Braunschweig/Bünde. Ende Januar zeigen die Ehrlich Brothers ihre aktuelle Show in der Volkswagen-Halle. Wir haben sie in ihrer Zauberwerkstatt besucht.

Dass Zauberer einen ihrer Tricks verraten, gilt als grober Verstoß gegen die Magier-Ehre. Der „maskierte Magier“ wagte es vor einigen Jahren, auf dem Sender Super-RTL einige Illusionen preiszugeben – groß war die Empörung bei seinen Zauberer-Kollegen.

Entsprechend überrascht waren wir, als die Star-Magier Chris und Andreas Ehrlich unsere Zeitung im Vorfeld ihrer Show am 26. Januar in der Braunschweiger Volkswagen-Halle zu einem Blick hinter die Kulissen ihrer Zauberwerkstatt im nordrhein-westfälischen Bünde einluden. Die beiden Zauberbrüder lassen bei ihren Auftritten Monstertrucks fliegen, verbiegen eine Eisenbahnschiene und zersägen sich vermeintlich selbst.

„Vor und während der Shows ist immer viel Adrenalin im Körper. Es könnte ja jederzeit etwas schief gehen.“
„Vor und während der Shows ist immer viel Adrenalin im Körper. Es könnte ja jederzeit etwas schief gehen.“ © Chris Ehrlich auf die Frage, ob er bei Auftritten noch Lampenfieber hat.

Umso größer war die Neugier, welche Tricks sie uns denn verraten wollen. Hatten sie doch dem amerikanischen Zauberkünstler David Copperfield einst die Anleitung zu einem ihrer Tricks verwehrten. Woher der Sinneswandel? Wir wollen es herausfinden und machen uns auf den Weg nach Bünde.

In dem 50 000-Seelen Ort im Nordosten Nordrhein-Westfalens, zwischen Industriegebiet und Feldmark, liegt die Zauberwerkstatt der beiden Brüder. Drei große Hallen nebeneinander, und davor parken mehrere Lastwagen, von denen uns ihre Gesichter schon von weitem entgegenlächeln.

Tourleiter Kai Kolbe erwartet uns bereits. „Die beiden kommen auch gleich“, vertröstet er uns – sie verspäten sich ein wenig. „Und keine Sorge, die sind auch ganz cool bei Fragen.“ Ganz cool und mit 15-minütiger Verspätung kommen Andreas und Chris schließlich hinter einem Vorhang hervor. Wie für ihre Show sind sie betont lässig angezogen, Leder- und Jeansjacken über den T-Shirts, zerschlissene Jeans, und an den Schuhen heften Nieten. Die Haare, ihre Markenzeichen, sind perfekt gestylt – Andreas trägt sie wie Stacheln nach oben gegelt, Chris’ dunkelblonde Haare mit hellen Strähnen hängen ihm in einem langen Pony quer über das Gesicht. Nicht wie die klassischen Zauberer in Frack und Fliege, mit weißen Handschuhen und langer Gel-Matte unter einem Zylinderhut, sondern eben in einem Look, den man wohl den frühen 2000er-Jahren zuordnen kann, treten die beiden auf.

Zur Begrüßung gibt’s ein Küsschen links und rechts auf die Wange. Nach etwas Smalltalk und mehreren Witzen über den jeweils anderen Bruder führen die beiden schließlich ihre erste Illusion vor: einen simplen Kartentrick.

Andreas legt die vier Könige in eine selbstgebastelte Papierhülle und lässt uns in Gedanken einen davon auswählen. „Ihr habt an den Kreuz-König gedacht“, weissagt er. „Nein, an den Karo-König“, entgegnen wir. Mit den Worten „Ja, das wusste ich doch“ zieht Andreas die vier Karten aus der Hülle, fächert sie vor sich auf dem Tisch auf und zeigt auf die eine Karte, die falsch herum liegt – natürlich ist es ist der Karo-König. Wir sind erstmal baff. Die beiden zeigen den Trick noch zweimal – was in Magier-Kreisen eigentlich auch ein No-Go ist – aber wir kommen nicht dahinter, wie er funktioniert.

Nun also die Erklärung, das bedeutet: ACHTUNG SPOILER! Wenn Sie es nicht erfahren wollen, LESEN SIE DIESEN ABSATZ NICHT WEITER! Die Spielkarten sind manipuliert! Statt vier Königen sind auf zwei Karten überhaupt keine Motive drauf, sondern gewissermaßen zwei Rückseiten abgedruckt. Die beiden übrigen Karten zeigen jeweils zur Hälfte sowohl den Karo- also auch den Herz-König, und eben den Pik- und Kreuz-König zusammen. Wird ein König ausgewählt, dreht Andreas die Karten so zurecht, dass beim Auffächern nur der richtige König sichtbar wird. Der Rest ist – wie üblich – nur Show.

