Braunschweig. Daniela Hoffmann ist eine der besten deutschen Synchronsprecherinnen. Sie kommt zu einer Lesung nach Braunschweig. Ein besonderes Interview.

Mit Daniela Hoffmann zu telefonieren, ist spaßig. Zum einen ist die Frau völlig uneitel, sagt mit selbstironisch gefärbter Überzeugung: „Julia Roberts spreche ich, weil ich so schön bin wie sie, und Ally-McBeal-Darstellerin Calista Flockhart, weil ich so schlank bin wie sie.“

Oder, wenn sie auf ihre erste Synchronisation zu sprechen kommt, damals noch in der DDR: „Erotisches zur Nacht“. Da hätte sie viele Anfragen nach Fotos oder Dates bekommen, erinnert sie sich. „Da hab ick nur gesacht: Vorsicht, Leute, ick bin det nich, ick sprech die nur.“

Ein Lächeln in der Stimme

Aus solch kleinen Schnurren wird aber schon das Besondere an Daniela Hoffmann deutlich: Die Frau ist ganz Stimme. Sie kann schön sein, dünn sein nur mit Stimmlage und -färbung, erotisch mit Hauch und Schmelz, auch katzenbergerhaft hoch, „das mögen die Männer nicht, meiner auch nicht.“ Am besten kämen zarte tiefere Stimmen an, „mit einem unterschwelligen Lächeln darin“.

Das ist der zweite Grund, warum so ein Telefonat außergewöhnlich spaßig ist. Die Frau kann mitten im Gespräch vom rotzigen Schnoddern Julia Roberts’ in den mütterlich warmen Duktus des Mammuts Ellie aus der „Ice Age“-Reihe wechseln. Kann kicksen wie ein Teenager, lispeln wie ein Häschen mit Zahnlücke, berlinern wie ein mit Spreewasser getaufter Taxifahrer.

Eine der Besten

Daniela Hoffmann, geboren 1963 in Berlin, ist gelernte Schauspielerin, bringt viel Theatererfahrung mit, hat auch oft für Film und Fernsehen vor der Kamera gestanden, häufig in der Krimi-Reihe „Polizeiruf 110“. Aber in ihrer Paradedisziplin, der Synchronisation ausländischer Filmschauspielerinnen, gehört sie zu den Besten im Land. Gefragt ist ihre wandelbare Stimme auch in der Werbung. Zudem absolviert sie Lesungen. Am Dienstag, 30. November, kommt sie zu einer weihnachtlichen Lesung in den Braunschweiger Dom. Wir sprachen vorab mit ihr.

Ist es manchmal frustrierend, nur die Stimme zu sein, deren Eigentümer niemand kennt?

Überhaupt nicht. Da bin ich ganz pragmatisch. Ich habe einfach keine narzisstische Störung wie manch andere Kollegen. Ich habe zwei Kinder, ich konnte auch schwanger die schönsten Frauen spielen, ich war immer nah an zuhause. Ich lasse auch den Ruhm von Julia Roberts nicht raushängen. Ich habe einige eigene Fähigkeiten, und die sind gut. Ich kann mich schnell in andere hineinversetzen und sofort etwas von der Person einfangen. Ich weiß gar nicht, ob ich ihr Leben führen wollte. Sich immer verstecken zu müssen mit den Kindern aus Angst, dass eins entführt werden könnte...

Julia Roberts ist ja berühmt für ihre dreckige Lache...

Aber es ist mein Lachen, das die Leute in deutschen Kinos hören!

Ist Ihres anders?

Nein, sie lacht schon auch sehr sehr dreckig. Ich habe bei einem Casting für „Pretty Woman“ die Rolle bekommen, weil sie eine freche, etwas ordinäre Stimme wollten für diese Nutte, die sie spielt.

Versuchen Sie manchmal, den Schauspielerinnen, die Sie synchronisieren, etwas Eigenes von sich mitzugeben?

Nein. Man muss sich da selbst sehr weit zurücknehmen. Synchronisieren ist nichts anderes als nachmachen. Es geht nicht darum, wie ich es geil finden würde, sondern nur darum, möglichst nah ans Original zu kommen. Mein Ego ist mir diesbezüglich komplett abhanden gekommen.

Haben Sie Julia Roberts mal getroffen?

