Den Burg. Die niederländische Insel Texel gilt als ausgesprochen hundefreundlich. Sie ist insbesondere jetzt in der ruhigeren Nebensaison attraktiv.

Schon der Weg vom Örtchen De Koog hinunter zum Strand ist das reinste Vergnügen. Jedenfalls für Hündin Frieda. Denn die Dünen, die hügelig vor dem Strand von Texel, der größten der Westfriesischen Inseln liegen, sind von unzähligen Gängen durchlöchert. Zwischen dem Strandhafer, der hier üppig wächst, taucht ein Paar Kaninchenohren auf, dann noch eins und schließlich immer mehr. Ein Wildkaninchen hoppelt herbei und bleibt aufreizend frech auf dem Weg sitzen. Spätestens jetzt gerät Labrador Frieda aus dem Häuschen und versucht, sich anzuschleichen. Doch die Tiere, die hier zu Tausenden leben, sind viel zu gewieft für sie. Schließlich gilt Texel als ausgesprochen hundefreundlich – entsprechend gut kennen sich die Wildkaninchen mit dem Verhalten der vierbeinigen Urlauber aus.

Als wir endlich über die letzte Düne gelaufen sind, liegt vor uns ein riesiger Strandabschnitt mit feinstem, hellem Sand – es ist die Westseite der Insel, die gen Nordsee zeigt, während die Ostküste ans Wattenmeer grenzt. Wie auch im Dünenbereich besteht hier in der Nebensaison – von September bis März – kein Leinenzwang für Hunde. Frieda springt in großen Sätzen Richtung Wasser und stürzt sich in die salzigen Wellen.

Texel

Wälder, Dünen, weidende Schafe und kleine Orte mit alten Backsteinhäusern – auf Texel stellt sich Erholung ganz von selbst ein. Die Insel ist etwa 25 Kilometer lang und acht Kilometer breit und bietet viele Freiräume. Gemütlich ist es zum Beispiel in der Inselbrauerei Texelse Bierbrouwerij. Vor 18 Jahren wurde die Brauerei gegründet, damals wurden etwa 20 000 Liter Bier pro Jahr produziert, heute sind es 2,5 Millionen, erklärt Braumeister Valentin Kriesel bei einer Führung. Damit ist die Brouwerij die größte der etwa 300 Mikrobrauereien, die es in den Niederlanden gibt. Die Hälfte des hier gebrauten Biers wird auf der Insel getrunken, der Rest auf dem Festland verkauft. „Skuumkoppe“, ein dunkles Weizenbier, ist der Bestseller: Es schmeckt schön malzig und nicht zu herb.

Ein anderes ausgezeichnetes Inselprodukt entsteht in der Nähe von Den Burg auf dem Käsebauernhof Wezenspyk. Aus Schaf-, Kuh- und Ziegenmilch fertigt Anton Witte bis zu zwölf Sorten Käse, die er in seinem Hofladen verkauft. Seit vielen Generationen bewirtschaftet seine Familie den Bauernhof. Sie kennen sich aus mit Milchwirtschaft und Käserei. Doch erst Anton Witte hat den Käse zu einem wahren Gourmetprodukt gemacht. Manche Sorten lässt er bis zu drei Jahre reifen und versetzt sie mit verschiedenen Kräutern wie Dill und Kerbel. Sein Meisterstück aber ist ein Lavendel-Schafskäse, der vor einigen Jahren in London sogar den World Cheese Award gewonnen hat. Es passt, dass ausgerechnet ein Käse aus Schafmilch prämiert wurde, denn Schafe sind hier allgegenwärtig.

Das Texelschaf ist eine Rasse, die seit dem 15. Jahrhundert auf der Insel lebt. Insgesamt gibt es hier in etwa so viele Schafe wie Menschen (knapp 13 000), und im Frühjahr, wenn Tausende Lämmer geboren werden, sind die Tiere sogar in der Überzahl. Besonders viele Schafe gibt es rund um Den Hoorn und den Hoge Berg. Per Rad kann man sie auf der sogenannten Lämmer-Radroute, die von Den Burg über Den Hoorn und De Waal führt, entdecken.

