Braunschweig. Der Basketball-Bundestrainer spricht vor dem WM-Qualispiel in Braunschweig über die neue Lust am Nationalteam, die Perspektive und Dennis Schröder.

Gestern sind die Stars aus NBA, Euroleague und BBL in Braunschweig eingetroffen. Henrik Rödl bereitet Deutschlands beste Basketballer vier Tage lang auf das WM-Qualifikationsspiel am Freitag gegen Österreich vor. Zuvor sprach der Bundestrainer mit Redakteurin Ute Berndt über seine neue Aufgabe, Braunschweigs NBA-Star Dennis Schröder sowie die Perspektive seiner Mannschaft.

Herr Rödl, Sie sind jetzt seit gut einem Dreivierteljahr im Amt. Wie lebt es sich als Bundestrainer, mit wie viel Vorfreude sind Sie nach Braunschweig gekommen?

Mit großer Freude, ich habe ja schon länger nicht mehr in der Halle gearbeitet. Jetzt freue ich mich, die Jungs zu sehen und das umzusetzen, was wir vorbereitet haben. Ich habe eine tolle Aufgabe, wir haben ein tolles Team mit sehr viel Potenzial, und wir haben einen tollen Anfang geschafft mit vier Siegen in der WM-Qualifikation. Ich fühle mich in meiner Rolle sehr wohl und kann mich auch genug einbringen, weil die Länderspielfenster ja jetzt übers Jahr verteilt liegen.

Es gab ja viel Kritik an den Nationalmannschafts-Fenstern während der Saison. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus, und welche besonderen Herausforderungen sind damit verbunden?

Für uns waren die Fenster super erfolgreich. Die Jungs haben sie ganz toll angenommen. Die Herausforderung besteht darin, dass man so viel wie möglich vorbereiten möchte, aber fast keine Möglichkeit hat zu trainieren. Es gilt also die Balance zu finden, zwischen so viel Taktik wie möglich, aber eben nicht zu viel, und auch so viel körperlicher Belastung wie möglich, aber nicht zu viel. Jetzt in Braunschweig ist die Ausgangslage etwas anders, die Spieler kommen nicht direkt aus dem Saisonbetrieb. Es ist also die Frage, wie fit sie angereist sind. Trotzdem ist es jetzt leichter einschätzbar, wie man alles steuern muss. Wir wissen besser, was man in wenigen Tagen trainieren kann.

Wie viel Chris Fleming steckt denn noch im Spiel des Teams und wie viel schon Henrik Rödl?

Wir haben noch viele Elemente aus den letzten drei Jahren drin. Aber es war ja auch mit mein Programm, ich habe es taktisch so gemocht und auch mitgestaltet. Inzwischen haben wir ein paar Sachen geändert, aber ich habe versucht, den Jungs nicht zu viele neue Sachen zu bringen, damit sie sich schnell erinnern. Es wäre ja auch Quark, alles neu zu machen. Im Fenster im September haben wir dann etwas mehr Zeit und zwei Testspiele beim Supercup, da werden wir auch mal was ausprobieren, um unsere Möglichkeiten ein bisschen zu erweitern.

Dafür müssen sie jetzt neue Leistungsträger einbauen, Rollen neu verteilen und Spielern wehtun, die zuletzt Stammkräfte waren. Wie schwierig ist das?

Wir haben früh genug kommuniziert, dass es unterschiedliche Aufstellungen geben wird. Alle wussten das, es ist kein Thema. Alle Spieler gehören dazu, wir haben jetzt einfach einen größeren Kader. Und was den Einbau der Neuen betrifft: Ich denke, das wird schnell gehen. Nur Maxi (Kleber) war ja länger nicht dabei. Dennis (Schröder), Jo (Voigtmann) und Maodo (Lo) waren letzten Sommer bei der EM integriert – da werden auch sie sich schnell erinnern. Dass sich unser Spiel etwas verlagert, ist klar.

In Richtung von Dennis Schröder, der seinen Führungsanspruch ja gerne betont?

Wir werden auch mit ihm teamorientiert bleiben, daran besteht kein Zweifel. So wie wir es auch vergangenen Sommer waren. Natürlich gibt es Leute, die mehr Verantwortung tragen wollen. Dennis hat das toll gemacht bei der EM, und die Mannschaft auch. Und natürlich verlagert sich spielerisch einiges in seine Richtung.