Ob die beiden vor den Shows immer noch aufgeregt sind? „Klar, da ist immer jede Menge Adrenalin im Körper“, meint Chris. Schließlich könne ja auch jederzeit etwas schief gehen. Ist denn schon mal was schief gegangen? „Außer der Frisur von meinem Bruder eigentlich nicht“, stichelt Chris weiter.

Andreas lacht kurz und erzählt dann: „Tatsächlich hat unser Eröffnungstrick in Dresden vor drei Jahren mal nicht ganz so geklappt, wie er sollte. Dabei fährt mein Bruder auf einem Motorrad aus einem überdimensionalen iPad heraus. Damals ist er aber einfach unten aus dem iPad rausgefallen – und das Motorrad auf ihn drauf.“

Chris habe dann die Show mit einem gestauchten Bein weitergeführt. „Aber das war wirklich eine der größeren Pannen. Normalerweise sind es nur so Kleinigkeiten, die sich durch etwas Improvisation wieder ausbügeln lassen“, so Andreas. Das mache die Shows aber immer wieder aufregend.

Mit elf Sattelschleppern reist das Team der Zauberbrüder von Ort zu Ort. Drei bis sechs Stunden dauert der Aufbau der Requisiten – einige wie zum Beispiel der „Todesengel“, mit dem einer der Brüder zersägt wird, sind einige Tonnen schwer. 50 bis 60 Mitarbeiter sind dabei mit an Bord, übernachtet wird in Tourbussen. „Das Ganze läuft vier Tage und acht Shows am Stück so, dann brauchen wir ein paar Tage Pause, bevor es weiter geht“, berichtet Tourleiter Kolbe.

Wenn man geschätzt 300 Tage im Jahr mit ein und demselben Menschen auf engsten Raum verbringt, geht man sich da nicht auch mal tierisch auf die Nerven? „Doch! Das ist ja auch klar“, sagt Andreas. „Es gibt halt Situationen, wo jeder seinen Dickkopf durchsetzen will. So ein bis zweimal im Jahr knallt es da schon mal zwischen uns. Das ist wie in einer Beziehung.“

Seit 14 Jahren zaubern die beiden schon zusammen, mit vier großen Shows waren sie bereits auf Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die aktuelle Tour „Faszination“ haben sie bis Juni 2019 verlängert. „In ‚Faszination‘ haben wir auch viele persönliche Geschichten in unsere Illusionen einfließen lassen“, schildert Andreas. Ein Trick etwa sei in Andenken an ihren verstorbenen Vater entstanden. „Dabei formen wir aus Draht den Schriftzug Danke, und dieser verformt sich dann zu einem Herz“, so Chris. „Das war uns eine Herzensangelegenheit.“ Plötzlich wirken die beiden gar nicht mehr so aufgekratzt und comedyhaft wie in einer ihrer Shows, sondern antworten tatsächlich ehrlich und nachdenklich. „Unser Vater hat immer an uns geglaubt, und er war es auch, der uns davon abgeraten hat, David Copperfield einen unsere Tricks zu verraten“, erzählt Andreas. „Also haben wir es nicht gemacht. Aber unseren großen Durchbruch danach konnte er nicht mehr miterleben.“ Einen ganz kurzen Moment ist es still.

Dann erzählen die beiden weiter von ihrer Show. Einer der Höhepunkte soll die Illusion mit dem Todesengel sein. Dieser steht bedrohlich in einer Ecke der Halle, die große Kreissäge ragt fast über die Eingangstür. Ist das Sägeblatt wirklich echt? „Echt genug, um meinen Bruder zu zersägen“, lässt Chris sich nicht in die Karten schauen.

Auch sonst bleibt die Trickkiste an diesem Vormittag für uns geschlossen. Der groß angekündigte Blick hinter die Kulissen? Fehlanzeige. Stattdessen werden wir aufgefordert, den Kartentrick doch mal selbst zu versuchen. Und siehe da: Nach zweimal Proben ziehen auch wir den richtigen König aus der Papierhülle. Andreas und Chris sind wieder in ihren Show-Modus gewechselt und versichern uns eine große Magier-Karriere.

Wie gehen die beiden damit um, nun doch gegen die Magier-Ehre verstoßen und eines ihrer Kunststücke – sei es auch nur ein kleiner Kartentrick – verraten zu haben? Andreas grinst und fügt augenzwinkernd hinzu: „Es muss ja Mentoren geben. Damit die Zauberkunst auch in Zukunft weiter ausgeübt werden kann, muss es Magier geben, die ihr Wissen weitergeben. Wir verstehen uns als Botschafter.“ Vielen Zuschauern komme es außerdem gar nicht darauf an, die Geheimnisse hinter den Tricks herauszufinden – „Sie kommen eher, um eine schöne Show zu sehen“, so der ältere der beiden Brüder.

Auf Braunschweig freuen sich die beiden auch schon. Sie sagen: „Die Volkswagen-Halle ist sehr gut geeignet für unseren Aufbau. Früher waren wir in der Stadthalle – aber die ist für die neuen Requisiten einfach zu klein.“