Lebenstedt. Der 12. und 13. Jahrgang der Ludwig-Erhard-Schule analysierten das verbotene Werk mit Medienpädagogen Michael Kleinschmidt im Kultiplex-Kino.

Zwischen 1933 und 1945 produzierte das nationalsozialistische Regime insgesamt 1200 Filme – im Schnitt wurden also rund 100 pro Jahr veröffentlicht. In dieser Zeit war das „Werkzeug Film“ ein wichtiges Medium für die Nationalsozialisten. Neben Unterhaltungsfilmen gab es nämlich auch solche, die die Nazi-Propaganda förderten.

Einer dieser Filme ist „Jud-Süß“. 1940 erschienen, rief dieses Werk mit seiner subtilen Propaganda zum Mord an jüdischen Mitbürgern auf – und sollte Hass gegen das gesamte Judentum schüren. 20 Millionen Mal wurde „Jud Süß“ angesehen. Selbst nach modernen Maßstäben war dies ein riesiger Erfolg für die Nazi-Propagandisten.

Aufgrund des schwierigen Kontexts werden Filme wie „Jud Süß“ heute nur im angemessenen pädagogisch-wissenschaftlichen Rahmen gezeigt – etwa im Zuge eines kinohistorischen Seminars mit entsprechender Einleitung und Einordnung.

So geschehen für Schüler des 12. und 13. Jahrgangs der Salzgitteraner Ludwig-Erhard-Berufsschule: Das Kultiplex-Kino in Lebenstedt stellte seine Räume für eine Vorführung von „Jud Süß“ zur Verfügung. Für den historischen Kontext sorgte Medienpädagoge und Filmkritiker Michael Kleinschmidt: Er informierte die Schüler im Auftrag der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung über die filmischen Mittel, die Regisseur Veit Harlan zur Beeinflussung nutzte – und ordnete den Film entsprechend ein.

Christine Burgdorf, Konrektorin der Ludwig-Erhard-Schule, sah die Veranstaltung als „zum momentanen und kommenden schulischen Kontext des 13. Jahrgangs passend“. Sie meinte: „In den Deutsch-Leistungskursen behandeln wir gerade das Thema Sprache sowie Sprachgebrauch – und das eben auch in der Politik.“ Hier sei besonders das „Framing“ wichtig, also die Art, wie Botschaften mit gleichem Inhalt sich durch die Darstellungsform verändern: „Im Film wird dies mit Musik und Bild noch etwas subtiler gestaltet.“. Dazu sei ein künftiges Thema des 13. Jahrgangs die Filmanalyse – und das Kino-Projekt somit „eine gute Schnittstelle“.

Bei „Jud Süß“ ist gerade dieses „Framing“ relevant, denn der Film basiert auf der historischen Figur Joseph Süß Oppenheimer. Dieser reformierte als Berater des Württemberger Herzogs um 1700 Wirtschafts- und Finanzsysteme und riet ihm zur Zerschlagung der konservativen Landesstände. Diese Reformen schafften viele antijüdische Spannungen und führten nach dem Tod des Herzogs auch zur Hinrichtung Oppenheimers als Sündenbock.

Der Film „Jud Süß“ verwandelt die Geschichte in ein Melodram um zerstörte Liebe – und stellt Oppenheimer (Ferdinand Marian) letztlich als den „ultimativen Feind“ dar. Besonders die Generalisierung weg von der Person zum gesamten Judentum sah und sieht Medienpädagoge Kleinschmidt als gefährlich: „Im Film heißt es, immer wenn von Oppenheimer die Rede ist, ,Der Jude’ – und sein Name ist dort schließlich auch ,Jud Süß’. Hier wird von einer Person als Antagonist auf die Allgemeinheit des Judentums projiziert. Der Film will einen glauben lassen, dass alle Juden so verschlagen sind wie Oppenheimer.“

Ludwig-Erhard-Konrektorin Burgdorf zeigte sich in den ersten Momenten nach der Vorführung verblüfft: „Unglaublich, wie intensiv dieser Film heute noch wirkt – und wie aktiv man sich dieser Beeinflussung entziehen muss.“, sagte sie. „Wir schauen heute mit einem geschulten Auge darauf. Um 1940 war das ja nicht denkbar“.

Fakten zum Film „Jud Süß“:

„Jud Süß“ ist 1940 im Auftrag der NS-Regierung erschienen. Regisseur war Veit Harlan.

Der Film ist von den Alliierten nach Kriegsende auf die Verbotsliste gesetzt worden und seitdem nicht mehr öffentlich erhältlich.

Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung hält alle Rechte am Film und führt ihn unter Vorbehalt vor.

„Jud Süß“ war der einzig wirklich erfolgreiche antisemitische Propagandafilm. Andere Werke wie „Die Rothschilds“ oder „Der ewige Jude“ wurden ihrer schlechten Machart wegen weitaus seltener angeschaut.