Katima Mulilo. Der Caprivi-Streifen gehört bei den Rundtouren in Afrika zu den Höhepunkten – mit Elefanten, die durch Lodges laufen.

Das Boot taumelt und schwankt. Riesige Wellen erfassen seinen Bug. Aber statt uns um das Auf und Ab zu kümmern, thronen wir auf dem Oberdeck und blicken gebannt auf das Geschehen vor uns. Nur 15 Meter von uns entfernt zieht eine Elefantenherde durch den Fluss.

Die mächtigen Leiber stehen bis zu den Ohren im Wasser, die Rüssel ragen heraus wie Antennen. Etwa zehn Tiere sind es, die den Linyanti-Fluss zwischen Namibia und Botswana quasi im Tauchgang durchqueren. Auch einige Jungtiere sind zu sehen: Sie verschluckt der Fluss fast ganz. Noch einmal taxiert uns eine der Mütter mit mürrischen Blicken, dann verschwindet die Herde auf verschlungenen Pfaden im grünen Labyrinth der Linyanti-Sümpfe. Wer eine solche Szene einmal gesehen hat, der wird sie nicht vergessen.

Nirgendwo sonst in Namibia kommt man wilden Tieren in einem solch ursprünglichen Ambiente so nah wie im Caprivi-Streifen. Aus dem einst abgelegensten Teil Namibias ist so etwas wie eine Boomregion geworden. Kaum eine organisierte Rundreise ohne Namibias subtropischen Norden, kaum eine Selbstfahrertour, ohne nicht wenigstens ein paar Tage im Flusssystem zwischen Okavango, Kwando, Linyanti und Chobe zu verbringen.

Seinen Namen hat der Caprivi-Streifen aus der Kolonialzeit: Der deutsche Reichskanzler Leo Graf von Caprivi tauschte Namibias Nordostzipfel 1890 im Rahmen des Helgoland-Sansibar-Vertrages mit dem Vereinigten Königreich gegen die deutschen Ansprüche auf Sansibar ein, um einen Zugang zu den deutschen Kolonien in Ostafrika zu erhalten.

Vollendet wurde der Zugang nie, 1914 wurden die Deutschen aus Namibia vertrieben. Dafür hat Namibia mit der Zambezi-Region, wie Caprivi heute offiziell heißt, sein Stück an den Tropen.

Es sind Typen wie Dusty Rogers, die das Schicksal der Region mitbestimmen. Der Südafrikaner kam in den 90er-Jahren als Flugschüler nach Caprivi und wusste: Hier will ich bleiben. Eine Handvoll Lodges baute er seitdem auf, 2014 eröffnete er die spektakuläre Nambwa Tented Lodge. Sein jüngster Coup: die im 2017 eröffnete Kazile Island Lodge.

Das Camp kauert sich auf eine Waldinsel im Schwemmgebiet des Kwando-Flusses, darum herum nichts als Grün. Es ist ausschließlich per Boot zu erreichen. Die zehn Zelte beherbergen bis zu 20 Gäste. Hinter den Wänden aus lindgrünem Zeltstoff stimmt jedes Detail: die blütenweißen Bettlaken, die plüschigen Kopfkissen, der Blick ins Grün. Und von wegen wild: Die Lodge ist nicht eingezäunt. Elefanten, Antilopen und Flusspferde laufen mitten durch das Camp. Genau das macht den Caprivi-Streifen aus: die Nähe zur Natur. Caprivi ist die einzige Region Namibias, die fast ausschließlich in den Tropen liegt. In der Regenzeit stehen große Teile der Landschaft unter Wasser. Mehrere ganzjährig wasserführende Flüsse wie der Okavango, der Linyanti, der Kwando und Nebenarme des Sambesi machen das Relikt aus der Kolonialzeit zu einer wildreichen Region. Hier leben 400 Vogelarten, Rote Letschwe-Antilopen, Riedböcke, Sitatunga-Antilopen, Elefanten, Büffel, Löwen und Hyänen.

