Berlin. Wer aus Afghanistan oder dem Irak nach Niedersachsen geflüchtet ist, hat deutlich bessere Aussichten als in Brandenburg.

Die persönliche Fluchtgeschichte, gesicherte Dokumente aus der Heimat, die Situation im Herkunftsland: Die Entscheidung, ob ein Asylbewerber in Deutschland Schutz erhält, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Bewertet werden diese überall in Deutschland nach denselben Maßstäben, sagt das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Doch Zahlen aus allen Bundesländern, die unserer Zeitung vorliegen, werfen Fragen auf: Kann es sein, dass nicht nur das Herkunftsland die Entscheidung beeinflusst, sondern auch der Ort der Entscheidung in Deutschland?

Wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Ulla Jelpke zeigt, unterscheiden sich die Chancen von Flüchtlingen, Asyl oder eine andere Form der Aufenthaltsberechtigung zu erhalten, von Bundesland zu Bundesland. So wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in Niedersachsen 49,4 Prozent der Asylanträge von Afghanen abgelehnt. In Bremen waren es im selben Zeitraum nur 35 Prozent. Noch deutlicher ist der Unterschied bei Anträgen von Irakern: Während in Niedersachsen 25,3 Prozent negativ beschieden wurden, waren es in Bremen hingegen nur drei Prozent.

Nach Syrien sind Afghanistan und Irak die beiden Herkunftsländer, aus denen die meisten Antragsteller kommen. Doch anders als Syrer, die in allen Bundesländern fast sicher sein können, irgendeine Form von Schutz zu erhalten, müssen Afghanen und Iraker je nach Bundesland bangen.

Rechnet man aus der Gesamtzahl der bearbeiteten Anträge jene Verfahren heraus, die aus formellen Gründen beendet werden, weil beispielsweise der Antrag zurückgezogen wurde oder ein anderer EU-Staat zuständig ist, bleibt eine sogenannte bereinigte Schutzquote. Für Iraker zum Beispiel liegt diese bei bundesweit 63,9 Prozent. Diese Zahl umfasst alle Antragsteller, die Schutz erhalten – sei es Asyl, einen anerkannten Flüchtlingsstatus, subsidiären Schutz oder schlicht die Versicherung, nicht abgeschoben zu werden, weil die Lage im Heimatland zu gefährlich ist. Doch hinter dem Bundesdurchschnitt verbergen sich große Unterschiede: Während in Berlin in der ersten Hälfte des Jahres 50,3 Prozent der Iraker bleiben dürfen, sind es in Rheinland-Pfalz 75,7 Prozent und in Bremen sogar 96,4 Prozent. Dabei sind es häufig dieselben Länder, die durch besonders hohe oder besonders niedrige Quoten auffallen. So markiert häufig Bremen das obere, Brandenburg oder Bayern das untere Ende der Skala.

Amt betont die

individuellen Schicksale

Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) liefert mehrere Erklärungen für diese Diskrepanzen: Zum einen verberge sich hinter jedem Antrag ein individuelles Schicksal. Zum anderen werde in der Statistik zwar die Nationalität der Antragsteller erfasst, nicht aber Merkmale wie Religion oder Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe. Diese könnten aber, so die Behörde, durchaus entscheidend sein für den Ausgang eines Verfahrens.

Auch Kenner des Bamf heben hervor, dass jede Entscheidung ein Einzelfall sei. Jeder werde individuell angehört, manchmal würden die Asyl-Interviews sehr unterschiedlich verlaufen, die Geschichten der Flüchtlinge seien verschieden. Es könne daher auch keine einheitlichen Anerkennungsquoten quer durch die Republik geben. Und doch sagen Insider auch: Wie hoch die Anerkennungsquote sei, hänge auch von den Referatsleitern der einzelnen Bamf-Außenstelle ab. Und davon, welche „Asylpolitik“ diese an ihre Mitarbeiter weitergeben würden. Gibt ein Referatsleiter etwa positive Entscheidungen über Asylanträge häufig an Mitarbeiter zur erneuten Prüfung zurück, wirke sich dies langfristig auch auf die Härte der Asylentscheidungen in einer Außenstelle aus, heißt es.

Nach Informationen unserer Zeitung prüft das Bamf zudem regelmäßig die „Performance“ einer Außenstelle und deren Asylentscheidungen, schaut sich die Statistiken zu den Verfahren im Wochentakt an. Zeigen sich auffällige Anerkennungsquoten in einer Außenstelle, gebe es Gespräche zwischen den jeweiligen Referatsleitern und den Bamf-Verantwortlichen in der Nürnberger Zentrale, heißt es.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Jelpke sieht die Unterschiede in den Schutzquoten mit Besorgnis. „Es darf nicht sein“, sagte Jelpke, „dass afghanische Flüchtlinge beispielsweise in Brandenburg oder Bayern nur etwa halb so große Chancen auf einen Schutzstatus haben wie in Bremen.“