Salzgitter. Nicole Jeanne K. und ihr Mann Mario aus Salzgitter schenken einem fremden Kind ein Zuhause. Sie erzählen, was sie motiviert.

Sie ist Influencerin, Ehefrau und Mama für ihr leibliches und für ihr damals noch fremdes Kind: Nicole Jeanne K. (28) ist gemeinsam mit ihrem Mann Mario aus Salzgitter eine Erziehungsstelle. Im Dezember 2019 haben sie sich dafür entschieden, einem fremden Kind ein Zuhause zu schenken.

„Bis wir letztendlich eine Erziehungsstelle sein konnten, hat es fast ein Jahr gedauert“, erinnert sich die Influencerin, die Sozialpädagogik und Erziehungswissenschaften studiert hat. Ihr Plan war ursprünglich ein ganz anderer: „Ich wollte eigentlich in einem Kinderheim arbeiten. Mir wurde aber schnell klar, dass das nichts für mich ist“, sagt sie. Und weiter: „Man sieht ganz viel Leid und man sieht, dass ein Kinderheim einem Kind in den meisten Fällen nicht das geben kann, was es braucht. Ein Kind braucht ein familiäres Umfeld.“ Durch Bekannte habe sie schließlich von der Möglichkeit, eine Erziehungsstelle zu sein, erfahren. Was genau bedeutet das?

Erziehungsstelle in Salzgitter: Was ist das?

Als Erziehungsstelle oder auch Zweit-Familie genannt, bietet man maximal zwei „fremden“ Kindern Geborgenheit und Sicherheit eines intakten Zuhauses. Die betroffenen Kinder kommen meist aus problematischen familiären Verhältnissen. Meist werden die Stellen über Träger wie Elisabethstift – Jugendhilfe der Diakonie in Salzgitter – vermittelt. Für eine Zusammenarbeit mit diesem Träger haben sich auch Nicole Jeanne und Mario entschieden. „Bevor wir selbst Eltern geworden sind, wollten wir einem Kind, das in Not ist, helfen“, sagt sie.

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Nicole Jeanne K. und ihr Ehemann Mario sind eine Erziehungsstelle.
Nicole Jeanne K. und ihr Ehemann Mario sind eine Erziehungsstelle. © Privat

Das müssen Familien, die eine Erziehungsstelle betreiben wollen, erfüllen

Familien, die eine Erziehungsstelle betreiben wollen, müssen bestimmte Auflagen erfüllen. Unter anderem muss mindestens eine Person eine pädagogische Ausbildung absolviert haben. „Diese Professionalisierung muss vorhanden sein, damit man eine Erziehungsstelle eröffnen kann“, weiß Florian Kurch, Abteilungsleiter für den Bereich Erziehungsstellen im Elisabethstift. Das Elisabethstift habe das Ehepaar über mehrere Monate kennengelernt und begleitet, erklärt Nicole Jeanne K.. Das Jugendamt beispielsweise habe sich die Räumlichkeiten angeguckt und geprüft, ob die Wohnung oder das Haus die entsprechenden Auflagen erfüllt.

Der Vorteil einer Erziehungsstelle – im Vergleich etwa zu Wohngruppenverhältnissen – ist laut Florian Kurch die familienanaloge Wohnform. „Wir haben eine permanente Betreuung von ein oder zwei Bezugspersonen.“ Es gebe keinen Betreuerwechsel, der Beziehungsaufbau sei zudem intensiver. Das Kind sei viel mehr integriert, so sei die Perspektive relativ hoch, dass die Kinder und Jugendlichen später eigenständig heranwachsen und ein eigenständiges Leben führen. „Die Konstanz der Betreuung, intensive Fachberatung auch durch uns als Begleitung zu haben, sichert häufig eine gute Perspektive, trotz sehr schwieriger Verhältnisse in der Familiengeschichte im Vorlauf.“

Influencerin ist seit zwei Jahren eine Erziehungsstelle in Salzgitter

Nun ist Maria (Name von der Redaktion geändert) bereits seit zwei Jahren Teil der Familie. Zwei Jahre, in denen immer die Möglichkeit bestand, dass der kleine Sonnenschein, wie Nicole Jeanne K. sie liebevoll nennt – zurück in ihre leibliche Familie kommt – sofern diese gewisse Auflagen erfüllt. „Wenn in den ersten zwei Jahren nichts passiert in Richtung Rückführung zu der Herkunftsfamilie, dann sagt man eigentlich, dass es bei einer dauerhaften Unterbringung bleibt.“

Zwei Jahre, in der die Kleine dem Ehepaar so ans Herz gewachsen ist, dass es nicht zweimal überlegen müsste, das Kind zu adoptieren. Doch beim Thema Adoption haben auch immer noch die leiblichen Eltern, zu denen Maria regelmäßig Kontakt hat, ein Mitspracherecht.

