Salzgitter. Die duale Berufsausbildung steht vor Herausfoderungen: Dazu hat die Auszubildendenvertretung der Salzgitter Flachstahl AG ein Papier erarbeitet.

Angesichts der Pandemie steht auch die duale Berufsausbildung vor großen Herausforderungen, Auszubildende und dual Studierende im ungewohnten „Homeschooling“ fachlich zu qualifizieren und auf die Prüfungen vorzubereiten, heißt es in einer Mitteilung der Industriegewerkschaft (IG) Metall. Auf aktuelle Problemstellungen habe die „Konzern Jugend- und Auszubildenden-Vertretung“ (KJAV) der Salzgitter AG in einem Positionspapier hingewiesen. So sei auf die schwierige Situation in den jeweiligen Kammerbezirken der Industrie- und Handelskammer und Handwerkskammer (IHK/HWK) spät oder gar nicht reagiert worden, um die Teilabschlussprüfungen und Zwischenprüfungen im Frühjahr zusätzlich vorzubereiten und der Ausnahmesituation in der Durchführung Rechnung zu tragen, heißt es.

„Verunsicherung und Druck hoch“

„Vielleicht sind viele Auszubildende und Studierende in ihren Prüfungen im März noch mit einem blauen Auge davongekommen“, wird Jill Höwing, JAV-Vorsitzende der Salzgitter Flachstahl, zitiert. „Die Verunsicherung und der Druck waren im Vorfeld bei den Jugendlichen extrem hoch und belastend. Hier hätten die Kammern und die Berufsschulen früher Hilfestellungen organisieren müssen.“

Schließlich habe es in den Berufsschulen 2020 massiven Unterrichtsausfall gegeben, was zu Lücken im Theorieunterricht geführt habe. Diese müssten oftmals durch Selbstlektüre gefüllt werden. „Die meisten Azubis aus dem ersten und zweiten Ausbildungsjahr haben einen großen Teil ihrer Ausbildung nicht in Berufsschule und Betrieb verbracht. Selbstverständlich entstehen hier strukturelle Defizite, wenn die persönliche Bindung und Begleitung durch Ausbildungspersonal, Lehrkräfte und die Belegschaft wegfallen“, meint Yunus Emre Karaca, JAV-Vorsitzender der Peiner Träger GmbH.

Viele Lehrkräfte für Lehren am Bildschirm nicht ausgebildet

Zudem hänge die Qualität des Fernunterrichts der Berufsschule stark von pädagogisch-didaktischen Kenntnissen und technischer Ausstattung der Lehrkräfte ab. Die meisten seien für das „Lehren über den Bildschirm“ nicht ausgebildet. Unterschiede zeigten sich auch in der betrieblichen Praxis. Auch hier seien Lehrgänge ausgefallen oder im Umfang reduziert worden. Bei Quarantäne-Fällen sei das Ausbildungspersonal teils wochenlang nicht erreichbar gewesen.

„Unsere betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder haben vorbildlich versucht, die Wissenslücken aus der Berufsschule und Abwesenheit im Betrieb mit einer engen Begleitung auszugleichen. Aber auch sie stoßen an ihre Grenzen, wenn ihre Auszubildenden teils wochenlang nicht im Betrieb waren“, wird Maurice Jordan, Jugend- und Auszubildendenvertreter von der KHS GmbH Dortmund, zitiert. Die IHK/HWK hätten, so der Vorwurf, zusätzliche (Online-) Kurse, Videos oder Foren anbieten und alte Prüfungen mit Erläuterungen von Lösungswegen zur Verfügung stellen sollen. Dabei sollten Prüfungsvorbereitung und -durchführung in kleineren Gruppen stattfinden, verteilt auf mehrere Termine.

Schnelltests sollten vor Prüfungen stattfinden

„Solange eine Durchführung rechtlich und sicher möglich ist, sollte Präsenzunterricht unter Schutzmaßnahmen abgesichert sein. Vor den praktischen Prüfungen sollten Schnelltests durchgeführt werden“, so Tim André Trittel, Jugendvertreter der Mannesmann Precision Tubes GmbH aus Hamm.

In dem Positionspapier fordert die KJAV zudem von den Kammern, dass bei Theorieprüfungen eine halbe Stunde mehr Zeit eingeräumt werden sollte und auch die Pausenzeiten zum Lüften und Luft holen ausgedehnt werden sollten. Außerdem sollten für definierte Corona-Jahrgänge die Auswahlmöglichkeiten für gebundene Fragen erhöht werden, um den Ausfall von Lerninhalten durch mehr Wahlfreiheit zu begegnen.

Perspektivisch müssten Schul- und Ausbildungspersonal fachlich-didaktisch auf das „Distanzlernen“ geschult und technisch bestmöglich ausgestattet werden. Auch für ihre Berufsanfänger fordert die KJAV mobile Endgeräte mit der notwendigen Software.