Lebenstedt / San Agustín. Steffen Gosewisch hat im Jahr 2000 die Stiftung Viracocha gegründet, die armen Menschen hilft. Aus der Heimat kommt tatkräftige Unterstützung.
„Ein Salzgitteraner will mit seinem Verein eine Volksküche für arme Kinder in Kolumbien aufbauen“, schrieb unsere Zeitung am Samstag, dem 20. Oktober 2001. Dieser „Salzgitteraner“ war Steffen Gosewisch, aufgewachsen in Lebenstedt, der bereits einige Jahre zuvor in dem südamerikanischen Land heimisch geworden war und dort 2000 die gemeinnützige Stiftung Viracocha gegründet hatte.
Heute, beinahe 18 Jahre später, ist der mittlerweile 51-jährige Gosewisch nach wie vor in Kolumbien sesshaft – genauer gesagt in San Agustín, einer etwas über 30.000 Einwohner zählenden Anden-Gemeinde im Südwesten des Landes. Hier hat er seine Frau Lina kennen gelernt, das Paar ist seit nunmehr 20 Jahren verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. „Ich bin genau da, wo ich hingehöre“ sagt Gosewisch mit einem breiten Lächeln.
Tägliches Mittagessen für arme Kinder – aus lokalem Anbau
Diesen Satz nimmt man ihm, der einst als junger Rucksacktourismus nach Kolumbien reiste und dort „einfach nicht mehr weg kam“, sofort ab, wenn er von seinem Leben erzählt. „Was brauchen Kinder zum Leben“ – diese Frage haben sich Steffen und Lina Gosewisch zur Aufgabe gemacht. In ihrem agrarökologischen Bildungszentrum, etwas außerhalb der Kernortschaft von San Agustín, verfolgen die beiden und ihre sechs Mitarbeiter vielschichtige Ziele.
Salzgitteraner leistet in Kolumbien „Hilfe zur Selbsthilfe“
Zum einen bietet die Finca Viracocha, wie der Schulbauernhof inmitten des rund neun Hektar umfassenden Stiftungsareals am Canyon des Flusses (Río) Magdalena heißt, Kindern aus den ärmsten Bevölkerungsschichten der Gegend an sämtlichen Schultagen ein warmes Mittagessen. Der Bedarf ist da: Pro Tag nutzen bis zu 80 junge Kolumbianer das Angebot, viele von ihnen werden direkt nach der Schule mit dem Bus hergebracht. „90 Prozent der Einwohner San Agustíns sind von Armut betroffen“, erklärt Steffen Gosewisch.
Bewusstsein für nachhaltige Ernährung schaffen
Das Essen wird zum Großteil direkt vor Ort angebaut – nach dem Prinzip einer Permakultur, also eines natürlichen Ökosystems ohne Monokulturen. Auf der Finca wachsen an die 100 lokale Obst- und Gemüsepflanzen, die größeren spenden den kleineren Schatten und erhalten sie so. „Unser Speiseplan bietet den Essensgästen die bestmögliche Ernährung“, sagt „Estefan“, wie er von den Menschen vor Ort genannt wird. Er bezeichnet den Viracocha-Speiseplan liebevoll als „Essen für Superhelden“.
Diese Gruppe wurde vor einigen Jahren auch auf junge Mütter mit Säuglingen und alte wie auch behinderte Menschen ausgeweitet – solche, die es in der Gesellschaft häufig schwer haben. Auch sie sollen vom zweiten Aspekt des Programms „Ernährung und Bildung“ profitieren: Der Schaffung eines Bewusstseins für gesunde und nachhaltige Ernährung. Gosewisch nennt diesen Aspekt „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Viracocha Salzgitter sammelt fleißig Spenden
Das achtköpfige Team der Finca, häufig durch Ehrenamtliche aus Deutschland ergänzt, hält sich aus politischen Themen heraus, wird von der kolumbianischen Regierung aber auch nicht finanziell unterstützt. Diese Hilfe kommt insbesondere aus Salzgitter, wo es mit dem eingangs genannten SZ-Artikel begann. Die 18 Mitglieder des 2002 gegründeten Salzgitteraner Viracocha-Ablegers, darunter auch Gosewischs Vater Willi, sind stets fleißig dabei, Spenden zu generieren. Das Kranich-Gymnasium hat zudem beim jüngsten „Vokabel-Marathon“ 1000 Euro für das Projekt gesammelt. „Ohne diese Unterstützung könnten wir unsere Arbeit nicht machen“, betont Sohn Steffen.
Seine Eltern leben mittlerweile mit Schwester Annette in einem Mehrgenerationenhaus bei Bremen, Gosewisch und Frau Lina kommen „alle zwei bis drei Jahre“ nach Deutschland. Dann steht unter anderem ein Besuch in Salzgitter an, wo der Wahl-Kolumbianer „eine tolle Kindheit verbracht“ und seine Elektriker-Lehre in der Hütte absolviert hat.
Ausbildungsprogramm für Jugendliche
Doch zu Hause in San Agustín gibt es genug zu tun: Das Viracocha-Team will ab August Jugendliche zum Fachmann oder -frau in den Bereichen ökologische Landwirtschaft, nachhaltiger Tourismus und intelligente – also sich den natürlichen lokalen Gegebenheiten anpassende – Gastronomie ausbilden. Die ersten Anmeldungen sind bereits da: „Wir wollen den jungen Leuten eine bislang nicht da gewesene Perspektive bieten“, so Gosewisch. Fachkräfte mit solch einer Ausbildung seien stark nachgefragt. Hilfe zur Selbsthilfe, könnte man sagen.
Weitere Infos: www.viracocha-ev.de