Auf Instagram nimmt Nicole Jeanne K. ihre mittlerweile über 68.000 Fans mit durch den familiären Alltag als Erziehungsstelle.
Auf Instagram nimmt Nicole Jeanne K. ihre mittlerweile über 68.000 Fans mit durch den familiären Alltag als Erziehungsstelle. © Privat

Das ist das Ziel einer Erziehungsstelle

Zu einer Erziehungsstelle gehört auch der regelmäßige Kontakt zum Vormund. Sollte Maria beispielsweise operiert werden müssen, treffen die Entscheidungen nicht Nicole und Mario, sondern ein Vormund. Dieser ist es auch, der beispielsweise wissen muss, wo die Familie Urlaub macht.

Erfahrung als Erziehungsstelle hat auch Michael Husen, Geschäftsführer vom Sozialpädagogischen Familienverbund, Erziehungsstellenträger aus Braunschweig: „Diese Stellen sind eine ganz tolle Jugendhilfeform mit hohen Chancen, sehr wirksam zu sein.“ Trotzdem sei es wichtig zu schauen, dass die richtigen Familien auf die richtigen Kinder treffen. „Eine Erziehungsstelle braucht auch regelmäßige Beratung.“

Das grundsätzliche Ziel einer Erziehungsstelle ist laut Husen, dass die Kinder zurück zu den leiblichen Familien gehen, weil die Eltern beispielsweise eine Therapie gemacht haben und in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern. Oft sei eine Rückführung nicht möglich, sodass die Kinder in ihren Erziehungsstellen bleiben.

Nicole Jeanne und Mario werden Maria weiterhin in ihrer Familie haben

Mittlerweile wurde den Salzgitteranern laut Nicole Jeanne K. zugesichert, dass Maria bei ihnen bleiben darf. „Wir sind sehr erleichtert. Es würde das Kind zerstören, wenn es jetzt wieder aus allem rausgerissen wird“, ist sie überzeugt. „Wir wären auch total unglücklich. Schließlich liebt man das Kind als wäre es das eigene.“ Trotzdem wird der Kontakt zu den leiblichen Eltern aufrechterhalten. Einmal im Monat sieht Maria gemeinsam mit dem Jugendamt ihre Mutter und ihren Vater – jeweils für eine Stunde.

Nicole Jeanne K. und Mario haben sich entschieden, Maria ein Zuhause zu schenken. Im Gegenzug bekommt Nicole Jeanne K. ein halbes Sozialpädagogen-Gehalt. Für sie ist es allerdings viel mehr als nur ein Job. Sie ist mittlerweile auch Mama einer leiblichen Tochter und mit ihrem ganzen Herzen dabei. „Mit meiner Liebe und Fürsorge kann ich ein komplettes Leben zum Positiven verändern“, sagt sie. Das zeigt sie auch auf Instagram.

Die Salzgitteranerin Nicole Jeanne erreicht auf Instagram über 68.000 Menschen und klärt auf

Mit ihrem Account „nicole_jeannee“ erreicht sie mittlerweile über 68.000 Nutzerinnen und Nutzer und möchte auf die Thematik Erziehungsstelle besonders aufmerksam machen: „Die Not ist so groß, es werden so viele Leute gesucht. Trotzdem ist es schwierig, auf Instagram jemanden damit zu erreichen. Viele sind auf dieses Oberflächliche bedacht.“ Bei der Aufklärung achte sie dennoch darauf, die Privatsphäre des Kindes zu schützen.

Sich im Leben nur auf Instagram zu fokussieren, kam für die 28-Jährige irgendwann nicht mehr in Frage. Schließlich erfülle diese Plattform nicht den Sinn ihres Lebens. „Mir ist nach einigen Jahren klar geworden, dass mich das nicht erfüllt und es falsche Ideale sind, um es als Hauptfokus im Leben zu haben.“ Das Kind habe ihr auch geholfen, aus ihrer eigenen Instagram-Bubble herauszukommen und sich darauf zu fokussieren, was wichtig sei. Und das weiß sie heute mehr denn je: „Wir wollen mehreren Kindern ein Zuhause schenken. Deswegen bauen wir auch das große Haus“, berichtet Nicole Jeanne K. auf Instagram.

Um noch mehr Kindern ein Zuhause schenken zu können, baut das Ehepaar nun ein Haus in Salzgitter.
Um noch mehr Kindern ein Zuhause schenken zu können, baut das Ehepaar nun ein Haus in Salzgitter. © Privat | Privat

Wer sich für eine Erziehungsstelle motiviert, kann sich bei Florian Kurch unter 0151-56329094 oder per Mail an f.kurch@elisabethstift.de melden. Im ersten Kontakt wird dann geschaut, welche Voraussetzungen erfüllt werden.