Wolfsburg. Der Ministerpräsident geht in die Offensive. Die Parteien fordern weitere Aufklärung über das Verhältnis zwischen VW und Regierung.

Die Vorwürfe sind nicht neu, kommen für Stephan Weil (SPD) aber zur Unzeit: Der Ministerpräsident, der auch Aufsichtsratsmitglied bei Volkswagen ist, soll seine Regierungserklärung zum Abgas-Skandal im Oktober 2015 vorher mit dem VW-Konzern abgestimmt haben. Das berichtet die „Bild am Sonntag“. Weil ging gegen diese Vorwürfe in die Offensive und ließ gestern Abend verschiedene Versionen der Regierungserklärung veröffentlichen.

Der stellvertretende Vorsitzende der niedersächsischen FDP-Fraktion, Stefan Birkner, sagt: „Wir hatten diesen Verdacht schon damals“, – den Verdacht, dass sich Weil als VW-Sprecher betätige. Per Akteneinsicht wollte die FDP-Fraktion im Landtag feststellen, wie viel der Konzern zur Rede des Ministerpräsidenten beigetragen habe. Als diese dem Wirtschaftsausschuss dann im August 2016 gewährt wurde, habe man den Eindruck gewonnen: Hier ist alles ganz normal gelaufen, berichtet der stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Jörg Bode.

Die „Bild“-Berichterstattung zeichne nun aber ein anderes Bild. Es dränge sich der Eindruck auf, dass dem Ausschuss eine unvollständige Akte vorgelegt wurde, die nicht das Ausmaß der Abstimmungen zwischen VW und Staatskanzlei offengelegt habe. „Der Landtag wurde getäuscht“, sagt Bode. Die FDP hält nun die verantwortliche Regierungssprecherin Anke Pörksen nicht mehr für haltbar. Sollte Weil weiter an ihr festhalten, sei auch er nicht mehr haltbar, so Bode.

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Die Staatskanzlei hält dagegen: Der Ausschuss sei korrekt informiert worden. Zudem erfolge seit einigen Monaten keine Rückkoppelung mehr von Texten mit dem VW-Konzern. Für den CDU-Landeschef Bernd Althusmann klingt das verdächtig. „Das ist doch fast ein Eingeständnis, dass erkannt wurde, dass daran etwas falsch ist“, sagte er unserer Zeitung. Er fordert, dass Weil seinen Aufsichtsratsposten bei VW abgibt, und am besten „den Weg frei macht für neue Wahlen und zurücktritt“.

Ministerpräsident Weil verteidigte sich am Sonntag: „Wir haben uns sehr verantwortungsvoll verhalten, vor allem mit Blick auf die vielen, vielen Arbeitsplätze“, sagte er in Anspielung auf die Ermittlungen der US-Justiz gegen VW. Weil vermutet: „Wenn jetzt entsprechende Vorwürfe erhoben werden, dann darf man schon einen Zusammenhang mit dem laufenden Wahlkampf vermuten.“

Am gestrigen Abend schickte Regierungssprecherin Pörksen dann den Entwurf der Regierungserklärung samt Bearbeitungen an die Medien. Darin ist die Rede, so wie sie am 12. Oktober 2015 an den Rechtsanwalt der niedersächsischen Staatskanzlei Drinkuth, an den VW-Cheflobbyisten Thomas Steg sowie an VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch geschickt wurde, inklusive der Änderungsvorschläge dieser Personen dokumentiert.

Andere Textbausteine, die in der „Bild am Sonntag“ veröffentlicht wurden, seien interne Vorüberlegungen aus einem Fachreferat gewesen und kein Redeentwurf, sagte Pörksen gestern. Entlasten könnte die Regierung eine E-Mail der Sprecherin an ihre Kollegen. Darin heißt es: „[...] nur noch mal zur Klarstellung, wir werden keinesfalls unsere politischen oder sonstigem Äußerungen mit dem Konzern vorab abstimmen.“ Die FDP forderte gestern die Offenlegung weiterer E-Mails zwischen Konzernkommunikation und Regierung. „Das ist noch nicht transparent“, sagte Bode.

Es liegen viele Vorwürfe in der Luft. Der Landesvorsitzende der Grünen, Stefan Körner, forderte gestern weitere Aufklärung. Damit ist er nicht allein.