Braunschweig. Braunschweigs Ex-Coach Sebastian Machowski berichtet von seinem Leben im Basketball-WM-Spielort Shenzhen.

Für fast zwei Wochen schlagen Deutschlands Basketballer für die WM-Vorrunde ihr Quartier in Shenzhen auf. Auf die deutsche Landkarte ist der 13-Millionen-Einwohner-Moloch im Süden Chinas angesichts der Demonstrationen im benachbarten Hongkong gerückt. Was erwartet Dennis Schröder und Co. dort? Ein ehemaliger Braunschweiger kennt die topmoderne Megacity und den chinesischen Basketball recht gut.

Sebastian Machowski hat in der vergangenen Saison als Assistenzcoach bei den Shenzhen Leopards gearbeitet. „Das waren sehr interessante Erfahrungen für mich, und mit Platz vier haben wir die Erwartungen des Vereins sogar übertroffen“, sagt der einstige Erfolgstrainer der Braunschweiger Phantoms stolz, unter dessen Regie die heutigen NBA- und Nationalmannschafts-Stars Dennis Schröder und Daniel Theis 2011/12 ihre erste BBL-Saison spielten.

„Basketball ist groß in China, ich denke, dass die WM eine riesige Nummer wird“, sagt der 47-Jährige. Die 20 Klubs in der chinesischen Liga CBA haben hohe Etats und verpflichten Top-Ausländer, meist Amerikaner mit NBA-Vergangenheit. Drei Millionen Dollar Saisongehalt für einen Top-Ausländer seien keine Seltenheit, weiß Machowski. „Und auch die besten Chinesen verdienen siebenstellig.“

Nur zwei Ausländer pro Team

Sebastian Machowski vor seinem Banner in der Halle.
Sebastian Machowski vor seinem Banner in der Halle. © Privat

Pro Team und Spiel sind nur zwei Ausländer gestattet, und sie dürfen auch nur in zwei Vierteln gemeinsam aufs Parkett. „Die Teams, die oben stehen, sind also die mit den besten chinesischen Spielern“, erläutert Machowski. Ein Vergleich zur BBL sei also nur schwer möglich. „Wenn in Deutschland nur zwei Ausländer pro Team spielen dürfen, wäre das doch ein ganz anderer Wettbewerb.“

Machowski konzipierte und leitete bei den Leopards die Saisonvorbereitung und coachte im Trainingslager in Spanien die Testspiele. In China rückte er dann ins zweite Glied zurück, gab in den Auszeiten seine Expertise ab, bereitete das Team per Videoanalyse auf die nächsten Gegner vor. Die Verständigung lief komplett über einen Dolmetscher. Der Headcoach sprach kaum Englisch, der andere Co-Trainer gar nicht. Neben Machowski war noch ein amerikanischer Co-Trainer unter Vertrag, dazu in der Vorbereitung ein serbischer Individualtrainer und ein australischer Athletikcoach. „Das läuft wie in der Wirtschaft“, lacht Machowski. „Das Know-How wird aus aller Welt eingekauft.“

Er habe sich mit seiner Assistentenrolle gut anfreunden können. „Ich musste ja erstmal die Liga und die Spielweise kennenlernen“, sagt er. Sein Kollege Dirk Bauermann sei bei den Sichuan Blue Whales als Headcoach ins kalte Wasser geworfen worden und daran gescheitert. „Sein eigenes Ding machen zu wollen, kommt in China nicht gut an.“

Der größte Unterschied zu Deutschland in der Trainerarbeit sei die Ansprache an die Spieler. „Du musst immer versuchen, sie zu motivieren. Konfrontationskurs ist schwierig, wenn du sie attackierst, dann machen die dicht“, führt der ehemalige Nationalspieler aus.

Wenn der Vereinsboss auswechselt

Ligachef in China ist der 2,29 Meter große ehemalige NBA-Star Yao Ming, der die CBA noch näher ans amerikanische Vorbild anlehnen möchte. Mit drei bis vier Spielen pro Woche müssen die Klubs schon jetzt ein Mammutprogramm leisten. „Der Spielplan ist mörderisch“, erzählt Machowski. „Du fliegst ständig diese Riesenstrecken von Shenzhen aus und kannst kaum trainieren.“ Da müsse man erstmal umdenken als deutscher Trainer und sich fragen, wie man eine Mannschaft ohne Training besser machen könne.

