Wolfsburg. Der Geschäftsführer des VfL Wolfsburg spricht über Rückrunden-Ziele und seinen wohl harten Empfang in Köln. Verlängert Knoche?

Der VfL Wolfsburg startet mit der Partie beim 1. FC Köln am Samstag (15.30 Uhr) in die Rückrunde der Fußball-Bundesliga. Geschäftsführer Jörg Schmadtke peilt für das große Ziel Europapokal 30 Punkte an – mindestens. Was den 55 Jahre alten Sportchef zuversichtlich stimmt, was er derzeit im Fußball kritisch sieht und warum er sich auf einen negativen Empfang im Kölner Stadion einstellen muss, verrät er im Interview.

Waren Sie in der Schule gut in Mathematik, Herr Schmadtke?

Mir lagen die naturwissenschaftlichen Fächer besser. Biologie war eher mein Ding, Mathe war okay. Die Grundrechenarten beherrsche ich aber seit der Grundschule ganz solide (lacht).

Zuletzt rechneten Sie vor: Ihre Mannschaft brauche in der Rückrunde 30 Punkte, um auch in der nächsten Saison im Europapokal vertreten zu sein.

Wenn wir wieder international spielen wollen, dann muss meiner Einschätzung nach bei der finalen Rückrunden-Ausbeute eine 3 vorne stehen. Wir brauchen also zwischen 30 und 39 Punkte.

Was gibt Ihnen Zuversicht, dass Ihre Mannschaft diese mindestens 30 Punkte holen wird?

Die Mannschaft ist vom Grundsatz her willig, Dinge umzusetzen. Das hat sie auch in den Einheiten im Trainingslager gezeigt. Und ich bin davon überzeugt, dass in ihr die Qualität steckt, um mindestens 30 Punkte in einer Halbserie zu holen. Sie braucht aber hin und wieder eine Hilfestellung.

Sie und Trainer Oliver Glasner haben nach den Testspielen gegen Seoul (1:1) und Genf (1:2) kritische Worte gewählt. Warum waren die nötig?

Wir haben in der Woche in Portugal viele intensive Gespräche geführt – mit einzelnen Spielern wie auch mit dem Mannschaftsrat. Die waren sehr positiv. Und auch auf dem Platz wurde gut gearbeitet. Daher hat es mir überhaupt nicht gefallen, was am Ende des Trainingslagers abgeliefert wurde. Es besteht eine Diskrepanz zwischen den Einheiten auf dem Rasen und den Gesprächen mit den Spielern zu den Auftritten in den Testspielen. Und wenn wir auch in der neuen Saison international spielen wollen, darf uns genau das nicht passieren.

Testspiel-Ergebnisse sind letztlich unwichtig. Nach dem Bundesliga-Spiel in Freiburg (0:1) jedoch, ergriff Oliver Glasner das Wort und kritisierte die Mannschaft öffentlich. Darauf folgte eine Reaktion des Teams. Wo sehen Sie die Ursache?

Das ist in Teilen vielleicht der Entwicklung des Fußballs geschuldet. Unser Slogan „Arbeit, Fußball, Leidenschaft“ ist völlig richtig. Zuerst kommt der Schweiß, man macht seinen Job mit vollem Engagement, und am Ende kommt der Fußball heraus. Das stimmt. Aber wir haben es oftmals mit sehr jungen, sehr reichen Menschen zu tun, die noch in der Findung ihrer Persönlichkeit sind und überlegen, wohin ihr Lebensweg geht. Denen muss man hin und wieder sagen: Pass auf: Ganz ohne Fleiß und Schweiß geht es nicht.

Was muss man diesen Spielern geben?

Sie brauchen Orientierung und ein paar Leitplanken, um sich weiterentwickeln zu können. Früher war das anders. Da war man getriebener von dem Aufstieg in die nächst höhere gesellschaftliche Schicht. Das hat gedauert. Heute geht es viel schneller, weil viel mehr Geld im Markt steckt. Zwei, drei Verträge, dann hat man das nächste Level. Viele Akteure in unserem Geschäft haben nach der Karriere ausgesorgt. Auch das war anders, als ich noch gespielt habe. Da konnte man oft maximal eine Grundlage schaffen, um das Leben danach zu gestalten. Solch ein Grundbewusstsein für seine besondere Situation kann keinem Spieler schaden.

Muss eine Mannschaft solche Leitplanken nicht auch selbst setzen und darauf achten, dass sich die Kollegen innerhalb derer bewegen?