Überhaupt lässt sich die Insel wunderbar per Rad erkunden. Texel verfügt über ein dichtes Netz an ausgebauten Radwegen, die auch Orte wie Den Burg, De Waal und Den Hoorn miteinander verbinden – und auch hierbei wird an Urlauber mit Hund gedacht. Im Fahrradverleih Van der Linde Fietsen in De Koog beispielsweise hat man sich auch auf Gäste mit vierbeinigem Anhang eingestellt: Neben herkömmlichen Rädern, Tandems und Anhängern für Kinder hat die Firma auch stolze

90 Hundeanhänger im Verleih.

Zu Besuch In der Seehundauffangstation

Ein E-Bike samt Anhänger gibt es für 25 Euro pro Tag – das klingt verlockend, immerhin ist Frieda als Elfjährige nicht mehr topfit auf langen Strecken. Und auch wenn es kaum Steigungen auf Texel gibt: Sie wiegt knapp 30 Kilogramm – da ist ein bisschen zusätzlicher Schub in den Pedalen mehr als angenehm.

Wir radeln los. Bei Ecomare machen wir Halt: Es ist Seehundauffangstation und Nordseemuseum in einem. Zweimal täglich werden die Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale hier vor den Augen der Zuschauer gefüttert. Dabei erzählen die Pfleger über das Leben und die Habitate der Meeresbewohner.

Pro Jahr päppeln die Helfer

50 bis 70 Tiere auf, die im Anschluss wieder in die Freiheit entlassen werden. In einem der Becken sitzen ein paar Seehunde, die aus weißlich trüben Augen schauen. Es ist die Seniorengruppe, fast jeder von ihnen ist blind – im Wattenmeer hätten sie keine Chance zu überleben, und so verbringen sie ihren Lebensabend hier in der Station.

Hunde haben bei Ecomare selbstverständlich keinen Zutritt. Ansonsten ist Texel aber eine ausgesprochen hundefreundliche Insel. Egal ob man ein Hotel, eine Pension oder lieber einen Zeltplatz bucht, man muss nicht lange nach einer passenden Unterkunft suchen. Eher ist es ungewöhnlich, dass Hunde irgendwo nicht erlaubt sind. Auch in den meisten Cafés und Bars werden sie geduldet.

Bestseller-Autor Jos Oosting bietet Hundetrainings an

Die Hundefreundlichkeit der Insel ist auch ein Grund dafür, dass sich Jos Oosting auf Texel so wohlfühlt. In den Niederlanden ist Oosting berühmt. Der Hundetrainer hat den Bestseller „Door de ogen van de hond“ (übersetzt: „Durch die Augen des Hundes“) geschrieben. Etwa die Hälfte des Jahres lebt er auf Texel und bietet dort auch Trainingsstunden an, hält Vorträge und veranstaltet regelmäßig sonntags am Strand Hundewanderungen, an denen jeder kostenfrei teilnehmen kann. „Nicht selten sind 60, 70 Hunde dabei“, sagt er lachend, „das ist ein großer Spaß und eine tolle Gelegenheit, die Tiere und ihre Körpersprache zu studieren.“

Denn Körpersprache ist Oostings großes Steckenpferd. „Vieles wird kompliziert dadurch, dass wir unsere Hunde an der Leine führen“, erklärt er. Wir können Hunde nur richtig behandeln, wenn wir verstehen, wie sie sich in bestimmten Situationen fühlen – und das verrät uns ihre natürliche Körpersprache.

Als wir am Ende des Urlaubs auf Texel das letzte Mal zum Strand gehen, schreitet Frieda ganz abgeklärt durch die Dünen. Sie hat ihre Taktik geändert: Statt aus dem Häuschen zu geraten, setzt sie sich in aller Ruhe hin und wartet darauf, dass die Kaninchen aus ihren Bauen kommen– um sie dann interessiert zu beobachten. Es scheint, dass auch sie begriffen hat, was Urlaub auf Texel bedeutet: in aller Ruhe genießen und die Dinge auf sich zukommen lassen.