Wolfsburg. Der 28 Jahre alte Abwehrspieler hat den VfL Wolfsburg mittlerweile verlassen. Im großen Interview spricht er über Gefühle, Akzeptanz und Zukunft.

Es ist kein Zufall, dass Robin Knoches Handynummer auf 1945 endet – den Zahlen des Gründungsjahres des VfL Wolfsburg. Der in Braunschweig geborene Abwehrspieler kam 2005 als Kind in die Akademie des Bundesligisten, entwickelte sich zu einem etablierten Erstliga-Spieler und wurde eine Identifikationsfigur. Nach 15 Jahren haben sich die Wege nun getrennt. Knoches Vertrag lief aus, beide Seiten konnten sich nicht auf eine Verlängerung einigen. Im Interview mit Redakteur Leonard Hartmann spricht der 28-Jährige über seinen Abschied vom VfL, Pläne für die Zukunft und eine Rückkehr.

Robin Knoche, wie haben Sie Ihr letztes Spiel emotional erlebt?

Ich habe versucht, jeden Moment aufzunehmen und zu genießen. Schon im Vorfeld war es sehr besonders. Je näher der Tag rückte, desto extremer wurde das Gefühl, dass es das letzte Spiel mit dem VfL-Logo auf der Brust sein wird. In den Stunden vor dem Spiel war ich einfach nur angespannt, weil ich die Situation nicht richtig einschätzen konnte. Das Stadion war leer, es waren keine Fans dabei. Ein richtiger Abschied sieht auch anders aus, aber dafür konnte niemand etwas. Für uns ging es neben allen Emotionen auch noch darum, Platz 6 zu sichern. Aber klar: Ich war viel emotionaler als sonst. Es wäre komisch, wenn es anders gewesen wäre.

Hätten Sie gegen den FC Bayern (Endstand 0:4) gern von Anfang an gespielt statt 16 Minuten vor Schluss eingewechselt zu werden?

Natürlich habe ich mich gefreut, dass ich das VfL-Trikot in der Arena noch mal tragen durfte. Ich habe das Wolfsburger Trikot über 18.500 Minuten getragen. Es war natürlich kein Abschied nach Wunsch. Nur von der Bank. Ohne Fans. Und dann auch noch eine Niederlage. Es war ein merkwürdiges Gefühl, ein letztes Mal als Wolf auf den Platz zu laufen.

Der Abschied mit den Fans fiel aus. Wie war es mit der Mannschaft?

Auf dem Platz habe ich mit vielen Spielern auch von den Bayern gesprochen. Zu Ivan Perisic habe ich zum Beispiel eine engere Verbindung durch unsere gemeinsame Zeit hier. Nach der Partie haben wir uns alle im VfL-Center getroffen. Da wurde ich im engeren Kreis verabschiedet. Von der Mannschaft habe ich ein tolles Geschenk bekommen. Was es ist, behalte ich für mich – eine tolle Erinnerung. Als ich dann spät das Center verlassen habe, standen meine Frau, meine Familie und meine engsten Freunde mit Shirts und Bannern mit der Aufschrift „Robin, you’ll never walk alone“ vor dem Parkplatz. Damit habe ich auch nicht gerechnet.

Haben Sie sich Andenken mitgenommen?

Alles, was nicht niet- und nagelfest ist (lacht). Meine Trikots zum Beispiel und die Schienbeinschoner, die ich schon seit der U17 trage. Aber am liebsten hätte ich wohl meinen ganzen Spint mitgenommen. Als der ausgeräumt und leer war, kam schon Wehmut auf, weil ich genau diesen vom ersten Tag an hatte.

Was wird Ihnen in Erinnerung bleiben?

Puh, wo soll ich anfangen? Natürlich bleiben die Erfolge immer präsent. Als wir U19-Meister wurden, durfte ich als Kapitän die Schale entgegennehmen. Der DFB-Pokalsieg 2015 ist auch unvergesslich. Dieses Gefühl, den Pokal in den Händen zu halten. Die Premieren sind auch wertvolle Erinnerungen: der erste Einsatz unter Felix Magath, das erste Tor gegen Schalke, Europa League, Champions League – das erste Mal die Hymne hören. Gänsehaut pur! Die Atmosphäre in Madrid, das war der absolute Wahnsinn.

Die Fans haben Ihnen zum Abschied ebenfalls ein Banner gewidmet.

Das hat mich emotional sehr berührt. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt, dass ich in den letzten 15 Jahren nicht alles falsch gemacht habe. Wir haben zusammen sportlich gute und schlechte Zeiten erlebt. Da war alles dabei. Auch auf die tragische Art mit Junior Malandas Tod. So schrecklich das für uns alle und natürlich besonders für seine Familie war, so hat es uns auch gezeigt, wie stark wir sein können, wenn wir zusammenrücken. Wir haben auch für ihn gespielt – bis zum Pokalsieg und zur Vizemeisterschaft. Wir werden ihn immer im Herzen behalten.