Das passiert. Es gibt Figuren, die Orientierungshilfen schaffen. Hier ist es zum Beispiel Josuha Guilavogui. Er hat ein Waisenhaus in seiner Heimat in Guinea gegründet und unterstützt das großartig. Das zeigt, dass Spieler mit ihren finanziellen Möglichkeiten etwas Großes schaffen können und nicht nur darüber nachdenken, dass das Auto noch ein bisschen größer, schneller und luxuriöser sein muss.

Zurück zum Sport: Was muss Ihre Mannschaft in der Rückrunde besser machen, damit mindestens 30 Punkte rauskommen?

Wir brauchen eine bessere Spielentwicklung und müssen noch besser verteidigen, obwohl wir das in der Hinrunde schon auf einem extrem hohen Niveau gemacht haben. Dazu müssen wir mehr Torraumszenen entwickeln, die wir konsequenter verwerten. Das sind die Themen.

Ist es also die Aufgabe, die richtige Balance zwischen stabiler Defensive und mutiger Offensive zu finden?

Ja. Ob das gelingt, wird natürlich auch von unserem Personal abhängen. Bei der Bewertung der Hinrunde mit 24 Punkten, mit denen wir nicht glücklich sind, darf man nicht vergessen, dass uns drei, vier wichtige Spieler fast die ganze Zeit gefehlt haben. Auch das ist jetzt ein Grund für meine Zuversicht, dass wir 30 Punkte holen können.

Sie klingen tatsächlich optimistisch.

Ich bin absolut nicht unzufrieden. Natürlich hätten wir nach der Hinrunde gerne fünf, sechs Punkte mehr gehabt. Das hätte es erleichtert, unser Ziel zu erreichen. Aber ich möchte noch mal festhalten: Als ich vor eineinhalb Jahren hier angefangen habe, hieß es: Bitte stabilisieren. Im Mittelfeld. Genau dort, wo wir gerade stehen.

Aber jetzt wären Sie mit einem Mittelfeldplatz auch nicht mehr zufrieden. Oder?

Ich habe nicht vergessen, wie es zu meiner Anfangszeit hier war. Aber wir haben ein paar Entwicklungsschritte schneller hinbekommen als erwartet. Und natürlich will man dann keinen Rückschritt mehr machen. Dennoch: Je nachdem, wie die Saison verläuft und was noch passiert, kann es durchaus sein, dass ich am Ende auch mit Platz 9 zufrieden wäre. Aber natürlich streben wir das nicht an, sondern einen Platz im oberen Tabellendrittel.

Marin Pongracic kam aus Salzburg. Warum tut er dem VfL gut?

Wenn sich Möglichkeiten auf dem Markt ergeben, muss man genau hinschauen und gegebenenfalls zugreifen. Das haben wir getan.

Mit John Anthony Brooks, Marcel Tisserand, Jeffrey Bruma und Robin Knoche standen schon vor dem Pongracic-Transfer vier Innenverteidiger. Auf den ersten Blick scheint das ausreichend zu sein. Warum haben Sie nachgelegt?

Quantitativ sind vier Innenverteidiger okay. Aber dann darf auch nichts mehr passieren. Daher haben wir mit Marin nun noch jemanden dazu geholt, in dem wir Entwicklungspotenzial sehen und der Eigenschaften hat, die uns guttun können.

Ihm haftet ein „Bad Boy“-Image an. Hat er das im Griff?

Es sieht so aus, ja. Aber ob es wirklich so ist, werden wir erst sehen. Wir haben uns erkundigt und intensive Gespräche geführt.

Was bedeutet der Transfer für die Zukunft Knoches, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft?

Die Verpflichtung von Pongracic hat nichts mit der Zukunft von Robin Knoche zu tun. Da gibt es kein Entweder-Oder. Robin hat ein mündliches Angebot von uns und denkt darüber nach. Derzeit wirkt es nicht so, als würde er es annehmen.

Jeffrey Bruma hat im Trainingslager öffentlich gesagt, dass er wegen seiner unbefriedigenden Situation und der schwierigen Perspektive einen Wechsel in Erwägung zieht.

Wir waren von der Aussage überrascht, weil er uns nichts in der Richtung gesagt hatte.

Erster Rückrunden-Gegner ist der 1. FC Köln, Ihr Ex-Klub. Im Hinspiel gab es aus dem Fanblock übelste Beleidigungen gegen Sie. Befürchten Sie so etwas nun erneut?

Das wird wieder genauso sein. Da mache ich mir keine Illusionen.

Muss man das einfach schlucken?

Ich weiß nicht, ob man das einfach hinnehmen muss. Aber ich beschäftige mich damit nicht. Wie ich dort empfangen werde, ist absolut zweitrangig. Wir haben ein wichtiges Bundesliga-Spiel vor der Brust. Und das wollen wir gewinnen.