Auch rein basketballerisch sei sein Asien-Abenteuer also sehr interessant gewesen. Schon wegen der vielen NBA-Stars, von denen man auch lernen könne, und wegen der taktischen Herausforderung des chinesischen Stils, der erstmal darauf ausgelegt sei, die Ausländer des Gegners zu stoppen.

Na klar habe es bei ihm auch negative Erfahrungen gegeben, wie sie Dirk Bauermann berichtet hatte. „Wenn der Vereinsboss eingreifen möchte und sagt, wen du einwechseln sollst, siehst du das als Trainer natürlich nicht gerne“, sagt Machowski. „Aber das ist in China Usus, das findet man so vor.“ Er glaube nicht, dass er in China unbedingt Cheftrainer sein wolle.

Zwei Nationalteams proben für die WM

Die chinesische Nationalmannschaft erwartet er vor eigener Kulisse in der 19.000 Zuschauer fassenden Arena in Peking als sehr stark. „Zur Vorbereitung haben sie in den Vorjahren zwei Nationalmannschaften losgeschickt, eine rote und eine blaue“, erzählt er, „um mehr Spielern eine Chance zu geben.“ Die besten haben es nun ins WM-Team geschafft.

Die Coaches der Shenzhen Leopards mit Sebastian Machowski (links).
Die Coaches der Shenzhen Leopards mit Sebastian Machowski (links). © Privat

Wie gut die Riesen-Arenen insgesamt gefüllt sein werden, will er nicht prognostizieren. Basketball sei zwar sehr populär, die Eintrittspreise aber auch sehr teuer. Erst recht bei der WM. Die 15.000 Fans fassende Halle der Leopards hat Machowski nur einmal richtig voll erlebt – als die Dallas Mavericks im Oktober beim NBA-Gastspiel gegen die Philadelphia 76er spielten. Ansonsten kämen lediglich um die 3000 Besucher.

Auch Luxusartikel seien teurer als in Deutschland, ebenso das Golfen, das in der Metropole, in der meist schönes Wetter mit mehr als 20 Grad herrscht, eine seiner Freizeitbeschäftigungen war. Dazu Kaffeetrinken in der fünf Taximinuten entfernten Mall.

Neun Monate Leben aus dem Koffer

Ansonsten verbrachte Machowski seine Stunden im Hotel, in dem er wie die US-Profis für die neun Monate in einem „stinknormalen Doppelzimmer“ wohnte. Ein gutes Hotel mit Schwimmbad und Sauna. „Aber eben unpersönlich. Da ist nichts, wohin du richtig nach Hause kommst.“ Allerdings sei er ja sowieso ständig auf Achse gewesen und habe aus dem Koffer gelebt.

Und da sei das Hotel vielleicht gerade die richtige Unterkunft gewesen. „Nur Downtown gibt es internationale Restaurants, etwas zu essen zu finden war außerhalb des Hotels nicht so leicht“, erinnert sich der Mann, der in Braunschweig so gerne beim Italiener saß und das Flair der Stadt aufsaugte. Das Zentrum war aber eine Dreiviertelstunde Fahrt entfernt. „Das habe ich nur zwei-, dreimal gemacht. Es kommt dir vor wie New York, ein Hochhaus neben dem anderen, und überall wird immer weitergebaut.“

Sein Leben in einer eigenen Wohnung zu organisieren, wo er weder chinesisch sprechen noch die Schrift lesen konnte, oder gar seine Frau und die zwei Kinder aus Oldenburg einfliegen zu lassen, sei ihm kaum möglich erschienen. „Da wäre es schon kompliziert gewesen, im Supermarkt den richtigen Babybrei zu finden.“

So hat der Ex-Nationalspieler, der schon als Profi gerne im Ausland angeheuert hatte, um seinen Horizont zu erweitern, sein Asien-Abenteuer nun wieder beendet. Er habe es sehr interessant gefunden, mit einer komplett neuen Lebens- und Arbeitsweise konfrontiert zu werden, und die Shenzhen Leopards hatten ihm eine neues Angebot unterbreitet. „Aber ich wollte wieder näher zur Familie“, betont Machowski. Und während sich Dennis Schröder, Daniel Theis und Co. nun in Shenzhen auf ihr letztes Testspiel und die am Wochenende beginnende WM vorbereiten, coacht Machowski in Polen das Team des Vizemeisters Torun – als Chef.

WM-Generalprobe: Deutschland – Australien, Mittwoch 14 Uhr.