San Sebastian de la Gomera. Die zweitkleinste Kanareninsel hat wenig Strände, doch sie ist ideal für Aktivurlauber.

Be-laubte Wälder, Wärme, Licht und blauer Himmel – für mitteleuropäische Wintermonate der schiere Luxus – sind auf La Gomera gang und gäbe. Auf der nach El Hierro zweitkleinsten Kanareninsel (373 Quadratkilometer, 22 000 Einwohner) herrschen das ganze Jahr über frühlingshafte Temperaturen. Vor allem Aktivurlauber sind hier richtig, denn selbst die größeren Strände wie Playa de Santiago und de La Cueva sind ziemlich überschaubar. Dafür wartet in den Bergen ein besonderer Ort: der immergrüne Nebelwald von Garajonay – geheimnisvoll und bezaubernd.

Wie durch ein unsichtbares Tor betritt der Wanderer das Reich der Hexenbäume. Sonnenschein und Vogelstimmen bleiben hinter ihm. Die Nebelwand, die jeden Laut zu schlucken scheint, umschließt ihn, dazu ein Gewirr aus knorrigen und krummen Stämmen, Ästen, Zweigen, Wurzeln. Die meisten sind so dicht von Moos überwuchert, dass man meinen könnte, es sei Fell. Dazwischen schießen braune, gelbe oder weiße Pilze wie Beulen aus dem Pflanzenpelz.

Wo kein Platz mehr auf dem Holz ist, hängen lange, wilde Zotteln – Flechten, Luftwurzeln, grün bis silberweiß und manchmal meterlang. Gänsedisteln mit sonnengelben Blüten und leuchtend grünen Blätter, die an Löwenzahn erinnern, sorgen für farbenfrohe Tupfer. Es duftet herb nach Lorbeerwald.„Mit Echtem Lorbeer, allgemein bekannt als Zutat für Suppen oder Siegerkränze, sind diese aromatischen Pflanzen jedoch nur verwandt“, sagt Gordo Wenck. Der gebürtige Schwabe, seit mehr als 30 Jahren Wahlkanare, liebt La Gomera, weil es bis auf wenige Orte so still und ursprünglich ist. Gern zeigt er Gästen bei Wanderungen seine Insel.

„Lorbeerwälder bedeckten früher weite Teile des europäischen Kontinents. Von der Eiszeit, die sie vernichtete, blieben die Kanaren verschont. Sie waren nie mit dem Festland verbunden“, erzählt der gelernte Landschaftsgärtner. Immer wieder greift er beim Laufen ringsum in das Dickicht und erklärt die Artenvielfalt. Allein vier endemische Spezies aus der Familie der Lorbeergewächse existieren auf dem Archipel bis heute. Ihr Bestand auf La Gomera ist das Kernstück des Nationalparks Garajonay, der mit knapp 4000 Hektar Teile aller sechs Gemeinden und insgesamt ein Zehntel der Inseloberfläche einnimmt.

Der Wald gibt nun öfter den Blick auf den Ozean frei. Dort unten wartet mit „Los Organos“, einer mächtigen Felsformation, ein weiteres Inselhighlight. Regelmäßig werden bei Bootstouren Delfine und Wale gesichtet. Der Horizont ist eingerahmt von Bergen, zwischen ihnen liegen tiefe Schluchten. „Um sich über sie hinweg verständigen zu können, schufen die Ureinwohner La Gomeras die weit hörbare Pfeifsprache Silbo“, berichtet Gordo. Nicht zuletzt, weil das klangvolle Kommunikationssystem wieder an Schulen gelehrt werde, schätzt man die Zahl der „Silbadores“ heute wieder auf über 20 000.