Braunschweig. Eintracht-Trainer Pedersen will alles versuchen, dass Kapitän Ken Reichel in Braunschweig bleibt. Das verriet der neue Trainer der Löwen im Interview.

Im Moment könnten die Tage von Henrik Pedersen gerne mehr als 24 Stunden haben. Der neue Trainer von Eintracht Braunschweig lernt im Crashkurs seinen neuen Klub kennen und muss doch gleichzeitig so viel anpacken, um die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des Fußball-Drittligisten zu stellen. Doch der Zeitmangel stört den Dänen nicht. „Ich genieße das alles sehr“, sagt der 40-Jährige im Interview mit den Sportredakteuren Hans-Dieter Schlawis, Thomas Fröhlich und Daniel Mau.

Herr Pedersen, erst vor wenigen Tagen wurden Sie als neuer Trainer der Eintracht vorgestellt, doch Mitte Juni soll es schon mit der Vorbereitung losgehen. Wie schwer ist es, in der Kürze der Zeit eine Mannschaft zusammenzustellen?

Es ist für mich vor allem eine interessante Aufgabe, auf die ich mich sehr freue. Wir haben für jede Position ein klares Anforderungsprofil, das die neuen Spieler so gut wie möglich erfüllen sollen. Klar haben wir Druck, einen guten Kader zusammenzustellen. Aber ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt, auch wenn zum Trainingsstart die Mannschaft wahrscheinlich noch nicht komplett sein wird. Da müssen wir realistisch sein. Wir werden etwas Geduld benötigen.

Kommen Sie bei der Fülle an Aufgaben im Moment überhaupt richtig zum Schlafen?

Ja, ich schlafe sogar sehr gut (lacht). Ich genieße die aktuelle Situation sehr. Ich habe zwar viel Arbeit, aber ich mag ja, was ich mache. Und ich bin sehr dankbar für die Chance, das hier in Braunschweig tun zu können.

Es ging in der vergangenen Woche auch für Sie alles sehr schnell. Fühlt es sich noch immer wie ein Traum an, Cheftrainer der Eintracht zu sein oder können Sie schon realisieren, was gerade alles in Ihrem Leben passiert?

Ich muss zugeben, dass ich gerade Mittwoch und Donnerstag der vergangenen Woche emotional sehr aufgewühlt war. Das ist mein erster Cheftrainerposten in Deutschland und dann gleich bei einem Verein wie der Eintracht.

In den vergangenen Tagen haben mich viele Freunde aus Dänemark angerufen und gefragt: Henrik, weiß du überhaupt, was für ein großartiger Verein das ist? Ich spüre einen großen Respekt vor diesem Klub, nicht nur in Deutschland. Das ist ein Traum, und ich genieße jeden Moment.

Sie haben gesagt, Sie suchen Spieler mit einem bestimmten Profil. Warum hat ein Spieler wie Mirko Boland da nicht mehr reingepasst?

Ich weiß um die Bedeutung von Mirko Boland für die Eintracht, und dass er in den vergangenen Jahren Herausragendes für die Eintracht geleistet hat. Mir ist nur wichtig, dass wir Spieler holen, die so gut wie möglich in unser Anforderungsprofil passen. Sie müssen noch nicht perfekt sein, sonst würden sie nicht zu uns in die 3. Liga kommen. Aber zusammen mit meinem Trainerteam will ich dafür sorgen, dass diese Spieler besser werden – möglichst in allen Bereichen.

Wann wird Ihr Trainerteam komplett sein?

Ich denke, das könnte Anfang der nächsten Woche so weit sein. Wir führen mit den Kandidaten im Moment viele Gespräche, aber einige sind auch noch im Urlaub. Doch spätestens zum Trainingsstart werden wir gut aufgestellt sein.

Wie sehr ist bei der Suche nach Spielern das System, das Sie spielen wollen, von Bedeutung. Oder gibt es so etwas wie eine favorisierte Formation gar nicht?

Ich habe vor, dass ein 4-3-3 unsere Basis wird. Aber wichtiger als das taktische System sind die Prinzipien, die sich dahinter verbergen. Wie wollen wir mit Ball agieren? Wie verhalten wir uns beim Pressing? Das sind alles Sachen, die die Spieler verinnerlichen müssen. Gerade in den ersten Wochen wird da viel Neues auf sie zukommen und wahrscheinlich wird der eine oder andere sagen: Trainer, das geht so nicht. Das ist zu schwierig. Aber dann werde ich ihnen sagen: Doch, das ist möglich. Aber ich will nicht, dass die Spieler das nur machen, weil ich das so will, sondern weil sie Vertrauen haben, dass das, was wir Ihnen sagen, eine Hilfe ist.

Dürfen die Spieler Trainer oder Henrik zu Ihnen sagen?

Oh, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Mal sehe, wie das am ersten Tag läuft (lacht). Ich kenne die Kultur in Deutschland, die ist etwas anders als in Dänemark. Aber es ist egal, ob die Spieler nun Trainer oder Henrik sagen. Ich bleibe die gleiche Person.

Ken Reichel, der seit elf Jahren für die Eintracht spielt, hat noch keinen Vertrag für die nächste Saison. Hoffen Sie, dass er bleibt?

