Berlin. Er will eine Gesetzesänderung prüfen. Gefordert wird eine Ehemündigkeit ab 18 Jahren.

Rafah war 13, als sie die Schule abbrach und ihre neunköpfige Familie verließ, um mit ihrem neuen Ehemann im libanesisch-syrischen Grenzgebiet in ein gemeinsames Zelt zu ziehen. „Ich fühlte nichts, aber ich hatte keine andere Wahl“, erzählte sie einer Reporterin über die Beziehung, die ihr Vater arrangiert hatte. Sie habe nichts über Sex gewusst, die erste Nacht sei ein Horror gewesen. Inzwischen hat die Minderjährige, die wie ihr 38-jähriger Mann aus dem syrischen Homs geflüchtet war, zwei Kinder. „Ich bin unglücklich, aber ich muss mich mit diesem Leben abfinden.“

Bund-Länder-Arbeitsgruppe

berät ab dem 5. September

Rafah ist kein Einzelfall. Kriegsflüchtlinge sind froh, wenn sie für ein Kind weniger sorgen müssen. Und Männer aus den Golfstaaten nutzen die Finanznot der Entwurzelten, um sich eine junge Zweit- oder Drittfrau zu besorgen. Für Frauenaktivistinnen ist dies Menschenhandel, sagt Rita Chemaly von der Kommission für Frauen im Libanon: „Mädchen werden gegen einen Kaufpreis verheiratet oder um die Miete der Familie zu bezahlen.“

Auch in Deutschland kommen viele Flüchtlinge mit minderjährigen Ehefrauen an. Geschätzt leben hierzulande 1000 Paare, in denen mindestens ein Partner nicht volljährig ist. Genaue Zahlen gibt es nicht. In ihren Herkunftsländern sind arrangierte Hochzeiten im Kindesalter oder gegen den Willen der Partner oft legal. In vielen islamischen Gesellschaften gelten Mädchen schon ab dem 13. Lebensjahr als heiratsfähig, im Jemen und Saudi-Arabien bereits im Alter von zehn Jahren. Sie berufen sich auf den Propheten Mohammed, dessen Frau Aischa ebenfalls im jungen Kindesalter war. „Unsere Mütter und Großmütter wurden verheiratet, als sie zwölf waren“, sagt der saudische Obermufti Abdul-Aziz Al Sheikh. Nach deutschem Recht sollen Ehen nicht vor dem 18. Lebensjahr geschlossen werden. Allerdings sind auch hier Ausnahmen nach dem vollendeten 16. Lebensjahr möglich.

Sollen Kinderehen in Deutschland anerkannt oder verboten werden? Unionspolitiker drängen auf einen Gesetzentwurf, der Ehen mit Minderjährigen untersagt. Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) plant eine gesetzliche Initiative. „Wir müssen das sehr sorgfältig prüfen. Klar ist: Zwangsehen dürfen wir nicht dulden – erst recht nicht, wenn minderjährige Mädchen betroffen sind“, sagte er unserer Zeitung.

Das Thema ist rechtlich komplex. Maas hat deshalb zu der Problematik für den 5. September eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen. Daran werden Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein teilnehmen sowie drei Ministerien – das Justiz-, Innen- und Familienministerium. Im Fokus steht die „Ehemündigkeit im deutschen Recht und bei der Anerkennung von Auslandsehen“.

Bislang wird bei der Anerkennung ausländischer Ehen geprüft, ob sie nach dem im Herkunftsland geltenden Recht geschlossen wurde und ob dieses Recht in wesentlichen Grundsätzen mit dem deutschen Recht vereinbar ist. Jeder Fall wird einzeln geprüft und ist zudem altersabhängig. So fällt die Entscheidung bei einer Elfjährigen anders aus als bei einer

17-Jährigen. Erst im Juni sorgte hierbei jedoch ein Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg für Aufsehen. Dieses hatte die Ehe einer 14-jährigen Syrerin mit ihrem sechs Jahre älteren Cousin für rechtswirksam erklärt – und hob damit den Beschluss der Vorinstanz auf, das Mädchen von ihrem Ehemann getrennt bei einem Vormund unterzubringen.

Der Deutsche Kinderschutzbund und die Frauenorganisation Terre des Femmes sprechen sich klar dafür aus, die Ehemündigkeit ohne Ausnahmen auf 18 Jahre festzulegen – so wie es zum Beispiel auch die UN-Kinderrechtskonvention empfiehlt. „Für die schon eingereisten minderjährigen Ehepartner sollte in jedem Fall ein unabhängiger Vormund bestellt werden“, so Christa Stolle, Geschäftsführerin von Terre des Femmes.

Die SPD-Fraktion will darüber hinaus Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, nur noch dann anerkennen, wenn beide Partner 18 Jahre alt sind. „Verheiratete Kinder müssen in Deutschland die Möglichkeit erhalten, diese Ehen von hier aus aufheben zu lassen“, sagte deren rechtspolitischer Sprecher, Johannes Fechner, unserer Zeitung. Und: „Religiöse Trauungen sollen erst nach der standesamtlichen Trauung zugelassen werden, wie dies bis 2009 rechtlich üblich war.“

Für die Vize-Fraktionschefin der Grünen, Katja Dörner, muss das Wohl der Kinder und Jugendlichen die „oberste Richtschnur“ sein. Jeder Fall müsse genau geprüft werden. „Wenn eine 17-Jährige mit einem 21-Jährigen verheiratet ist, muss das kein Problem darstellen, aber es kann.“