Washington. Nach den NSA-Enthüllungen hatte Obama eine Reform angestoßen. Zeitweise sah es ganz gut aus. Doch jetzt läuft die Sache im Senat aus dem Ruder.

Es war Samstag nach Mitternacht, die Senatoren waren müde, jeder wollte möglichst schnell ins lange Wochenende des Memorial Feiertags. Unglücklicherweise stand da noch eine Reform der Datensammelei des Geheimdienstes NSA auf der Tagesordnung – keine Kleinigkeit also. Doch plötzlich ging gar nichts mehr. Die Debatte wurde immer gereizter, am Ende konnte man sich nicht einmal auf eine kurze Übergangslösung für das Ausspähprogramm einigen. Chaos im US-Kongress.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine wichtige Reform in den USA an politischer Zerrissenheit und ideologischer Aufheizung scheitert – oder zu scheitern droht. Wenn es um die nationale Sicherheit geht, haben sich die Streithähne meist noch in letzter Minute zusammenraufen können. Doch diesmal sieht es nicht gut aus.

Dabei schien die Ausgangslage geradezu ideal: Vor nur einer Woche hatte das Repräsentantenhaus mit breiter Mehrheit einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die massenhafte NSA-Speicherung der Telefondaten von Millionen US-Bürgern beenden soll. Die Reform mag zwar in deutschen Augen als eher mickrig erscheinen - doch Kommentatoren in Washington jubelten. Endlich war die Verhärtung zwischen Republikanern und Demokraten einmal durchbrochen.

Doch was sich dann im ebenfalls von Republikanern beherrschten Senat abspielte, hatte Seltenheitswert. Insider meinen, Schuld am Chaos habe vor allem der „Security Hawk“ (Falke in Sicherheitsfragen) Mitch McConnell: Der republikanische Mehrheitsführer im Senat habe die Stimmung offenbar völlig falsch eingeschätzt. Der Mann aus Kentucky („Wir leben in einer Zeit höchster Bedrohung“) hält es für unverantwortlich, der NSA-Sammelwut derzeit Zügel anzulegen.

Doch zu spät habe er bemerkt, dass sich die Mehrheit darauf nicht einlassen wollte. Selbst als er später fieberhafte versuchte, mit kurzzeitigen Verlängerungen des NSA-Programms aus der Klemme zu kommen, bekam er keine Mehrheit.

Die andere Schlüsselfigur im Senats-Chaos war der Libertäre Rand Paul, ebenfalls aus Kentucky. Der Radikalliberale, der 2016 Präsident werden will, hatte erst vor Tagen mit einer zehnstündigen Dauerrede seine Fundamentalopposition gegen praktisch jede Art von Überwachung unter Beweis gestellt. Kritiker in den eigenen Reihen werfen ihm vor, er habe die Debatte zu einer PR-Aktion in eigener Sache umfunktioniert. „Es gibt eine neue Art von Senatoren“, schimpfte der Altkollege John McCain. „Ein oder zwei Leute sind bereit, gegen den Willen der Mehrheit aufzustehen.“

Dabei geht es inhaltlich nicht gerade um eine revolutionäre Umgestaltung der National Security Agency NSA. Im Kern sieht die Reform das vor, was in Deutschland Vorratsspeicherung genannt wird - und was viele in Berlin für Teufelzeug halten. Die NSA darf demnach künftig Telefon-Metadaten nicht mehr selbst speichern, private Telefonunternehmen übernehmen das. Zugriff erhält die NSA nur bei begründetem Verdacht.

Wichtig: Es geht dabei ausschließlich um den Schutz von Amerikanern. Ausländer sind von dem Gesetzentwurf nicht betroffen - das Handy der Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nicht erwähnt.

Ironie der Geschichte: Das Chaos im Senat bedroht jetzt das gesamte Spähprogramm der NSA. Die Uhr tickt. Bis spätestens 1. Juni muss sich der Kongress auf eine Lösung einigen - sonst läuft die Erlaubnis zur Späharbeit der NSA in den USA aus. Schon warnt das Weiße Haus, die NSA werde lahmgelegt, die nationale Sicherheit gefährdet.

Doch die Senatoren sind erst einmal eine Woche in Urlaub. Geplante Rückkehr: 31. Mai, nur Stunden vor Ablauf der Frist. „Lassen Sie es uns klar sagen“, meinte die demokratische Senatorin Barbara Boxer. „Wir haben versucht, dieses Land zu schützen - und die Republikaner haben es abgelehnt.“