München. Im Losverfahren für die Presseplätze im NSU-Prozess gingen große deutsche Zeitungen leer aus.
Bei der Verlosung der 50 Presseplätze für den NSU-Prozess sind mehrere überregionale Zeitungen leer ausgegangen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hatte ebenso wenig Glück wie die „Zeit“ oder die „taz“. Dagegen sind türkische und griechische Medien diesmal mit dabei, wie das Münchner Oberlandesgericht (OLG) im Anschluss an die Verlosung am Montag mitteilte.
Mehrere Medienhäuser kündigten unmittelbar danach an, juristische Schritte zu prüfen. Journalistenverbände übten scharfe Kritik. OLG-Präsident Karl Huber bezeichnete das Verfahren dagegen als gerecht und angemessen – und beklagte die „Angriffe“ auf das Gericht in den vergangenen Wochen.
Der Prozess um die rassistisch motivierten Morde und Anschläge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) soll nun am 6. Mai beginnen. Er war wegen der Querelen um die Platzvergabe um fast drei Wochen verschoben worden. Der Hauptangeklagten Beate Zschäpe wird Mittäterschaft vorgeworfen. Angeklagt sind außerdem vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer.
Der Verlosung der Presseplätze waren Auseinandersetzungen auch vor Gericht vorausgegangen. Im ersten Anlauf, als bei der Vergabe noch die Reihenfolge der Anmeldungen entscheidend war, waren keine türkischen Medien zum Zug gekommen. Acht von zehn Mordopfern stammten jedoch aus der Türkei.
Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht angeordnet, dass mindestens drei Plätze für ausländische Medien reserviert werden müssen, insbesondere für türkische. Der Senat hatte sich daraufhin für die komplette Neuvergabe der Akkreditierungen entscheiden – per Los.
Für türkische Medien waren diesmal von vornherein vier Plätze reserviert. Zum Zug kamen unter anderem die beiden Zeitungen „Sabah“ und „Hürriyet“. Die „Sabah“ hatte mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Neuvergabe ausgelöst.
Bei der neuen Vergabe am Montag wurden die Plätze von einem Notar ausgelost. Der frühere SPD-Spitzenpolitiker Hans-Jochen Vogel war als Zeuge dabei. Vorher waren Gruppen nach verschiedenen Kategorien gebildet worden: Nachrichtenagenturen (5 Plätze), ausländische (10 Plätze) und inländische Medien (35 Plätze). In den Lostöpfen befanden sich insgesamt 324 Medien.
Zu den kritischen Schlagzeilen der vergangenen Wochen sagte OLG-Präsident Karl Huber: „Die Angriffe, denen sich das Gericht ausgesetzt sah, obwohl es sich absolut korrekt verhalten hatte, sind in der deutschen Geschichte ohne Beispiel.“ Er hoffe, dass der Prozess nun am kommenden Montag beginnen könne. Allerdings drohen neue juristische Auseinandersetzungen: „taz“-Chefredakteurin Ines Pohl schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter umgehend, man prüfe, ob man gegen die Platzvergabe klage, um eine Videoübertragung für Journalisten zu erwirken. Die „taz“ hatte im ersten Anlauf den allerersten Listenplatz ergattert – diesmal ging sie leer aus. Auch von der „Welt“ hieß es: „Wir erwägen eine juristische Klärung.“ Der stellvertretende Chefredakteur der „Zeit“, Bernd Ulrich, sagte: „Mit dieser Regelung hat das Gericht glücklicherweise viele türkische Leser hinzu gewonnen, aber Millionen deutsche Leser ausgesperrt.“
Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Michael Konken, nannte das Ergebnis des Akkreditierungsverfahrens zweifelhaft: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass es für die überregional wichtigsten Medien kaum eine Möglichkeit geben soll, über das NSU-Verfahren zu berichten.“ Die Vergabe der Presseplätze stehe „in krassem Widerspruch zur immensen bundesweiten und internationalen Bedeu- tung des Prozesses.“
DIE 50 PRESSEPLÄTZE
1. Radio Dienst
2. Rufa Rundfunk-Agenturdienst
3. IHA (Nachrichtenagentur Türkei)
4. dpa
5. dpa English Services
6. ERT (griechischer Rundfunksender)
7. Al Jazeera (Büro Istanbul) 8. Sabah (Türkei)
9. Hürriyet (Türkei)
10. Evrensel (Tageszeitung)
11. Radio Lora München
12. Svenska Dagbladet
13. France 2 Berlin
14. Niederländischer Rundfunk
15. Neue Züricher Zeitung
16. ARD
17. WDR
18. Ebru TV
19. Kabel 1
20. Deutschlandfunk
21. BR
22. SWR
23. TOP FM
24. Charivari
25. Radio Lotte Weimar
26. BILD
27. Allgäuer Zeitung
28. Passauer Neue Presse
29. Pforzheimer Zeitung
30. Sächsische Zeitung
31. Oberhessische Presse
32. Stuttgarter Zeitung
33. Lübecker Nachrichten
34. Focus
35. Stuttgarter Nachrichten
36. Süddeutsche Magazin
37. Der Spiegel
38. Tom Sundermann (freier Journalist)
39. Freie Presse
40. Straubinger Tagblatt
41. Thüringer Tageszeitung „Freies Wort“
42. Thüringer Landeszeitung 43. Viola Volland (freie Journalistin)
44. RTL2
45. Offenbach Post
46. ZDF
47. Hallo-muenchen.de
48. Hendrik Puls (freier Journalist)
49. Junge Welt
50. Brigitte