Berlin. Der türkische Staatspräsident feiert die Hamas. Diese Äußerungen müssen bei Erdogans Deutschland-Besuch klar zurückgewiesen werden.

Am Rand des israelischen Karmelgebirges, südlich von Haifa, steht ein kleines Wäldchen, in dem Kiefern den Wanderern von Galiläa begehrten Schatten spenden. Auf einer bronzenen Gedenktafel, angebracht auf großen Natursteinen, steht auf Hebräisch und türkisch der Satz: „Der Atatürk-Wald wurde von Juden aus der Türkei gepflanzt“.

Das war im Jahr 1953 und dokumentiert eine große Verbundenheit zwischen Israelis und Türken aus dieser Zeit. Staatspräsident Yitzhak Ben-Zevi und der türkische Botschafter betonten bei der feierlichen Anpflanzung die Freundschaft beider Länder. Dreißig Bäumchen wurden kurze Zeit später ausgegraben und als Symbol des Friedens im Park der Nationen am Mausoleum des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk in Ankara wieder eingepflanzt.

Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion © ZRB | Dirk Bruniecki

Recep Tayyip Erdogan sollte sich von seinem 1000-Zimmer-Palast einmal die kurze Strecke zum Friedenspark chauffieren lassen und sich dieser besonderen Geschichte bewusstwerden. Es ist erschreckend, dass der türkische Präsident ausgerechnet am Todestag des Staatsgründer, der die Religion klug vom Staatswesen trennte, Israel de facto das Existenzrecht absprach. Israel versuche „einen Staat aufzubauen, dessen Geschichte nur 75 Jahre zurückreicht und dessen Legitimität durch den eigenen Faschismus in Frage gestellt wird“, so die jüngste These des Präsidenten, in dessen Land Produkte Israels schon boykottiert werden.

Erdogans Hamas-Lob ist eine schwere Belastung für seinen Deutschland-Besuch

Erdogans Worte und auch sein Lob für die Hamas als „Befreier“ passen in eine lange Reihe von politischen Positionsbestimmungen, die die Türkei immer weiter weg vom Westen und der Europäischen Union treiben. Sie sind auch eine schwere Belastung für den bevorstehenden Kurzbesuch Erdogans in Berlin beim Bundespräsidenten und beim Kanzler.

Im Januar 2020 war Erdogan zuletzt in der deutschen Hauptstadt. Ein halbes Jahr später verurteilten türkische Richter den deutschen Journalisten Deniz Yücel zu einer Haftstrafe, nachdem man ihn willkürlich und ohne Grund monatelang eingesperrt hatte.

Dieser Anschlag auf die Pressefreiheit wurde im Verhältnis zur türkischen Regierung nie richtig aufgearbeitet, und es ist kein Wunder, dass in Berlin wenig zu den Details der heiklen Visite bekannt wird. Ein gemeinsamer Besuch mit dem Kanzler im Olympiastadion zum Länderspiel Deutschland-Türkei ist jedenfalls schon gestrichen. Für Bilder mit Fanschals und Jubel ist bei diesem Besuch kein Platz. Wer wie die deutsche Regierung Israels Existenzrecht zur Staatsräson erklärt, muss in diesem Fall politische Gastlichkeit neu definieren und Klartext sprechen.

Kanzler und Bundespräsident müssen Erdogans Äußerungen zurückweisen

Dem türkischen Präsidenten muss klar gemacht werden, dass Regierungen, die dieses Existenzrecht nicht anerkennen, in Deutschland keinen echten Partner haben. Auch islamistische Tendenzen, für die der türkische Präsident vor Jahren sogar im eigenen Land verurteilt wurde, zählen zu diesen Tabus. Die geopolitische Bedeutung der Türkei steht außer Frage und allein die vielen Landsleute Erdogans und ihre Nachkommen mit deutschem Pass, die in Deutschland leben und arbeiten, zwingen zum Dialog. Die Türkei wird auch in der Nato und bei der Lösung von Migrationsproblemen gebraucht.

Aber weder der Bundespräsident noch der Kanzler werden sich verkneifen können, in Anwesenheit des Gastes die Äußerungen Erdogans zurückzuweisen. Sie müssen dabei nicht allzu diplomatisch sein, schließlich liebt der türkische Präsident selbst das klare Wort.