Salzgitter. Martin Przondziono von Bundesligist SC Paderborn ist einer der gefragtesten Manager im deutschen Fußball. Montag sprach er an der Ostfalia-Hochschule.

Martin Przondziono ließ es sich nicht nehmen, dem Ort einen Besuch abzustatten, an dem seine Karriere im Profifußball ihren Ursprung nahm. Noch bevor der Geschäftsführer des Bundesliga-Schlusslichts SC Paderborn beim Kongress Blickpunkt Sportmanagement an der Ostfalia-Fachhochschule in Calbecht zum Thema „Innovation vs. Tradition“ diskutierte, fuhr er zum Sportplatz des VfL Salder. Erinnerungen schwappten hoch beim zunächst in Salder und später in Lebenstedt aufgewachsenen Przondziono. „Ich vergesse meine Wurzeln nicht“, sagt der 50 Jahre alte Ex-Profi. „Die Leidenschaft zum Fußball entwickelst du eben bei deinem Heimatverein.“

Martin Przondziono ist auf dem Boden geblieben

Dass er den Sphären, in den sich der Bezirksliga-Klub aus seiner Geburtsstadt befindet, längst enteilt ist, merkt man dem Macher des SC Paderborn nicht an. Er ist auf dem Boden geblieben – und wohl genau deshalb der richtige Mann für die Diskussion mit Magdeburgs Geschäftsführer Mario Kallnik, Union Berlins Geschäftsführer Oliver Ruhnert und Ralf Heskamp, Sportdirektor des Halleschen FC.

In der Gesprächsrunde vor etwa 400 Studenten lobte Kallnik Przondziono und den SCP für deren zukunftsorientiertes Geschäftsmodell, mit einer festen Spielphilosophie nach bezahlbaren Spielern zu suchen, die genaue Anforderungen erfüllen. Und der Sportchef der Ostwestfalen erklärte: „Wir versuchen, an Traditionen festzuhalten, aber wir müssen auch innovativ denken, ohne uns gleich zu verkaufen.“ Den meistbeklatschten Beitrag lieferte Unions Oliver Ruhnert, der befand, dass es am Ende des Tages darum ginge, Fußball für die Menschen zu spielen – und nicht allein für die, die ihn bezahlen.

Przondziono, seit dem Abgang Markus Krösches zu RB Leipzig im Sommer Geschäftsführer Sport beim Aufsteiger sagt: „Auf der einen Seite wollen wir uns immer weiterentwickeln, und dafür brauchen wir Geld. Auf der anderen Seite wollen wir vielleicht keine Einnahmen haben aus Quellen, die dem Fan nicht gefallen.“ Das verständlich zu machen hält der ehemalige Mittelfeldspieler für sehr schwierig. „Ich glaube nicht“, sagt er, „dass wir es hinbekommen, dass es keine Diskussionen mehr gibt.“

Paderborns Macher ist ein paar Jahre raus aus dem Fußball-Geschäft

Przondziono hat halt gelernt, wie sich Rückschläge anfühlen. Als der 1,81-Meter-Mann als A-Jugendspieler von Eintracht Braunschweig, wo er vom zwölften Lebensjahr an gespielt hatte, seine ersten Trainingseinheiten bei den Profis unter Uwe Reinders und Gerd Roggensack absolviert, sieht zunächst alles gut aus. Mitspieler wie Nils und Olaf Schmäler schaffen über die Zweitligamannschaft den Sprung in den Profifußball.

Sportredakteur Lars Rücker (links) sprach in Salzgitter an der Ostfalia-Fachhochschule mit Martin Przondziono, dem Geschäftsführer Sport des Fußball-Bundesligisten SC Paderborn.
Sportredakteur Lars Rücker (links) sprach in Salzgitter an der Ostfalia-Fachhochschule mit Martin Przondziono, dem Geschäftsführer Sport des Fußball-Bundesligisten SC Paderborn. © Privat/oh

Für ihn geht es nicht direkt weiter. Er macht den Schritt zurück, spielt ein Jahr für die Sportfreunde Salzgitter, ehe Werder Bremen auf ihn aufmerksam wird und ihn für das Amateurteam verpflichtet. Für die erste Mannschaft macht er kein Spiel, darf sich trotzdem Deutscher Meister 1993 und DFB-Pokalsieger 1994 nennen. „Im Nachhinein hätte ich Bremen vielleicht früher verlassen sollen“, sagt er heute, bereut aber nichts.

