert Leonard Hartmann.

Der Begriff „Zeitenwende“ wurde in den vergangenen Monaten von politischer Seite arg überstrapaziert. Zeitenwende in militärischer Produktion, Zeitenwende in bürokratischen Strukturen, Zeitenwende in abhängigkeitsähnlichen Verhältnissen zu anderen Staaten – viel Blabla, wenig Ertrag. Eine echte Zeitenwende könnte aber am Wochenende im Tennis stattgefunden haben, als Carlos Alcaraz in einem fantastischen Wimbledon-Finale den ewig herrschenden Rasenkönig entthronte: Novak Djokovic.

Alcaraz, mit 20 Jahren der drittjüngste Sieger des Klassikers überhaupt, wirkte im Duell mit dem 16 Jahre älteren Djokovic zunächst nervös, dann kämpferisch und hintenraus so souverän, dass manche schon schlussfolgerten: Der König ist tot, lang lebe der König.

Alcaraz ist die Zukunft des Tennis. Er ist der aggressivste Spieler der Tour, mitunter der spektakulärste, der zwischen brachialen Grundlinienschlägen und feinen Stopps variieren kann als gäbe es nichts Leichteres. Ein Phänomen, das an seinen positiven Erfahrungen immer weiter wachsen wird.

Und Djokovic? Der Serbe ist ein streitbarer Charakter, aber zugleich noch immer ein absoluter Topspieler. Wer ihn jetzt abschreibt, macht einen Fehler. Zwar hat er bereits 36 Jahre auf dem Buckel, aber wer ihn im Wimbledon-Finale sich spinnenartig über den Rasen strecken sah, dem dürfte klar sein, dass dieses Rekordfinale (sein 35. Grand-Slam-Endspiel) nicht sein letztes gewesen sein dürfte. Djokovic ist noch viel zu gut, um ihn abzuschreiben.

Aber: Die Zeit spielt für Alcaraz. Spätestens das Endspiel in Wimbledon hebt ihn auf den Tennisthron. Djokovic wird noch versuchen, wieder drauf zu steigen. Doch langfristig gehört Alcaraz der Platz – eine echte Zeitenwende.