Die “Stadt der Engel“ hat viele Gesichter. Thailands Hauptstadt Bangkok lockt mit Tradition und Moderne, Tempeln und Palästen

Die Silom Road im gleichnamigen Bankenviertel Bangkoks ist vierspurig und vielbefahren. Zwischen Autos, Bussen und Lkw drängeln sich hupend Motorroller und Tuk Tuks vorbei. Parallel zur Silom Road verläuft in einigen Metern Höhe die W1-Linie des Skytrains, der donnernd in die Haltestelle Chong Nonsi einfährt.

Es ist Mittagszeit, es ist heiß und schwül, der Smog bereitet Kopfschmerzen. Wenn die Ampel auf Grün springt und sich die Blechlawine in Bewegung setzt, versteht man sein eigenes Wort nicht mehr.

Mitten in diesem Chaos scheint zwischen den gewaltigen Betonpfeilern des Himmelszuges die Welt stillzustehen. Unter einem einfachen Holzdach stehen aneinandergereiht mobile Garküchen. Aus den dampfenden Woks riecht es nach Curry, Zitronengras und Kardamon.

"Kommen Sie ruhig näher und schauen sich erstmal alles an", sagt eine ältere Frau in bunter Schürze und mit Falten im Gesicht, die Chefin dieser Open-Air-Kantine zu sein scheint. "Fragen Sie ruhig", ermuntert sie lächelnd ihre europäischen Gäste. Für einen Moment sind Hitze, Krach, Menschenmassen und Smog vergessen.

Es sind diese Gegensätze, die die Zwölf-Millionen-Metropole ausmachen: Bangkok hat viele Gesichter und ist eine Stadt zwischen Tradition und Moderne: Tempel und Paläste neben Wolkenkratzern und Wellblechhütten, Verkehrschaos und Paddelboote auf stillen Kanälen.

Eine Struktur ist in Bangkok nicht zu erkennen, im Schneckentempo bewegt sich der Verkehr über die Stadtautobahnen, die Gehwege sind von Menschenmassen und fliegenden Händlern belegt, überall wird gekauft und verkauft, es gibt kein Stadtzentrum und keine Trennung von Wohn- und Geschäftsvierteln, einen ruhenden Pol gibt es ebenfalls nicht. Gelassenheit ist in Bangkok lebensnotwendig – nicht umsonst sagt man hier: "Mai pen rai – das macht nichts".

Um Bangkok abseits dieser Hektik zu erleben, muss man hinter die Fassade schauen, die voller Tradition steckt. Erste Anlaufstelle ist der Königspalast. Im Stadtteil Rattanakosin gelegen, verbirgt sich der Palast der Königsfamilie hinter einer 1900 Meter langen Mauer. Farbenprächtige Wandmalereien und Gemälde verdeutlichen das einstige Leben bei Hofe. Fabelwesen und Dämonen bewachen als riesige Statuen die Anlage. Zentraler Anlaufpunkt, insbesondere für Thais, ist der sagenumwobene Smaragdbuddha, der 1434 in Nordthailand entdeckt wurde.

Er gilt als nationales Heiligtum, dem Wunderkräfte nachgesagt werden. Die Königsfamilie residiert nicht im Palast, er wird jedoch für öffentliche Anlässe genutzt. Als Tourist hat man nur in angemessener Kleidung Zutritt. Neben dem Königspalast befindet sich das Wat Pho, das Kloster des liegenden Buddha. Es ist älter als die Stadt, die erst 1781 gegründet wurde und erst 1782 von König Rama I. zur Hauptstadt gemacht wurde. Bis heute nennen die Thais ihre Hauptstadt beim ursprünglichen Namen: "Stadt der Engel". Hauptattraktion des Wat Pho ist der 45 Meter lange und 15 Meter hohe, vergoldete, liegende Buddha. Insgesamt gibt es in Bangkok 400 solcher Klöster.

Wenn die Sonne in Bangkok untergeht und die Temperaturen sinken, beginnt in den Straßen erst richtig das Leben. Geschäfte und Nachtmärkte locken täglich mit Speisen, frischem Gemüse und Obst, Kleidung und Kitsch. Kaufhäuser und Shoppingcenter haben teilweise bis 22 Uhr geöffnet.

Lohnenswert ist ein Besuch des Patpong Night Bazaar mitten in der Barstraße Patpong. Neben den Verkaufsständen, an denen es vieles zu entdecken gibt, locken Kneipen, Restaurants und Bars, die den Markt von zwei Seiten flankieren. Am Wochenende lädt der Chatuchak Weekend Market zu einem Besuch ein. Bei mehr als 9000 Ständen wird man als Tourist garantiert fündig. Ein besonderes Erlebnis sind auch die schwimmenden Märkte im Stadtteil Thonburi.

Thonburi ist von zahlreichen Klongs (Kanälen) durchzogen, die vom Chao Phraya River abgehen. Sie bilden ein Spinnennetz aus Wasserwegen, die den Stadtteil in ein Mosaik aus Inseln teilen. Nicht umsonst bezeichneten frühe Reisende Bangkok als "Venedig des Ostens". In Thonburi wirkt die Stadt erstaunlich ländlich.

Business und Shopping sind auch in Chinatown an der Tagesordnung. Hier gibt es alles: Waschmaschinen, Werkzeuge, Stoffe. Und manches, was glänzt, ist auch wirklich Gold. Besonders interessant sind die Seitenstraßen und Gassen in Chinatown. Jedes Haus, ob modern oder alt, ist ein Laden oder ein Restaurant. In der oberen Etage wohnt die Familie, im Erdgeschoss werden Geschäfte gemacht.

Die Luft ist stickig, der Smog kaum auszuhalten – doch wenn man die vielen goldenen, winkenden Katzen sieht und die Gewürze am Straßenrand in Bastkörben feilgeboten werden, vergisst man für einen Moment das Chaos um sich herum.