Michael Hartwig bekochte viele Jahre lang Stars und Ehrengäste bei Football-Events.

Als gebürtiger Bochumer Herbert Grönemeyer das Essen serviert zu haben – etwas Schöneres kann es für einen Koch eigentlich nicht geben. Und als erster Betreiber einer Aral-Tankstelle mit gastronomischem Angebot in Deutschland zu gelten, darf ebenfalls als Leistung gewertet werden. Wenn dann noch der eigene Sohn in die Fußstapfen des Vaters tritt und mittlerweile einer von hierzulande nur elf Drei-Sterne-Köchen ist, dann ist das Anlass genug, zufrieden zu sein. Michael Hartwig fühlt sich als Betreiber des Waldgasthauses Odinshain in Adenstedt im Landkreis Peine äußerst wohl. Wobei: Mal wieder Gäste begrüßen zu dürfen, das wäre schon eine feine Sache.

Normalerweise, sagt Hartwig, stelle er sich für Fotos immer gerne vor seinen Reifeschrank. Den hatte der Koch vor rund zwei Jahren angeschafft, nachdem er ihn zuvor in Tim Mälzers Bullerei in Hamburg gesehen hatte. „Hier in Adenstedt essen die Leute gerne Fleisch“, sagt Hartwig. Und das schmecke nach ein paar Wochen in dem Schrank noch viel besser. „Dem Fleisch wird Wasser entzogen. Neue Aromen bilden sich“, klärt der Besitzer auf.

Gähnende Leere im Reifeschrank

Normal ist der Reifeschrank gefüllt mit Steaks, Wild oder Roast Beef. Jetzt ist er leer. Zwar bietet der Gastronom Außer-Haus-Verkauf an. „Aber Fleischgerichte preise ich zurzeit nicht so an. Die schmecken frisch serviert einfach besser.“

Gute deutsche Küche, das passt irgendwie zu dem fast 130 Jahre alten Haus, das laut Hartwig schon immer gastronomischer Betrieb war. So übernahm der Koch also jede Menge Tradition, zu der auch der Name der Gaststätte gehört. Odin ist der Hauptgott in der nordischen Mythologie. Nicht weit entfernt von dem Haus sind im Wald prähistorische Hügelgräber zu finden.

Sanierungsstau ist aufgehoben

2012 hatte Hartwig das Haus zunächst gepachtet, nachdem er zuvor schon jahrelang ein Auge darauf gehabt hatte. Der Besitzer bewohnte das Obergeschoss noch viele Jahre weiter. Als Hartwig im vergangenen Jahr wegen des immer größer werdenden Sanierungsstaus schon fast wieder raus wollte, ergab sich eine überraschende Wendung. „Ein Stammgast hörte von dem Problem und meinte irgendwann: Ich kaufe das Haus“, berichtet Hartwig. So ist der Gastronom Pächter geblieben. Und der neue Besitzer steckt als leidenschaftlicher Hobby-Handwerker viel Arbeitskraft in die schrittweise Sanierung des Hauses.

Doch bevor Michael Hartwig dahin kam, ein Traditionsgasthaus zu übernehmen, hatte er bereits jede Menge Erfahrung in der Branche gesammelt. Schon sein Vater führte einst ein Hotel, eine Autobahnraststätte und ein Veranstaltungszentrum. „Für mich war immer klar, dass ich in die gleiche Richtung gehen möchte“, erzählt der 63-Jährige. Er lernte Restaurantfachmann in Braunschweig, später Koch in Helmstedt. Es folgten Stationen in der Gastronomie, bis er eine neue Herausforderung fand: 1989 führte er die erste Aral-Tankstelle in Deutschland mit gastronomischem Angebot an der A 39.

Leckere Gerichte für Fernfahrer zubereitet

Und auch in die Entwicklung von strategischen Konzepten für den Mineralölkonzern war der Gastronom eingebunden, fuhr zeitweise einmal monatlich in die Aral-Zentrale nach Bochum. Eine weitere Tankstelle kam hinzu. „Mein Ziel war immer, den vielen Fernfahrern ein gutes Essen zu servieren“, sagt der Koch, der Ende der 1990er Jahre dann auch noch einen Partyservice eröffnete.

Damit begann für Hartwig ein besonders spannendes Kapitel seines Lebens. Er lernte Verantwortliche der Braunschweig Lions kennen. Irgendwann sollte er für deren Football-Events das Catering übernehmen. Zusammen mit zwei Kollegen gründete er eine Firma. Die Spiele waren damals mit Konzertveranstaltungen kombiniert, das Braunschweiger Stadion war oft gut gefüllt. Mehr als 1000 Ehrengäste in zwei VIP-Zelten wollten kulinarisch verwöhnt werden.

Wunschliste von Joe Cocker war lang

Aber nicht nur das. Auch die auftretenden Musiker und Bands mussten verpflegt werden, wofür Hartwig und seine Kollegen ebenfalls zuständig waren. „Als Joe Cocker kam, gab es vorher eine Liste mit Weinen und Käsesorten, von denen ich vorher nie gehört hatte“, erzählt Hartwig. Überhaupt seien die Wünsche stets groß, die Listen vom Management akribisch genau ausgearbeitet gewesen. Letztlich sei dann aber vieles gar nicht gegessen worden. „Bei Nena sollte auch alles Mögliche auf den Tisch. Sie hat dann nur eine Ofenkartoffel mit Quark gegessen“, plaudert Hartwig.

Stars wie Herbert Grönemeyer seien sehr umgänglich gewesen, so der Koch. Dass Nena hinter den Kulissen einen leicht benebelten Eindruck machte, habe definitiv nicht an der Ofenkartoffel gelegen, betont Hartwig lachend.

Der Sohn ist Drei-Sterne-Koch

Viele Jahre bewirtete er die Hungrigen mit dem dicken Portmonee. Das ist jetzt vorbei, im Waldgasthaus gehen Bürger aus allen gesellschaftlichen Schichten ein und aus. Aber Sohn Jan ist Küchenchef im Luxushotel Bayerischer Hof in München. Eines der dortigen Restaurants ist mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Bei seinem Sohn absolvierte Michael Hartwig sogar schon mal ein Praktikum. „Da habe ich viel mitgenommen“, sagt er. Und auch ein köstliches Menü gönnte er sich. Da durfte er sich einmal selbst so fühlen wie all jene Musiker, die er vor vielen Jahren mit aufwendigen Gerichten in Braunschweig verwöhnte.

Hartwigs Rezeptidee: Créme brûlée mit Tonkabohne

Zutaten: 190 ml Vollmilch, 210 ml Sahne, 7 Eigelb, 100 g brauner Zucker, 1 Vanilleschote, ½ Tonkabohne.

Zubereitung: Eigelb nur kurz mit Zucker verrühren – nicht aufschlagen. Milch und Sahne kurz aufkochen, etwas abkühlen lassen und vorsichtig in die Eimasse gießen. Vanilleschote längs aufschneiden und mit dem ausgekratzten Vanillemark und der geriebenen Tonkabohne würzen. Dann in feuerfeste Förmchen abfüllen und im vorgeheizten Ofen bei etwa 100 Grad eine Stunde ziehen lassen. Vor dem Servieren mit Rohrzucker bestreuen und mit einem Brenner karamellisieren.