München. Im Losverfahren für die Presseplätze im NSU-Prozess gingen große deutsche Zeitungen leer aus.

Der Präsident des Oberlandesgerichts München, Karl Huber, neben den Kästen, in denen die Loszettel in Gruppen aufgeteilt wurden.
Der Präsident des Oberlandesgerichts München, Karl Huber, neben den Kästen, in denen die Loszettel in Gruppen aufgeteilt wurden. © Peter Kneffel/dpa

Bei der Verlosung der 50 Presseplätze für den NSU-Prozess sind mehrere überregionale Zeitungen leer ausgegangen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hatte ebenso wenig Glück wie die „Zeit“ oder die „taz“. Dagegen sind türkische und griechische Medien diesmal mit dabei, wie das Münchner Oberlandesgericht (OLG) im Anschluss an die Verlosung am Montag mitteilte.

Mehrere Medienhäuser kündigten unmittelbar danach an, juristische Schritte zu prüfen. Journalistenverbände übten scharfe Kritik. OLG-Präsident Karl Huber bezeichnete das Verfahren dagegen als gerecht und angemessen – und beklagte die „Angriffe“ auf das Gericht in den vergangenen Wochen.

Der Prozess um die rassistisch motivierten Morde und Anschläge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) soll nun am 6. Mai beginnen. Er war wegen der Querelen um die Platzvergabe um fast drei Wochen verschoben worden. Der Hauptangeklagten Beate Zschäpe wird Mittäterschaft vorgeworfen. Angeklagt sind außerdem vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer.

Der Verlosung der Presseplätze waren Auseinandersetzungen auch vor Gericht vorausgegangen. Im ersten Anlauf, als bei der Vergabe noch die Reihenfolge der Anmeldungen entscheidend war, waren keine türkischen Medien zum Zug gekommen. Acht von zehn Mordopfern stammten jedoch aus der Türkei.

Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht angeordnet, dass mindestens drei Plätze für ausländische Medien reserviert werden müssen, insbesondere für türkische. Der Senat hatte sich daraufhin für die komplette Neuvergabe der Akkreditierungen entscheiden – per Los.

Für türkische Medien waren diesmal von vornherein vier Plätze reserviert. Zum Zug kamen unter anderem die beiden Zeitungen „Sabah“ und „Hürriyet“. Die „Sabah“ hatte mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Neuvergabe ausgelöst.

Bei der neuen Vergabe am Montag wurden die Plätze von einem Notar ausgelost. Der frühere SPD-Spitzenpolitiker Hans-Jochen Vogel war als Zeuge dabei. Vorher waren Gruppen nach verschiedenen Kategorien gebildet worden: Nachrichtenagenturen (5 Plätze), ausländische (10 Plätze) und inländische Medien (35 Plätze). In den Lostöpfen befanden sich insgesamt 324 Medien.

Zu den kritischen Schlagzeilen der vergangenen Wochen sagte OLG-Präsident Karl Huber: „Die Angriffe, denen sich das Gericht ausgesetzt sah, obwohl es sich absolut korrekt verhalten hatte, sind in der deutschen Geschichte ohne Beispiel.“ Er hoffe, dass der Prozess nun am kommenden Montag beginnen könne. Allerdings drohen neue juristische Auseinandersetzungen: „taz“-Chefredakteurin Ines Pohl schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter umgehend, man prüfe, ob man gegen die Platzvergabe klage, um eine Videoübertragung für Journalisten zu erwirken. Die „taz“ hatte im ersten Anlauf den allerersten Listenplatz ergattert – diesmal ging sie leer aus. Auch von der „Welt“ hieß es: „Wir erwägen eine juristische Klärung.“ Der stellvertretende Chefredakteur der „Zeit“, Bernd Ulrich, sagte: „Mit dieser Regelung hat das Gericht glücklicherweise viele türkische Leser hinzu gewonnen, aber Millionen deutsche Leser ausgesperrt.“

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Michael Konken, nannte das Ergebnis des Akkreditierungsverfahrens zweifelhaft: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass es für die überregional wichtigsten Medien kaum eine Möglichkeit geben soll, über das NSU-Verfahren zu berichten.“ Die Vergabe der Presseplätze stehe „in krassem Widerspruch zur immensen bundesweiten und internationalen Bedeu- tung des Prozesses.“

DIE 50 PRESSEPLÄTZE

1. Radio Dienst

2. Rufa Rundfunk-Agenturdienst

3. IHA (Nachrichtenagentur Türkei)

4. dpa

5. dpa English Services

6. ERT (griechischer Rundfunksender)

7. Al Jazeera (Büro Istanbul) 8. Sabah (Türkei)

9. Hürriyet (Türkei)

10. Evrensel (Tageszeitung)

11. Radio Lora München

12. Svenska Dagbladet

13. France 2 Berlin

14. Niederländischer Rundfunk

15. Neue Züricher Zeitung

16. ARD

17. WDR

18. Ebru TV

19. Kabel 1

20. Deutschlandfunk

21. BR

22. SWR

23. TOP FM

24. Charivari

25. Radio Lotte Weimar

26. BILD

27. Allgäuer Zeitung

28. Passauer Neue Presse

29. Pforzheimer Zeitung

30. Sächsische Zeitung

31. Oberhessische Presse

32. Stuttgarter Zeitung

33. Lübecker Nachrichten

34. Focus

35. Stuttgarter Nachrichten

36. Süddeutsche Magazin

37. Der Spiegel

38. Tom Sundermann (freier Journalist)

39. Freie Presse

40. Straubinger Tagblatt

41. Thüringer Tageszeitung „Freies Wort“

42. Thüringer Landeszeitung 43. Viola Volland (freie Journalistin)

44. RTL2

45. Offenbach Post

46. ZDF

47. Hallo-muenchen.de

48. Hendrik Puls (freier Journalist)

49. Junge Welt

50. Brigitte