Lebenstedt. Wir durften eine Pflegerin begleiten. Patientenpflege im strengen Zeittakt. Mit einer Springerin auf Hausbesuch.

Der Pflegedienst Köhler mit einem seiner Sitze in Salzgitter-Lebenstedt versorgt nach eigenen Angaben etwa 730 Menschen, und das nur ambulant. Hinzu kommen die Kurzzeitpflege mit 281 Patienten in einem Jahr sowie die Tagespflege mit 363 Menschen. Die Salzgitter Zeitung durfte einen Blick in den Alltag der ambulanten Pflege werfen. Zugegebenermaßen eine kurze Momentaufnahme, die letztlich an der Oberfläche bleibt, allerdings eine Ahnung von dem zulässt, was ambulante Pflege bedeutet.

Unsere Reise beginnt bei Sebastian Köhler, dem jungen Geschäftsführer des Pflegedienstes. Zeitdruck, Personalmangel, diese Themen sind Alltag. 56 Mitarbeitende zählt der ambulante Dienst, darunter 19 Pflegefachkräfte, 15 Pflegehilfskräfte und 18 Alltagsbegleitungen. Die Differenzierung ist wichtig, denn Pflege reicht von medizinischer Versorgung bis hin zu Hilfen im Alltag, etwa der Hauswirtschaft. Der sogenannte Pflegegrad entscheidet, in welchem Umfang Patienten welche Leistungen in Anspruch nehmen können.

Pflege ist für die meisten kein Lieblingsberuf

Pflege, das ist für die Mehrheit der Menschen kein Lieblingsberuf. „Es ist unheimlich schwierig, gutes und motiviertes Personal zu finden“, so Köhler. Dabei ist sein Personal offenbar recht gut gestellt: Zusatzversicherungen für die Zähne oder betriebliche Rente etwa – Kannleistungen, die durchaus überzeugen. Die Kampagne, gut ausgebildetes Personal aus dem Ausland sozusagen die Lücken füllen zu lassen, ist aus seiner Sicht nicht die alleinige Lösung des Problems, ganz unabhängig von der Ausbildung: „In der ambulanten Pflege braucht es Interaktion und Kommunikation mit den Menschen. Da haben wir keine Übersetzer“, erklärt er ein Problem, nämlich die Sprachbarriere.

Schwester Tanja Roßmann reinigt eine Wunde am Unterschenkel - Wasser tritt aus den Beinen aus, das verursacht schmerzhafte Wunden, die nicht heilen wollen.
Schwester Tanja Roßmann reinigt eine Wunde am Unterschenkel - Wasser tritt aus den Beinen aus, das verursacht schmerzhafte Wunden, die nicht heilen wollen. © FMN | Erik Beyen

Wir sind mit Tanja Roßmann verabredet. Die 41 Jahre alte gelernte Krankenpflegerin ist seit 2001 in dem Beruf unterwegs. „Für mich gab es noch nie etwas anderes“, sagt sie. Um 6 Uhr beginnt ihr Dienst, an dessen Ende gut 80 Kilometer mehr auf der Anzeige des Autos stehen und sie bis zu 30 Menschen versorgt hat. Ihre Nächste Station ist Engelnstedt.

Zwei Klientinnen wird Tanja dort versorgen. Eine ist Johannah H. (89/Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt). Die Dame hat Wunden am Rücken und am Bein. „Ich arbeite hauptsächlich in der Behandlungspflege, führe aus, was ärztlich verordnet ist“, erklärt Tanja Roßmann. 21 Minuten gibt der Dienstplan auf ihrem Mobiltelefon für die Versorgung der Wunden vor, Smalltalk inklusive. „Die Zeiten errechnet der Computer“, so Roßmann.

Seit sieben Jahren kommt der Pflegedienst zweimal pro Woche zu den H‘s. „Das läuft wunderbar“, sagt die alte Dame. Aus ihrem Bein tritt Wasser aus. Das ist schmerzhaft. „Ulcus cruris“ ist der Fachbegriff – offenes Bein. Jeder Handgriff sitzt. Dann dokumentiert Tanja, was sie zu welcher Uhrzeit getan hat, in einer Patientenmappe. Die liegt immer vor Ort, damit auch Kolleginnen, Kollegen oder auch Ärzte die Behandlung nachvollziehen können, und H. erzählt aus 89 Jahren Lebenserfahrung.

Der Fuß der Patientin will nicht heilen – da muss Schwester Tanja mit größter Sorgfalt arbeiten
Der Fuß der Patientin will nicht heilen – da muss Schwester Tanja mit größter Sorgfalt arbeiten © FMN | Erik Beyen

Diesmal schöpft Tanja das Zeitkontingent nicht ganz aus. Zur nächsten Station ist es ein Katzensprung. Auch dort gilt es, eine schmerzhafte, chronische Wunde zu versorgen, diesmal am Fuß. Die Dame wartet bereits. „Oft sind wir die Einzigen am Tag, mit denen die Menschen Kontakt haben“, sagt Tanja Roßmann auf dem Weg. Pflege als Tageshöhepunkt.

Die Krankenschwester bekleidet eine Springerposition, kennt alle Touren und Patienten. Zeitdruck, Schicksale – Tanja macht all das aus Leidenschaft. Abschütteln? „Nein, geht nicht. Es gibt Tage, an denen mir das nichts ausmacht. An anderen spreche ich mit meinem Mann“, sagt sie.

Tanja arbeitet auch an Wochenenden und Feiertagen. „Damals habe ich mich bewusst dafür entschieden, da war ich 20“, blickt sie zurück, „ich hatte keine Kinder, nichts, mir war relativ egal, ob ich Weihnachten oder Silvester arbeite.“ Heute hat sie zwei Kinder, ihr Mann ist an Wochenenden und Feiertagen da, sie eher nicht. Trotzdem: „Ich glaube, ich würde mich noch einmal so entscheiden. Pflege ist nicht einfach nur ein Job.“ Leidenschaft trotz Leidens.

In Engelnstedt steigen wir nach dem Besuch bei der zweiten Patientin um zu Tatjana Nause. Sie ist überzeugte Pflegehilfskraft: Waschen, Inkontinenzversorgung, körperliche Schwerstarbeit am Menschen. – Doch das ist eine andere Geschichte, die wir ein andermal erzählen.