Nein. Ich denke auch, sie hat da kein Interesse daran. Sie hat ja sieben oder acht Sprecherinnen in den verschiedenen Ländern.

Wenn man immer genau bei den Lippenbewegungen auf der Leinwand sein muss, dann ist das Synchronisieren doch eine ungeheure Konzentrationsleistung, oder?

Ja, man muss sehr konzentriert sein. Wenn man fünf bis sechs Zeilen hintereinander sprechen muss, also einen ganzen Absatz, braucht man ein hochtrainiertes Kurzzeitgedächtnis. Man muss diese Sätze überfliegen und sofort auswendig lernen, damit man während des Sprechens oben die Münder angucken kann. Dabei gilt es natürlich auch, den emotionalen Gehalt zu erfassen und den Kontext. Wie war die vorige Situation, wie die folgende? Wird ein Begriff neu eingeführt, dann betone ich den, sonst betone ich das Verb. Hinzu kommt, dass die Sätze im Deutschen meistens länger sind als im Original. Man muss also auch sehr schnell und dabei deutlich sprechen. Das ist ein hartes Geschäft. Ich habe ein richtiges Synchron-Studium absolviert. Und dann gibt es Leute, die meinen, sie könnten das nach drei Monaten Ausbildung! Ich will uns nicht mit Medizinern vergleichen, aber das ist so, als wenn ich sagen würde, ich hab’ so schöne Hände, jetzt lasst mich mal operieren. Man muss wahnsinnig lange üben, wie beim Klavierspielen. Das galt auch für mich. Als ich anfing, habe ich niemals damit gerechnet, dass ich damit Geld verdienen könnte. Ich habe derart berlinert und geknödelt, dass die Lehrer gesagt haben: „Na ja, spielen kannste ja, aber sag am besten gar nichts!“

Üben Sie noch täglich, haben Sie bestimmte Übungen?

Nein, nicht mehr täglich. Gut sind Übungen wie „tschechisches Streichholzschächtelchen“ oder „chinesisches Milchfläschchen“.

Tschesch...

Nee, nee, tschechisches, nicht tscheschisches. Man muss beachten, was die Zunge macht. Flattert sie vorn, rollt sie hinten, sind die Seitenflächen hochgebogen? Man muss sich dauernd beobachten, auch im Mund.

Derzeit müssen Synchronsprecher sehr gefragt sein angesichts der Fülle von gestreamten Serien.

Ja, vor allem junge Leute. So ab 30 lässt das Angebot nach, vor allem für Frauen. Gerade bin ich in einer Serie, in der sich fünf Frauen um die 40 zusammentun, um ihre Mädchen-Band zu reaktivieren. Traumhaft! Aber das geht nicht mehr ewig so. Die jungen Leute sind ja zum Großteil keine Schauspieler mehr. Ich sage denen: Sucht euch ein zweites Standbein!

Warum?

Weil in näherer Zukunft die Stimmen der Filmschauspieler mithilfe von Künstlicher Intelligenz in andere Sprachen übertragen werden. Uns betrifft das nicht mehr. Die Jungen schon. Man ist da technisch schon recht weit. Schwierig ist das noch bei bestimmten Zischlauten etwa im Spanischen oder so kleinen Kieksern. Zudem lassen sich die Münder morphen, das heißt, die Lippenbewegungen werden entsprechend zum Text automatisch geformt. Man kann das bei Deep face betrachten, wenn Merkel oder Obama in Videos mit ihren eigenen Stimmen etwas sagen, was sie nie gesagt haben. Dann muss man den Synchron-Text auch nicht mehr synchron schreiben, um die Labiale wie b und p richtig zu setzen.

Wann wird die Technik so weit sein?

In Israel in zwei Jahren. Bei uns, denke ich, etwa fünf. Aber das ist meine persönliche Einschätzung.

Die Veranstaltung

Daniela Hoffmann kommt am 30. November um 20 Uhr in den Braunschweiger Dom zu einem Benefizkonzert für die Chororgel. Sie liest Weihnachtsgeschichten und Gedichte von Loriot, Heinz Erhardt, Marie Luise Kaschnitz u.a. Dazu erklingt weihnachtliche Musik von Jugendkantorei und Blechbläserensemble. Karten kosten 15-25 Euro. Es gilt die 2G-Regel.

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