Was zeichnet Dennis aus, was schätzen Sie besonders an ihm?

Mich fasziniert, mit welchem Ehrgeiz er Basketball spielt. Er hat sich in allen Bereichen total entwickelt und will mit den Leuten zusammenarbeiten. Bei allem, was er schon erreicht hat, will er trotzdem immer weitermachen, um noch besser zu werden.

In den vergangenen Jahren hat sich die Nationalmannschaft einige Absagen von Profis eingefangen. Inzwischen wollen alle spielen, und sogar verletzte NBA-Profis kommen zum Aufbautraining. Wie haben Sie diese neue Lust am Nationalteam geweckt?

Dadurch, wie Chris das Team drei Jahre lang geführt hat und wie ich versuche, es weiterzuführen: Die Jungs fühlen sich wohl, sind gerne zusammen und werden gut trainiert und betreut. Ich freue mich, mit wie viel Herz sie bei der Sache sind und sich weiterentwickeln wollen. Das sind alles gute Zeichen. Außerdem haben wir viel Talent, und sie haben die Chance, Spiele zu gewinnen. Alle wollen zelebrieren, was gerade bei uns stattfindet.

Dennis Schröder sagt, sein Ziel sei eine Medaille bei EM, WM oder Olympia. Unterschreiben Sie das?

Jetzt qualifizieren wir uns erstmal! Aber klar, bei den großen Turnieren ist alles möglich. Unsere Mannschaft ist ja noch unglaublich jung. Und jetzt sind ja sogar schon zwei Leute von der NBA gedraftet worden, die noch nicht mal richtig bei uns gespielt haben. Wir haben so viel Talent wie noch nie. Da darf man davon träumen, eine Mannschaft aufzubauen, die immer besser wird und für die noch starke Leute nachkommen. Und dann ist es auch korrekt, dass man das als Ziel formuliert.

Was beurteilen Sie, dass Moritz Wagner und Isaac Bonga von den Los Angeles Lakers gedraftet worden sind?

Das ist toll. Für Mo ist die Situation bei den Lakers ideal, und dass Isaac im Alter von 18 Jahren gedraftet wurde, ist super. Ich denke, er wird eher noch ein, zwei Jahre in Europa spielen, aber das entscheiden die Lakers. Beide sind jedenfalls in guten Händen, ich kann ihnen nur gratulieren.

Wie kommt diese riesige Perspektive des deutschen Basketballs mit immer mehr NBA-Profis?

Von der Tiefe her haben wir in der Tat eine Situation, die so noch nie dagewesen ist. Sie ist die Frucht der Arbeit in der BBL, in den Vereinen und im Verband in den vergangenen zehn Jahren, eine Konsequenz aus der Einführung von NBBL und JBBL und den immer höheren Standards für die Nachwuchsarbeit.

Was erwarten Sie vom Spiel gegen Österreich nach dem 41-Punkte-Sieg im Hinspiel?

Ich erwarte die Österreicher ein bisschen stärker, Jakob Pöltl aus der NBA soll ja dabeisein. Außerdem haben sie einen neuen Trainer, so dass man nicht weiß, wie sie spielen. Das Hinspiel war ein ganz außergewöhnliches. So wird es nicht nochmal laufen. Aber natürlich sind wir Favorit, wollen unbedingt gewinnen und den Fans ein tolles Spiel bieten.

Als Spieler gewann der 49 Jährige 1993 die US-Collegemeisterschaft mit North Dakota und mit Deutschland den Europameistertitel. 1992 stand er schon im Olympiakader in Barcelona, 2002 verabschiedete er sich mit dem Gewinn von WM-Bronze nach 178 Spielen aus der Nationalmannschaft. In elf Jahren bei Alba Berlin holte der Flügelspieler den europäischen Korac-Cup und sieben Meistertitel.

Als Trainer war Rödl Headcoach bei Alba Berlin und leitete dann das Nachwuchsprogramm. 2010 übernahm er den Erstligisten Trier und wechselte nach dessen Insolvenz 2015 zum DBB. Er betreute diverse Nachwuchsteams und war Assistent von A-Nationaltrainer Chris Fleming, bis er diesen im September 2017 beerbte.

WM-Qualifikation:Deutschland – Österreich, Freitag, 19.30 Uhr, VW-Halle. Restkarten sind noch verfügbar.