Washington. Atomkonflikt: Der US-Präsident kündigt den Vertrag mit dem Iran und will die „schärfsten Sanktionen“ verhängen.

Das Atomabkommen mit dem Iran gehört der Vergangenheit an. US-Präsident Donald Trump hat es am Dienstag in
Washington gekündigt. Er hält den Vertrag für eine „Fiktion“. Der Amerikaner will „die schärfsten Sanktionen“ verhängen – und zwar sofort. Allerdings bleiben bestimmte Strafaktionen nach Angaben des US-Finanzministeriums bis zu sechs Monate lang ausgesetzt – ein Zeitgewinn für Verhandlungen? Vom bisherigen Vertrag hält Trump nicht viel. Der Präsident sprach von einem „desaströsen Deal“, der im Kern faul sei. Der iranische Staatschef
Hassan Rohani nannte die Entscheidung Trumps eine „historische Erfahrung“ für sein Land. Die USA hätten nie ihre Verpflichtungen erfüllt.

Der Präsident spricht von

einem „verfaulten“ Deal

Trotz Bussi-Bildern und inszenierter Männerfreundschaft hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron es früh geahnt. Trump ließ ihn nach pompösem Staatsbesuch in Washington kürzlich wissen, er werde aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigen und alle „guten Argumente“ für einen Verbleib ignorieren. Genau so ist es gekommen.

Bevor der US-Präsident kurz nach 14 Uhr im „diplomatischen“ Raum des Weißen Hauses vor die Kameras trat und den Rückzug Amerikas aus dem 2015 geschlossenen Vertrag und die Wiedereinsetzung von Wirtschaftssanktionen gegen Teheran verkündete, hatte er seinen Lieblings-Sparringspartner in Europa am Telefon informiert.

Was Trump verkündete, überstieg in der Schärfe die schlimmsten Befürchtungen in Peking, Moskau, Brüssel, Paris, Berlin, London und Dutzenden anderen Hauptstädten. Sie hatten, inklusive der Vereinten Nationen in New York, bis zuletzt wenigstens auf ein partielles Last-Minute-Einlenken gehofft. Einhellig geteiltes Kern-Argument: Das Abkommen funktioniert, weil es die atomaren Ambitionen des Iran in Schach hält. Trump glaubt das Gegenteil.

Der Iran sei der weltweit führende Sponsor von Terror und habe Hunderte Amerikaner auf dem Gewissen, polterte der Präsident los. Der Deal von 2015 sei „verfault“. Tatsache sei, dass der Iran weiter Uran anreichere, um Nuklearwaffen herzustellen, und die Weltgemeinschaft mit Lügen vorführe. Des hätten zuletzt Informationen der israelischen Regierung belegt. Letztere werden von der zuständigen Atom-Kontroll-Behörde in Wien als „nicht überzeugend“ beschrieben. Trump ignoriert das und stellt fest: Durch das Atomabkommen seien die „blutigen Ambitionen“ Teherans in der Region „noch dreister“ geworden. Durch „Milliardensummen“, die seit 2015 ins Land geflossen seien, habe das Mullah-Regime seinen Militärhaushalt um 40 Prozent erhöht. Trump will dem einen Riegel vorschieben. Alle Sanktionen, die auf der Grundlage des von den UN-Vetomächten USA, Russland, China, England und Frankreich sowie Deutschland unterzeichneten Vertrages aufgehoben worden waren, seien wieder auf scharf gestellt. Sofort? John Bolton, sein Nationaler Sicherheitsberater, sagte nach der Rede, dass einige Sanktionen „umgehend in Kraft treten, andere in bis zu sechs Monaten“. Handel mit dem Iran werde dadurch „quasi verunmöglicht“, sagte ein EU-Diplomat in Washington.

In der Regierung bestärkten John Bolton, der vor einem Jahr bereits für einen Militärangriff gegen den Iran warb, und Außenminister Mike Pompeo Trump bei dessen harter Linie. Während Verteidigungsminister James Mattis und prominente republikanische Sicherheitspolitiker im Kongress (Ed Roye, Mac Thornberry) bis zuletzt vor einem Ausstieg warnten. Begründung: Es gebe keinen überzeugenden „Plan B“, um die Aktivitäten Teherans wirkungsvoll im Blick zu behalten.

Vor allem die Europäer müssen sich von Trump düpiert fühlen. Sie hatten in einer konzertierten Aktion Spitzenpersonal (Macron, Merkel, Johnson) nach Washington geschickt, um einen schwierigen Spagat zu versuchen. Einerseits sollte auf Trumps teilweise als berechtigt empfundene Kritik durch Vorschläge für ein Zusatzabkommen eingegangen werden. Andererseits sollten die Hürden für Teheran nicht unüberwindbar hoch geschraubt werden.

Konsens war es, das Kontroll-Regime der Internationalen Atom-Aufsichtsbehörde in Wien engmaschiger zu ziehen und das laufende Raketenprogramm des Iran Grenzen zu begrenzen. Außerdem sollte präziser abgesichert werden, dass der Iran auch nach Auslaufen des Abkommens (ab 2025) definitiv nicht nach der Bombe greifen kann.

Unklar blieb gestern, was die neue Marschrichtung für europäische Firmen bedeutet, die nach Wegfall der Sanktionen Geschäfte mit dem Iran aufgenommen haben. Allein deutsche Betriebe haben 2017 Güter im Volumen von drei Milliarden Euro (45 Prozent mehr als 2015) im Iran verkauft. Sollten die USA die Unternehmen bestrafen, etwa durch Ausschluss von Geschäften in Amerika, würde die Investitionstätigkeit im Iran nach Einschätzung von Experten „zum Erliegen kommen“.

Die EU beteuert, sie halte am Abkommen auf jeden Fall fest

Die EU, Deutschland, Frankreich und Großbritannien gehen nicht mit. Im Auswärtigen Amt heißt es, „auch in den nächsten Tagen kommt es darauf an, mit allen Seiten im Gespräch zu bleiben, um eine unkontrollierte Zuspitzung zu verhindern.“ Die Europäer setzten schon aus eigenem sicherheitspolitischen Interesse weiter auf das Abkommen mit dem Teheraner Regime. Seine Transparenz- und Kontrollregelungen, generell die Beschränkungen des Atomprogramms hätten „ein Mehr an Sicherheit gebracht“. Man werde das Abkommen solange umsetzen, wie sich der Iran an seine Verpflichtungen halte, heißt es weiter. Damit wurde klar, dass EU und USA in einer wichtigen Frage auseinanderfallen.

In Brüssel gab sich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini entschlossen. Noch bevor Trump seine Entscheidung bekannt gegeben hatte, zog sie eine rote Linie: Die EU werde an dem internationalen Abkommen auf jeden Fall festhalten. „Wir glauben, die Vereinbarung funktioniert, und unsere Verpflichtung, mit der Umsetzung fortzufahren, bleibt bestehen“, so Mogherini.