Würzburg. Braunschweigs Basketballer trumpfen in Würzburg im dritten Viertel mit neuen Wurfkünsten auf und feiern den ersten Auswärtssieg.

Die Würzburger „Turnhölle“, wie die alte Sporthalle von den Marketingstrategen der Franken genannt wird, ist berüchtigt für den Lärm, den die eng an den Spielfeldrand gedrängten Basketballfans entfachen. Eine höchst unangenehme Atmosphäre für jedes Gästeteam, die dafür mitverantwortlich war, dass keine Braunschweiger Mannschaft in den vergangenen Jahren hier gewinnen konnte. NBA-Star Dennis Schröder hatte die Löwen vor sechs Jahren zum einzigen Erfolgserlebnis geführt.

Doch am Samstagabend wich in den entscheidenden Minuten das Leben aus dieser Kulisse, in der Schockstarre waren nur noch Raunen, Grummeln, Schimpfen zu hören. Es waren jene Momente, in denen die Braunschweiger im dritten Viertel sensationell sieben Dreier bei zwölf Versuchen versenkten und den Spielstand drehten. Mehr noch, sie zogen damit das Momentum so energisch auf ihre Seite, dass sie auch den Rest des Spiels beherrschen, es mit 78:71 (40:43) gewinnen und somit ihren ersten Auswärtssieg feiern konnten.

Die Löwen als Dreierkönige! Diese unverhoffte Wandlung verblüffte sogar die eigenen Anhänger. Zwar hatte Trainer Frank Menz nach der Saisonvorbereitung behauptet, sein Team sei wurfstärker von außen geworden. Doch die Bestätigung blieb lange aus, in der Statistik sind die Braunschweiger die schwächste Offensivmannschaft der BBL und kamen vor dem Würzburg-Spiel nur auf 29 Prozent verwandelter Dreier.

Auch in der ersten Hälfte war noch nichts zu sehen von der neuen Treffsicherheit. Nur 34 Prozent ihrer Würfe brachten die Löwen ins Ziel, während der Gegner, mit dem Selbstvertrauen von vier Siegen in Folge, souverän 57 Prozent versenkte. Dass die Braunschweiger, die nach einem 12:0-Zwischenspurt 18:8 geführt hatten (9.), überhaupt noch so gut im Rennen lagen, verdankten sie ihrer Verteidigung, mit der sie viele Ballverluste bei den Baskets erzwangen, sowie ihrem aggressiven Korbdrang. Würzburg konnte sie oft nur mit Fouls stoppen, so dass die Löwen gut von der Freiwurflinie punkteten.

Dann kam die Halbzeit und plötzlich diese Dreier-Explosion. Mit fünf Treffern in Folge verwandelten Chris Sengfelder, Brayon Blake (2), Joe Rahon und Dennis Nawrocki den Pausenrückstand wieder in eine Zehnpunkteführung (57:47, 26.). Shaquille Hines und Rahon ließen noch zwei Dreier folgen und hielten die zur Aufholjagd ansetzenden Würzburger vor dem Schlussviertel auf Distanz (63:57).

Man fragte sich, was in der Kabine passiert war, welches Zielwasser die Löwen getrunken hatten? „Der Coach will, dass wir mit noch mehr Selbstvertrauen spielen“, berichtete der einmal mehr herausragende Scott Eatherton von den Pausengesprächen. „Er hat einfach alle ermuntert, weiter zu werfen und uns damit aufgeweckt.“ Brayon Blake, der 30 Sekunden vor Schluss per Dreipunkte-Spiel zum 78:71 die Partie entschieden hatte, bestätigte: „Der Trainer setzt unglaubliches Vertrauen in unsere Würfe, er hat uns das nochmal verdeutlicht und gesagt, dass wir auf jeden Fall ruhig bleiben müssen.“ „Und wir haben in der zweiten Halbzeit einfach noch freiere Würfe herausgespielt“, erklärte Kapitän Thomas Klepeisz, der selbst als Vollstrecker einen schlechten Tag erwischt hatte (0/5), den Erfolg.

Im Schlussviertel kamen die Gastgeber durch einige Offensivrebounds, die Menz zur Weißglut trieben, schnell auf 68:65 heran. Aber die Braunschweiger knickten nicht ein. Ihre Dreier fielen zwar nicht mehr, dafür fanden sie nun wieder einen Weg, über Eatherton am Brett zu punkten. Letztlich hatten sie die stabileren Nerven, während Würzburg im Endspurt mehr Fehler machte und Korbleger versemmelte. „Das war ein unglaublich wichtiger Erfolg für uns“, kommentierte Menz zweiten Sieg in Folge gegen ein favorisiertes Team. Wie schon beim Heim-Triumph gegen Bamberg verteidigten die Löwen als Basis ihres Erfolgs höchst intensiv und geschlossen und hielten den Gegner weit unter den üblichen 80 Punkten plus.

Zudem spielten sie stabiler und fehlerärmer, gaben mehr Vorlagen und lagen bei der Trefferquote am Ende zumindest bei den Dreiern vorne. Sie verkrafteten sogar, dass DeAndre Lansdowne, Klepeisz und Sengfelder zusammen nur 4 ihrer 23 Würfe trafen, weil Blake, Rahon und Hines neben Eatherton in die Bresche sprangen. „Wir finden als Team immer besser zusammen und wissen jetzt, wie wir unser Stärken ausspielen können“, kommentierte Youngster Lars Lagerpusch, der mit einer guten Leistung Eatherton auf der Centerposition die nötigen Verschnaufpausen verschafft hatte.

„Das war ein Riesen-, Riesen-, Riesen-Auswärtssieg, nach den Niederlagen zu Beginn“, jubelte Lansdowne und brachte halb scherzend, halb ernsthaft das neue Selbstverständnis des Teams zum Ausdruck: „Unsere Verteidigung steht nun. Wenn wir jetzt auch noch gut treffen, sind wir kaum aufzuhalten.“