Istanbul. Erdogan fordert Abberufung des US-Botschafters. Eine Journalistin des „Wall Street Journal“ wird zu einer Haftstrafe verurteilt.

Der Konflikt zwischen Ankara und Washington verschärft sich. Staatschef Recep Tayyip Erdogan beschuldigt die USA, „Agenten“ in ihrem Konsulat zu beschäftigen, und fordert die Abberufung des amerikanischen Botschafters aus Ankara.

Auslöser des Streits war vergangene Woche die Festnahme eines türkischen Bediensteten des US-Generalkonsulats in Istanbul. Ihm werden Verbindungen zur Bewegung des Erdogan-Erzfeindes und angeblichen Drahtziehers des Putschversuchs vom Juli 2016, Fethullah Gülen, vorgeworfen.

Die Sprecherin von US-Außenminister Rex Tillerson, Heather Nauert, forderte, dem Anwalt des Mitarbeiters Zugang zu dem Inhaftierten zu gewähren. „Das wäre ein guter erster Schritt zum Abbau der Spannungen“, sagte sie. Die USA reagierten am vergangenen Wochenende auf die Festnahme mit der Aussetzung der Visa-Vergabe für türkische Staatsbürger. Ankara konterte mit einem Visa-Stopp für US-Bürger. Nach einem weiteren Konsulatsangestellten wird nun wegen angeblicher Gülen-Kontakte gefahndet.

Staatschef Erdogan bezeichnete den festgenommenen Konsulatsmitarbeiter als „Spion“ und beschuldigte die USA, in ihrem Konsulat „Agenten“ zu beschäftigen. Erdogan sagte, die türkische Regierung erkenne den US-Botschafter John Bass nicht länger als Vertreter der USA an und forderte dessen Abberufung. Bass wechselt ohnehin als Botschafter nach Kabul und verlässt am nächsten Wochenende die Türkei.

Wirtschaftsverbände rufen zu diplomatischer Lösung auf

Seit dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 gibt es wachsende Spannungen zwischen Ankara und Washington. Erdogan verlangt die Auslieferung Gülens, der in den USA lebt und von dort die Fäden bei der Vorbereitung des Umsturzversuchs gezogen haben soll. Die von der Türkei bisher gegen Gülen vorgelegten Indizien seien aber nicht stichhaltig, berichten US-Medien. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim beschuldigte im Zusammenhang mit dem Visa-Streit die USA, sie schützten den „abscheulichen Putschisten“ Gülen.

Unterdessen wächst in türkischen Wirtschaftskreisen die Sorge über die ökonomischen Folgen der Visa-Kontroverse, die Geschäftsreisende und Touristen beider Länder betreffen. Der Präsident des türkischen Kammer- und Börsenverbandes, Rifat Hisarciklioglu, äußerte die Hoffnung, dass die Krise rasch diplomatisch beigelegt werden möge.

Für neue Spannungen sorgt jetzt die Verurteilung einer Journalistin des „Wall Street Journal“ (WSJ). Ein türkisches Gericht verhängte am Dienstag gegen die Reporterin Ayla Albayrak eine Haftstrafe von 25 Monaten wegen „Terrorpropaganda“ für die kurdische PKK. Albayrak hatte 2015 in ihrer Zeitung aus der Südosttürkei über den Kurdenkonflikt berichtet. Das Urteil wurde in Abwesenheit gefällt. Die Journalistin, die die türkische und die finnische Staatsbürgerschaft besitzt, hält sich zurzeit in den USA auf.