Was wird Ihnen fehlen?

Nach 15 Jahren kenne ich jeden Mitarbeiter, zu allen habe ich eine Bindung, mit vielen verbinde ich besondere Geschichten. Das Miteinander wird mir fehlen. Auf dem Vereinsgelände kenne ich jeden Zentimeter. Außerdem die Atmosphäre im Stadion, die Unterstützung der Fans, der tägliche Spaß mit den Jungs. Es ist ein Stück Heimat, das ich vermissen werde. Für mich aus der Region ist der VfL noch besonderer als für andere. Und das wird er auch bleiben.

Sie waren in Ihrer gesamten Zeit nie unumstrittener Stammspieler. Es kamen immer Neuzugänge dazu. Am Ende aber haben meist Sie gespielt. Hat Ihnen das Vertrauen gefehlt?

Konkurrenz gibt es immer und überall – im Sport und in anderen Jobs. Es gilt, sich durchzusetzen und die eigenen Qualitäten zu zeigen und zu verbessern. Generell denke ich, dass es für Spieler aus dem eigenen Stall immer schwieriger ist. Man kommt ohne große Vorschusslorbeeren aus der Jugend und muss sich noch ein Stück mehr beweisen als ein Neuer, für den viel Geld ausgegeben wurde. Letztlich habe ich immer versucht, mich übers Training anzubieten. Oft hat es geklappt (lacht).

Aber ist so etwas nicht frustrierend?

Man kann nie beeinflussen, welche Personalentscheidungen im Verein getroffen werden. Man kann nur mit der eigenen Leistung zeigen, welchen Wert man für die Mannschaft hat. Genau das habe ich immer versucht. Ich habe in jedem Training, in jedem Spiel 100 Prozent gegeben. Mal weniger gut, mal gut. Aber immer mit ganzem Herzen. Da hat mich Felix Magath geprägt: Man muss sich durchbeißen, so hart es auch sein mag, dann wird man belohnt.

Sie haben nie den Weg in die Öffentlichkeit gesucht, um Ihrem Ärger Luft zu machen, sondern blieben ruhig. Hätten Sie auch mal unangenehmer oder lauter sein müssen?

Davon bin ich kein großer Fan. Ich kann auch unangenehm werden, aber eher intern. Da kann ich auch in die Luft gehen. Vielleicht ist der Weg in die Öffentlichkeit manchmal druckvoller, wenn man seine persönlichen Interessen durchsetzen will. Aber ich habe immer versucht, meine Antworten auf dem Platz zu geben.

Können Sie mittlerweile akzeptieren, dass es für Sie in Wolfsburg nicht weitergeht?

Ja, das kann ich. Der Verein hat diese Entscheidung so getroffen und die muss ich akzeptieren.

Warum konnte man sich dann nicht auf eine weitere Zusammenarbeit einigen?

Ich möchte bei einem Verein, der mir am Herzen liegt, kein Fass aufmachen.

Wie geht es für Sie nun weiter?

Ich verbringe erst mal ein paar Tage mit meiner Frau, die mich immer, aber besonders in der letzten Zeit, sehr unterstützt hat. Und sportlich? Das werden wir sehen, da ergibt sich schon etwas.

Ist es wegen der Corona-Pandemie und der unsicheren Folgen die schlechteste Zeit für einen Fußballer, arbeitslos zu sein?

Ja, ganz sicher sogar. Das gilt aber für andere Bereiche auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls. Es ist alles extrem unsicher.

Was steht auf Ihrem Vereins-Wunschzettel? Bundesliga oder können Sie sich auch vorstellen, bei einem internationalen Klub zu unterschreiben?

Ich habe mir darüber noch gar nicht so viele Gedanken gemacht, weil mein Fokus voll auf dem Wochenende und meinem letzten VfL-Spiel lag. Warten wir ab, was passiert.

Kehren Sie denn irgendwann zurück zum VfL?

Die Region wird unser Lebensmittelpunkt sein, das ist einfach unsere Heimat hier. Ich werde in jedem Fall zu meiner „echten“ Verabschiedung nach Wolfsburg zurückkehren, das habe ich mit Marcel Schäfer abgesprochen. Wenn das Stadion wieder gefüllt sein darf, können wir noch mal wirklich „Auf Wiedersehen“ sagen. Das war mein absoluter Wunsch. Und wenn sich nach meiner Karriere etwas beim VfL ergeben sollte, wäre das natürlich sehr schön. Aber bis dahin ist noch Zeit.