An der Ruine der Burg Lichtenberg lässt sich das mittelalterliche Leben nachempfinden.

Es ist nicht gerade kuschelig warm an diesem Freitagvormittag. Doch irgendwann kommt Bewegung in die Wolkendecke. Sie bricht auf, zarte Sonnenstrahlen fallen auf die alten Steine. Im Sommer ist die Burg Lichtenberg ein romantischer Ort für frisch Verliebte und all jene, die es bleiben wollen. Doch siehe da: Selbst an diesem Wintertag kommt ein junges Pärchen den Hügel hinaufgeschlendert.

Kein Wunder, mögen viele denken, die schon oft auf dem Areal der Burgruine entlangspaziert sind. Der Ort hat schließlich Atmosphäre. Und: Die Umgebung lädt zum Wandern ein. Der rund acht Kilometer lange Geopfad führt nicht nur an der Burg vorbei, sondern verbindet weitere Anlaufpunkte wie Steinbruch und Gaußstein. Letzterer wurde vor fast 200 Jahren von Mathematiker Carl Friedrich Gauß als Vermessungspfeiler errichtet.

Info-Tafeln und virtuelle Tour

Doch zurück zur Burg. Die lässt sich in Corona-Zeiten zwar nicht per Führung erkunden. Aber sich das Wissen in der Einsamkeit selbst anzulesen, ist auch keine schlechte Option. Der Förderverein der Burg hat nicht nur für gut gestaltete Info-Tafeln gesorgt. Auch per Handy können Besucher an den einzelnen Stationen QR-Codes scannen und so viel Wissenswertes erfahren.

Die Lektion beginnt schon mit dem Aufstieg, der heute nur noch entgegen des Uhrzeigersinns möglich ist, weil Hotel und Restaurant den anderen Weg versperren. Früher allerdings war es andersherum: Eine Sperranlage, eine sogenannte Barbakane, verhinderte den Aufstieg gegen den Uhrzeigersinn. Die Überlegung der Erbauer: Da die meisten Menschen Rechtshänder sind, hätten Angreifer dort mit dem Schild in der linken und dem Schwert in der rechten Hand einen eindeutigen Vorteil gehabt. Durch den entgegengesetzten Aufstieg waren sie gezwungen, Schwert und Schild zu tauschen.

Im Winter zog es an allen Ecken

Interessant auch die Informationen über den Brunnen, dem bei Angriffen ebenfalls eine große Bedeutung zukam. Denn nur nutzbares Trinkwasser garantierte das Überleben der Bewohner im Belagerungsfall. Oft nutzten Angreifer Wurfmaschinen, um das Brunnenwasser mit Fäkalien, Tierkadavern oder gar Leichen getöteter Gegner zu verunreinigen – so die Informationen während der virtuellen Führung.

Doch die Tour erinnert auch daran, dass das Leben auf einer mittelalterlichen Burg insbesondere im Winter alles andere als gemütlich war. Es war kalt, zog durch alle möglichen Ritzen. Es war eng – und es stank nach Schießpulver, Tieren und Exkrementen. Nur die Kemenaten, die mit Feuerstellen ausgestatteten Räume, waren wärmer.

Der Bergfried steht nicht mehr im Original

Von denen sind heute nur noch letzte Mauerfragmente des Kellergeschosses sichtbar. Deutlich präsenter ist da noch der Bergfried, der für das Verteidigungssystem der um 1150 nach Christus erbauten Burg eine wichtige Rolle spielte. Er diente nicht zu Wohnzwecken, sondern als Flucht- und Beobachtungsturm. Allerdings ist der Bau nicht mehr im Original zu sehen. Denn das war baufällig und wurde 1861 niedergelegt. Gut 30 Jahre später begann der Wiederaufbau, 1995 folgte eine Sanierung. In einem Trauzimmer des Bergfrieds können sich Paare seit 2017 trauen lassen – wenn auch nicht derzeit. Ebenfalls nicht zugänglich ist coronabedingt gerade die obere Aussichtsplattform des Turmes.

Aber auch so lohnt sich ein Besuch der Anlage. Interessant für viele Erwachsene und Kinder: der Nachbau einer Blide, einer mittelalterlichen Steinschleuder. Was die größten dieser Konstruktionen einst leisten konnten, erstaunt: Rund 300 bis 400 Kilo schwere Steinkugeln konnten damit über eine Distanz von mehr als 600 Meter fortgeschleudert werden.

Ein Ausflugsziel, das Wissen vermittelt

Wie gut, dass die Zeiten heute andere sind, mag man da mit einem kurzen Blick auf das verliebte Pärchen denken – wenngleich die gegenwärtigen sicher auch nicht einfach sind. Aber: Zumindest gibt es noch Ziele wie diese, die ohne schlechtes Gewissen, aber unter Aneignung neuen Wissens erkundet werden können.