Über den 1. FC Nürnberg, die SG Fürth, den VfL Osnabrück und den VfB Lübeck landet er ein zweites Mal bei Preußen Münster, beendet dort seine Karriere wegen einer Knieverletzung. „Ein nicht so schönes Ende“, findet er. Er brauchte Abstand vom Profisport. „Ich wollte dem Druck entfliehen, weil ich körperlich und vom Kopf her durch war, wollte das normale Leben kennenlernen, wollte gucken, wie ein normaler Arbeitnehmer seine Brötchen verdient.“

Dennoch sagt er jetzt: „Ich habe jede Sekunde genossen und würde alles wieder genauso machen, obwohl mir heute jeder Knochen weh tut.“ Zunächst machte der heutige Fußballfunktionär sich mit einer Marketingagentur selbstständig, gründete einen Verlag, gab ein Golfmagazin heraus, organisierte Turniere. „Bis meine Ehefrau zu mir sagte, dass ich zurück zum Fußball muss, weil ich eh mit meinen Gedanken den ganzen Tag nur beim Fußball sei.“

Mit dem ehemaligen Eintracht-Spieler Holger Wehlage gründete er eine Beratungsagentur für Spieler. Dann kam 2014 das Angebot des 1. FC Nürnberg, als Scout zu arbeiten und damit Przondziono dem Ziel, Manager zu werden, einen Schritt näher. Über die Station Hannover 96 landete er 2018 schließlich beim SC Paderborn.

Der Ruf eines Talentfinders

Oft ist er noch in Salzgitter, besucht seine Eltern, trifft sich mit Freunden auf einen Kaffee. Wenn es passt, schaut er auch bei Spielen seines Ex-Vereins Eintracht Braunschweig vorbei, zu dem es in der Vergangenheit sogar mehrfach Kontakt über ein Engagement gab. Jetzt sind auch noch zwei alte Weggefährten an der Hamburger Straße im Amt: Eintracht Sportdirektor Peter Vollmann trainierte den gebürtigen Salzgitteraner in Münster und auch mit dem neuen Löwen-Coach Marco Antwerpen spielte er zusammen bei Preußen. Doch derzeit hat Przondziono in Paderborn alle Hände voll zu tun. Der einstige Drittligist, der den Durchmarsch in die erste Liga schaffte, steht auf dem letzten Tabellenplatz. „Viele glauben, bei uns herrsche dauerhaft eine Wohlfühlatmosphäre, aber wenn du fünf Punkte nach zwölf Spielen hast, ist die auch mal ein bisschen gestört“, sagt der Sportchef. Zuletzt hat er einen schlauen Satz von Bochums Ex-Trainer Robin Dutt gelesen, der sinngemäß sagte, dass viele Klubs sein wollen wie der SC Freiburg, aber wenn Gegenwind kommt und Ergebnisse ausbleiben, seien sie halt doch x-beliebige Vereine, die ihre Trainer rausschmeißen. „In Paderborn haben wir den Vorteil, dass wir medial mehr Ruhe haben als anderswo. Es macht sehr viel Spaß, hier zu arbeiten“, erklärt Przondziono.

In einem Geschäft, in dem Gehälter und Ablösesummen astronomische Höhen annehmen, hat sich der Salzgitteraner einen Ruf als akribischer Goldschürfer gemacht, der Talent um Talent aus unteren Ligen verpflichtet. „Wir arbeiten aus einem Team heraus, nutzen datenbasiertes Scouting und ich denke, dass auch meine Erfahrung dabei eine Rolle spielt, dass die Transfers größtenteils gut einschlagen“, erläutert er. „Aber wenn mal einer daneben geht, ist es nicht so schlimm, weil unsere Transferausgaben gegen Null gehen.“ Ihm und seinem Team geht es nicht um die aktuelle Leistung eines Neuzugangs sondern allein um das Potenzial. Dass Jugendspieler zu früh zu viel Geld erhalten und zu früh ins Internat geschickt werden, bereite ihm aber Sorgen, sagt der, der nicht nur in der Diskussion am Campus Calbecht den Spagat zwischen Tradition und Innovation vollziehen muss. Ein Ausflug zum Sportplatz in Salder kann da nur erden.