Lebenstedt. Ulrike Donat und Holger Strübig vermitteln als Schiedsleute zwischen verfeindeten Parteien. Sie kandidieren für die „Menschen des Jahres“ Salzgitter.

Wenn sich Nachbarn in die Haare kriegen, aus Freunden Feinde werden und aus vormals strahlenden Augen Blitze schießen, dann bitten Schiedsleute wie Ulrike Donat (66) aus Bruchmachtersen und ihr Stellvertreter Holger Strübig (62) aus Lebenstedt zum gemeinsamen Gespräch. Bevor es in solchen Fällen vor Gericht geht, setzen sie sich mit den Streithähnen zusammen, versuchen zu vermitteln und finden im besten Fall einen Kompromiss, der zu Versöhnung statt Zwietracht führt.

Warum dies in 80 Prozent der Fälle gelingt und wann sie einschreiten, erläutern Donat und Strübig im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie sind als ehrenamtliche Schiedspersonen zuständig für den Bezirk 1 in Salzgitter, zu dem Reppner, Lesse, Lichtenberg, Osterlinde, Bruchmachtersen, Salder und Teile Lebenstedts gehören. Und sie sind stellvertretend für ihre Kollegen nominiert für den Titel „Menschen des Jahres“ in Salzgitter.

Dann werden Salzgitters Schiedspersonen eingeschaltet

Ihre Aufgaben sind vielfältig. Schiedspersonen müssen etwa bei Streit, Sachbeschädigungen, Beleidigungen oder Missachtung einer Hausordnung in einem Mietshaus zwischen streitenden Parteien so schlichten, dass der Konflikt gelöst und eine gerichtliche Auseinandersetzung vermieden wird. Das Ehrenamt können Bürger übernehmen, die zwischen 30 und 70 Jahre alt sind und in ihrem Schiedsamtsbezirk wohnen. Sie sollten Autorität besitzen und fähig sein, den Kontrahenten vorurteilsfrei, sachlich und besonnen zu begegnen. Bewerber auf dieses Amt sollten lebenserfahren und kommunikativ sein. Eine juristische Ausbildung ist nicht nötig. Schiedspersonen und ihre Vertreter werden vom Stadtrat für fünf Jahre gewählt. Sie werden geschult und laufend weitergebildet.

Das motiviert Salzgitters Schiedspersonen

Donat ist seit zehn Jahren Schlichter, Strübig seit 2019. Wenn ihre Amtszeit 2025 ausläuft, wollen beide wieder antreten. Beiden ist die Freude an der Arbeit anzumerken. „Wir beide harmonieren in einer Schiedsversammlung – die Schlichtung von Streitereien ist eine Herausforderung, die Freude macht und auch das persönliche Wachstum fördert“, sagt Donat. Es sei ihr „höchster Lohn, wenn der Nachbarschaftsfriede wieder hergestellt ist“, sagt sie. Zumeist gelinge das an einem Tag, manchmal aber auch gar nicht – doch müsse sich erst das Gericht einschalten, sei die Nachbarschaft für immer ruiniert, sagt Strübig.

Was Kreuzworträtsel mit Streitschlichten zu tun hat

Ihn erinnert das Streitschlichten an das Lösen eines Kreuzworträtsels. Denn bei den zumeist etwa zweieinhalbstündigen Gesprächen mit den Kontrahenten gehe es nicht nur darum, die unterschiedlichen Positionen kennenzulernen. Es gelte nachzuhaken, wo die eigentliche Ursache des Hickhacks liege, um so der Zwietracht auf den Grund zu gehen, sagt Strübig: „Man muss einfach nur zuhören können“. Zumeist eskaliere banaler Streit über auswuchernde Äste, Verstopfung der Regenrinnen durch Laub von Nachbars Bäumen, krähende Hähne, Videokameras oder Wasser, das von der Terrasse zum Anwohner hinüberschwappt, weil die eigentlichen Auslöser oft genug Jahre zurückliegen.

Ärger der Streithähne liegt oft lange zurück

Das seien, sagt Donat, oft Ereignisse, die verärgert haben, aber nie angesprochen wurden, Unmut, der sich durch Unterstellungen und Missverständnisse in tiefe Abneigung auswächst und am Ende bei banalem Anlass in einem schier unlösbaren Konflikt endet. Werde das ausgesprochen, komme ein Kompromissvorschlag oft von den Streithähnen selbst – und das sei nachhaltig, sagt Donat. Am Ende gebe es einen Einigungsvertrag, der rechtsverbindlich sei.

Die Erkenntnis der Schlichter ist simpel: Wer in Zeiten zunehmender Isolation, Rechthaberei und Ich-Bezogenheit gleich miteinander rede statt erst Polizei oder Anwalt einzuschalten, vermeide den Konflikt und am Ende den Gang vors Gericht. Der koste viel Zeit und Geld und gehe oft unwägbar aus.