Ja, ich werde jedenfalls alles versuchen, dass er bleibt. Natürlich liegt eine schwierige Spielzeit hinter ihm, aber er kann aufgrund seiner fußballerischen Fähigkeiten – die gut in unser System passen – und seiner Persönlichkeit auch in der nächsten Saison ein sehr wichtiger Spieler für uns werden. Ich habe schon mit ihm gesprochen und habe auch menschlich einen sehr positiven Eindruck.

Inwieweit spielt der Nachwuchs der Eintracht, der in dieser Saison einen Doppelabstieg der A- und B-Jugend verkraften musste, in Ihren Planungen eine Rolle?

Ich war ja mal selber Jugendtrainer und meine Erfahrung ist: Wenn der Cheftrainer der Profis die Tür zum Nachwuchs aufmacht, ist das für die Jungs ein wichtiges Zeichen. Aber ich möchte, dass ich für die anderen Trainer im Verein und das Nachwuchsleistungszentrum allgemein eine positive Bedeutung habe. Die Tür soll immer offen sein.

Wie sehr hilft Ihnen Ihre Erfahrung im Nachwuchs von RB Salzburg. Da waren Sie A-Jugendtrainer und irgendwann auch Nachwuchskoordinator der gesamten RB-Familie.

Das waren sehr gute Erfahrungen für mich. Ich war in Ghana, in New York und in Brasilien tätig. Da nimmt man unglaublich viel mit und knüpft Kontakte. Trotzdem will ich aber in erster Linie schauen, was wir hier für Talente vor Ort haben. Die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Teams ist mir sehr wichtig.

Neben der sportlichen Aufgabe müssen Sie auch noch ein paar private Dinge im Moment regeln. Wie läuft der Umzug von Berlin nach Braunschweig mit Frau und Kind?

Zurzeit pendeln wir noch ein wenig hin und her, aber wir sind auf der Suche nach einer Wohnung. Meine Freundin hat schon die ersten Besichtigungstermine.

Suchen Sie etwas im Grünen oder sind Sie eher der städtische Typ?

Ich bin in der Nähe von Wasser, an einem Fjord in Dänemark, aufgewachsen. Deshalb ist mir die Nähe zur Natur sehr wichtig. Aber ich finde dafür ist Braunschweig auf den ersten Blick perfekt. An meinem ersten Abend in der Stadt bin ich von meinem Hotel aus eine Stunde spazieren gegangen. Da habe ich diesen schönen Park – ich glaube, er heißt Bürgerpark – entdeckt. Das hat mir sehr gut gefallen.

Bei Union Berlin waren Sie der Assistent von Jens Keller. Was konnten Sie von ihm lernen?

Jens war sehr souverän im Umgang mit den Medien. In diesem Bereich habe ich bisher noch nicht so viel Erfahrung gemacht. Aber er konnte auch gut im Team arbeiten, hat großes Vertrauen in seinen Stab gehabt. Das war ein Grund, warum ich in Berlin gerne zur Arbeit gegangen bin. So will ich das auch machen. Ich weiß, dass ich hier bei der Eintracht nichts allein bewegen kann. Dafür brauche ich meinen Trainerstab, die Spieler, aber auch alle anderen Menschen im Verein.

Gibt es für Sie Vorbilder im Fußball?

Vorbilder nicht direkt, aber es gibt viele Menschen, die ich inspirierend finde. Das sind aber nicht nur Fußballer. Einer davon ist der Stammzellenforscher Bruce Lipton. Ich finde seinen Ansatz interessant, wie viele Dinge bei uns im Kopf entschieden werden. Ich denke, ich bin da selber ein gutes Beispiel. Ich hatte sieben Knieoperationen. Aber alle Ärzte haben immer nur auf die Schwächen in meinem Körper geschaut, nicht auf mich als Mensch. Dabei bin ich überzeugt, das eine hängt mit dem anderen zusammen. Das möchte ich auch auf den Fußball übertragen. Ich bin mir sicher, dass ein Spieler nur gute Leistungen bringen kann, wenn es ihm auch als Mensch gut geht und er sich wohlfühlt.

Waren die vielen Knieoperationen der Grund, warum Sie keine große Spielerkarriere hingelegt haben?

Vielleicht ein bisschen. Ich gehörte zum Kader der U19-Nationalmannschaft von Dänemark und war dann häufig verletzt. Aber es gab auch noch einen anderen Grund. Vom Kopf her war ich fußballerisch top, aber ich war brutal langsam (lacht). Deshalb ist in mir recht schnell der Wunsch gereift, dass ich Trainer werden will. Mit 19 Jahren habe ich die erste Erfahrungen gesammelt und dann auch bald meinen Trainerschein gemacht. Parallel dazu habe ich viele Hospitationen absolviert, allein beim FC Chelsea war ich bestimmt 20-mal. Ich will niemand kopieren, aber ich wollte von den Besten lernen, mit ihnen sprechen. Zu wissen wie Menschen ticken, ist oft wichtiger als das taktische System.

Das klingt nach einem sehr menschlichen Trainer, aber können Sie auch ein harter Hund sein?

Das gehört manchmal dazu, klar. Wir werden eine klare Philosophie haben, da kann nicht jeder machen, was er will. Aber wenn ich jedes Mal schreien muss, damit die Spieler meine Anweisungen umsetzen, habe ich was falsch gemacht. Die sollen davon überzeugt sein, dass es Sinn hat, was wir ihnen sagen.