Beinahe jede Safari beginnt am Bootssteg. Als wir am Nachmittag mit dem Elektroboot von Kazile Island aufbrechen, zeigt sich der Bwabwata-Nationalpark als Märchenlandschaft aus spiegelnden Flutebenen und Sümpfen. Einsam schlängelt sich das Boot über die Seitenarme des Kwando. Es ist ein Flickenteppich aus Papyrus, Gras und Schilf, dazwischen Bauminseln. Wir beobachten Elefantenherden von biblischer Größe. Krokodile dösen im Sand. Im Wasser prusten Flusspferde. Vor einer Gruppe hat unser Guide solchen Respekt, dass er lange anhält, bevor er die Tiere passiert. Das vorsichtige Verhalten ist auch ökologisch begründet. „Sie sollen uns als Freunde in Erinnerung behalten.“ Denn der Gewöhnungsprozess an die regelmäßige Begegnung zwischen Tier und Mensch beginnt an vielen Orten in Caprivi gerade erst.

Die Wanderrouten sollen wiederhergestellt werden

Für einen wie Dusty Rogers ist Nachhaltigkeit kein Lippenbekenntnis. Beim Bau der Lodge wurden nur Mitglieder der lokalen Volksgruppen Mafwe und Mbukushu angestellt. Seit sie in Betrieb ist, arbeiten hier 18 Einheimische. „Einen funktionierenden Tourismus kann es nur geben, wenn die lokale Bevölkerung davon profitiert“, sagt Rogers. Bislang galt Caprivi als eine der ärmsten Regionen Namibias. Seit der Caprivi-Streifen Teil der fünf Länder umfassenden Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area (KAZA) ist, eines der größten Naturschutzgebiete der Erde, ist Besserung in Sicht. Ziel ist es, die alten Wanderrouten der Tiere wiederherzustellen und die Armut in der Region zu mindern. Noch machen sich die Fortschritte indes nur langsam bemerkbar.

Immerhin macht die Gründung von KAZA immer mehr Touristen neugierig. Und das zieht neue Unterkünfte mit sich. Zu den Neuzuwächsen zählen das Chobe River Camp, ehemals Camp Chobe. Die komplett renovierte Lodge mit seinen 20 Zelt-Chalets gehört seit Februar 2017 zur Gondwana Collection und liegt versteckt unter Mopane-Bäumen nur wenige Kilometer vom Ngoma-Grenzposten zu Botswana am Chobe-Fluss. Ebenfalls zur Gondwana Collection zählt die 2014 eröffnete Namushaha River Lodge. Idyllisch schmiegen sich die 24 Bungalowzimmer ins Grün. Die Terrasse erhebt sich hoch über den Kwando-Fluss. Ein Traum in Grün ist auch die nahe Nkasa Lupala Tented Lodge der italienischen Familie Micheletti mit ihren zehn Luxuszelten. Sie liegt in der Wuparo Conservancy und ist die erste in der Region des Nkasa Rupara Nationalparks.

Wann immer man derzeit jemanden in Caprivi anspricht – das Wort Boom bleibt nicht aus. Und das hätte Leo Graf von Caprivi erstaunt: Durch den heute geteerten und 500 Kilometer langen Trans-Caprivi-Highway hat sich Katima Mulilo, das einstige Tropenkaff im Vierländereck zwischen Sambia, Simbabwe, Botswana und Namibia, zu einer Stadt mit 30 000 Einwohnern entwickelt. Sie ist Ausgangspunkt für Touren in den Caprivi, ins nahe Botswana und zu den Victoria-Fällen in Simbabwe und Zentrum der lokalen Wirtschaft. Leider auch mit Nachteilen: Bei unserer Fahrt durch den Bwabwata-Nationalpark finden wir an der B 8 einen toten Afrikanischen Wildhund. Ein Lastwagen muss das Tier in den Morgenstunden erfasst haben – einen der seltensten Jäger Afrikas.