Innsbruck. Skispringer Markus Eisenbichler trotzt allen Rückschlägen und holt bei der WM in Seefeld zwei Goldmedaillen innerhalb von 24 Stunden.

Markus Eisenbichler schrie im Augenblick seines größten Sieges all seine Freude heraus, als wollte er sämtliche Enttäuschungen der vergangenen Jahre akustisch endgültig hinter sich lassen. Der Bayer nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund und hat martialische Sprüche auf Lager. „Pokal oder Spital“ lautet solch ein Motto. Vor sieben Jahren lag Eisenbichler nach einem schweren Trainingssturz in Oberstdorf tatsächlich einen Monat im Krankenhaus.

Nun krönte er sich auf der legendären Schanze am Bergisel in Innsbruck zum siebten deutschen Skisprung-Weltmeister und fügte nur 24 Stunden später im Mannschaftswettbewerb an der Seite von Vizeweltmeister Karl Geiger (Oberstdorf), Richard Freitag (Aue) und Stephan Leyhe (Willingen) einen weiteren WM-Titel hinzu. „Weltmeister – das klingt ganz okay. Ich bin aber trotzdem noch der Gleiche. Und da bin ich stolz drauf“, sagte der 27-Jährige.

Im Mannschaftswettbewerb eroberte das deutsche Quartett mit einem Vorsprung von umgerechnet fast 31 Metern vor Gastgeber Österreich und Japan erstmals seit der WM 2001 in Lahti wieder den Titel. Geiger hatte mit seinem Satz auf 129 Meter gleich im ersten Durchgang die Erfolgsspur gelegt. „Das war eine Flugshow vom ersten Sprung weg. Ich bin froh, dass ich dabei war. Das bedeutet mir viel“, sagte der nach diesem Winter scheidende Bundestrainer Werner Schuster.

Der Sturz vor sieben Jahren war in der Tat ein einschneidendes Erlebnis für Eisenbichler, der sich im Jahr 2012 den dritten Brustwirbel brach. Seine Karriere hing am seidenen Faden. Er galt damals schon als großes Talent. Aber im Training war er nicht immer zu 100 Prozent bei der Sache. Das änderte sich. „Ich hatte im Krankenhaus viel Zeit zum Nachdenken. Mir war klar, wenn ich weitermache, dann richtig“, sagte der Bundespolizist aus Siegsdorf einmal.

Trotzdem musste Eisenbichler auch sportliche Niederlagen einstecken. Bei den Olympischen Winterspielen vor einem Jahr in Pyeongchang landete er in den Einzelwettbewerben auf den Plätzen 8 und 14. An einer Nominierung für den Mannschaftswettbewerb schrammte er damit jedoch vorbei und musste damals mit ansehen, wie seine Kollegen Silber abräumten.

Eisenbichler war natürlich richtig sauer. Aber seine Bodenständigkeit und der Rückhalt seiner Familie und Freunde verhalfen ihm, die Enttäuschung hinter sich zu lassen. Zur Medaillenparty sorgte er mit dem bayerischen Traditionstanz, dem Schuhplattler, für Stimmung und demonstrierte bereits damals, wie stark der Zusammenhalt der deutschen Skispringer ist.

Noch nie konnte der naturverbundene Bayer ein Weltcupspringen gewinnen. Aber als er im vergangenen Januar bei der prestigeträchtigen Vierschanzentournee den zweiten Platz eroberte, hatte er sich längst in den Kreis der Medaillenkandidaten gehoben. Trotzdem war nun seine Goldmedaille zum WM-Auftakt eine Überraschung. Schließlich hatte er im Januar ausgerechnet am Bergisel mit Platz 13 seine Ambitionen auf den Tourneesieg verspielt.

Nun allerdings war er im entscheidenden Augenblick hellwach. Während der später auf Rang drei platzierte Schweizer Killian Peier nach dem ersten Durchgang in Führung lag, konterte Eisenbichler im zweiten Versuch eiskalt mit einem grandiosen Satz auf 135,5 Meter. Sein Zimmerkollege Karl Geiger machte schließlich als Vizeweltmeister den traumhaften WM-Auftakt für die deutschen Skispringer perfekt.

Bundestrainer Schuster war sichtlich gerührt. „Es ist ein kleines Märchen“, sagte der Österreicher in Diensten des Deutschen Ski-Verbandes, der sich vor allem für Eisenbichler freute. „Er ist ein Stehaufmännchen. Er hat so viele Niederlagen in seinem Leben eingesteckt.“

Der neue Weltmeister aber ist noch lange nicht fertig. Am kommenden Freitag wartet das Springen von der Normalschanze in Seefeld, tags darauf der Mixed-Wettbewerb, sofern er dafür nominiert wird. Nach seinem Gold-Coup im Einzelspringen hatte der Bundespolizist einfach keine Kraft mehr für einen Schuhplattler. Als er tags darauf mit der Mannschaft triumphierte, sah die Welt schon wieder anders aus. „Jetzt können wir es krachen lassen. Heute wird die Lederbuxen angezogen“, kündigte Eisenbichler freudestrahlend an.