Kälte, Kuscheldecken, Blasebälge: Der Organist Raphael Nigbur wagt ein Experiment in Zeiten der Klimakrise.

Energiesparen lautete das Motto des Jahres 2022, und im nun neuen Jahr wird es wohl nicht anders sein. In der St. Nicolai-Kirche in Gifhorn findet an diesem Freitag um 16 Uhr eine besondere Veranstaltung statt, für die so gut wie keine Ressourcen verbraucht werden. Beim 1. Energiesparkonzert bleibt es im Gotteshaus ungewöhnlich kühl, dunkel, und selbst das Instrument muss ohne Stromversorgung auskommen.

Gemeinde muss sparen

Sicherlich ist bei der Idee ein bisschen Spaß dabei, aber der Hintergrund ist natürlich ernst“, sagt Kantor Raphael Nigbur über seine Initiative. Fakt sei, dass auch in den Kirchengemeinden Geld gespart werden müsse. Und Energie sei ein großer Kostenpunkt, insbesondere seit dem vergangenen Jahr. „So ein Kirchengebäude aufzuheizen, kostet schon einiges“, erklärt er. Bereits seit längerem hat sich deshalb in einigen Gemeinden eine Winterpause etabliert, in der die Kirchen nicht geheizt werden. In der Gifhorner St. Nicolai-Kirche beginnt die „Winterkirche“ offiziell am kommenden Sonntag und dauert bis Ostern.

Weil bis dahin aber nur noch das Energiesparkonzert auf dem Programm steht, ist die Heizung bereits jetzt runtergefahren. Für die Besucher auf der Empore liegen kuschelige Fleecedecken bereit. Ebenso bleiben die Kronleuchter aus. „Der Weg zur Empore wird den Besuchern durch Kerzen angezeigt, die in Gläsern platziert werden“, kündigt Nigbur an. Nur die Eingangsbereiche würden aus Sicherheitsgründen eventuell schwach beleuchtet. „Und um die Noten erkennen zu können, überlege ich, das Pultlicht anzuschalten“, sagt der Kantor. Kerzen direkt an der Orgel brennen zu lassen, sei jedenfalls zu gefährlich.

Ausdauer beim Treten

Das Besondere aber wird bei dem Konzert der Antrieb der Orgel sein, der üblicherweise seit vielen Jahrzehnten durch einen Elektromotor erfolgt. Aber: Das Instrument in der Gifhorner Kirche ist ein historisches, stammt aus dem Jahr 1748. Deshalb bietet es eine weitere, früher regelmäßig praktizierte Option: Helfer, die sogenannten Kalkanten, treten große Blasebälge, um den nötigen Wind zu erzeugen, der letztlich die Töne in den Pfeifen erzeugt.

Und genau das hat Nigbur auch am Freitag vor. Für die Betätigung der insgesamt sechs Blasebälge hat er bis jetzt die Zusagen von zwei Freiwilligen sicher – zwei zusätzliche sollen bis Konzertbeginn möglichst noch folgen. „Das Treten an sich ist gar nicht so schwer und kraftraubend. Wenn man es allerdings eine Stunde lang macht, geht es schon in die Beine“, erklärt Nigbur. Zwei sich abwechselnde Teams seien daher die beste Option. Und: Bei lauten Stücken müssen die Helfer schneller in die Bälge treten.

Selbst ausprobiert

Nigbur selbst hat rechtzeitig ausprobiert, ob die Technik funktioniert. „Ich habe selbst getreten, während sich jemand anderes an die Orgel gesetzt hat“, berichtet der Kantor. Ein Unterschied zwischen elektrischer und manueller Winderzeugung sei bei der Musik nicht herauszuhören. Und auch für die Kalkanten sei die Tätigkeit keine akustische Qual. „Sie befinden sich zwar im Orgelgehäuse, aber die Töne verteilen sich über die Pfeifen im Kirchenraum, sodass es dort drin nicht laut ist“, so Nigbur. Weil er seine Helfer nicht sehen könne, betätige er ein Glöckchen zum Zeichen, dass diese mit dem Treten loslegen, sagt der Kantor. Die Belohnung: Der Erlös aus der Kollekte soll den Balgtretern in Form eines Essens zugute kommen.

Angestimmt werden bei dem Konzert auch noch einige weihnachtliche Melodien. Neben klassischen Kompositionen warten aber auch jazzige Stücke und Improvisationen. „Ich bin gespannt. Für mich ist es das erste Konzert dieser Art“, sagt Nigbur. In der St. Nicolai-Kirche hatte es Ähnliches zuletzt vor gut 23 Jahren gegeben. Beim Silvesterkonzert zur Jahrtausendwende befürchtete man zur Mitternachtsstunde einen großflächigen Stromausfall und setzte deshalb ebenfalls auf einen manuellen Orgelantrieb.