Berlin/Rom. Italien ist bereits stark verschuldet. Dennoch kündigt die Meloni-Regierung an, mehr Schulden machen zu wollen. Welche Folgen das hat.

Läuft es schlecht, hat die drittgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union das Potenzial, eine neue Krise im Euroraum auszulösen. Italien ist noch immer mit 140 Prozent seiner Wirtschaftsleistung überdurchschnittlich stark verschuldet – und will im kommenden Jahr mehr Schulden machen als zuvor erwartet.

Ob und wie die Italiener in der Lage sind, diese Schuldenlast langfristig zu tragen, wird nun an den Finanzmärkten wieder sorgenvoller betrachtet: Die Zinsen auf italienische Staatsanleihen, also die Risikoaufschläge, die internationale Investoren verlangen, waren in den vergangenen Wochen stark gestiegen, zuletzt auf zeitweise gut fünf Prozent. Das ist nahe an Ramschniveau. Die Differenz zu deutschen Anleihen, die im Euroraum als besonders sicher gelten, lag bei etwa 1,9 Prozent.

Ökonomen und Experten äußerten sich gegenüber dieser Redaktion auch sorgenvoll: Finanzanalyst und Volkswirt Tobias Basse von der Nord/LB hält es nun vor allem für entscheidend, dass es der italienischen Regierung gelingt zu untermauern, die eigene Schuldensituation im Griff zu haben. „Die Finanzmärkte blicken mit einer gewissen Skepsis nach Rom. Das Restvertrauen, das die Märkte den Italienern noch entgegenbringen, dürfen sie jetzt nicht verspielen“, warnte Basse.

Gleichzeitig spiele auch die EZB eine wichtige Rolle. Durch die Zinsanhebungen hatten sich die Schuldenrefinanzierungskosten für die Italiener deutlich erhöht. Nun habe sich die Inflation deutlich abgeschwächt, so Basse. „Deswegen besteht die Hoffnung, dass die EZB keine weiteren Zinserhöhungen mehr vornimmt. Das würde Italien entscheidend bei der Finanzierung des eigenen Staatshaushalts helfen“, erklärte er.

Eine erste Entwarnung kam hingegen vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher. Der Ökonom sagte, er sehe noch keine Anzeichen für eine neue, nahenden Eurokrise. „Ich sehe kein signifikantes Risiko einer Schuldenkrise in Italien oder in Europa. Die Zinsen auf Staatsanleihen zur Finanzierung öffentlicher Schulden sind zwar nominal deutlich gestiegen, aber kaum ein Staat profitiert mehr von der hohen Inflation als Italien“, so Fratzscher am Donnerstag.

DIW-Präsident: Italien wird die eigenen Schulden gut bedienen können

Fratzscher zufolge bedeute die hohe Inflation vielmehr, dass die Schuldenquote Italiens deutlich gesunken sei. Darüber hinaus seien auch die realen Zinsen in den vergangenen beiden Jahren deutlich negativ gewesen. Dennoch sei geboten, genau auf das Land zu blicken, so der Finanzmarktexperte Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). „Es kommt jetzt darauf an, dass das Wachstum in Italien nicht durch externe Einflüsse in eine Rezession abgleitet, und dass die italienische Regierung endlich das Konsolidieren anfängt“, so Matthes.

Der Anstieg der Zinsdifferenz Italiens im Vergleich zu Deutschland führt DIW-Wissenschaftler Fratzscher vor allem auf vorherrschende Zukunftssorgen über das langfristige Wachstum in Italien zurück. Dennoch: „Die italienische Regierung wird auch in den kommenden Jahren die eigenen Schulden gut bedienen können, zumal sie noch immer von den sehr günstigen Finanzierungsbedingungen der letzten zehn Jahre profitiert“, glaubt Fratzscher.

Teure Wahlversprechen, aber praktisch kaum Spielraum

Geschlossen und ohne allzu lange koalitionsinterne Debatten hatte die Regierung in Rom zuletzt das Haushaltsgesetz 2024 unter Dach und Fach gebracht. Der Budgetentwurf mit Maßnahmen in der Größenordnung von 24 Milliarden Euro sieht unter anderem wichtige Schritte zur Umsetzung einer im August beschlossenen Steuerreform vor.

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Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni und ihr Finanzminister Giancarlo Giorgetti stehen wegen des Budgets 2024 unter besonderer Beobachtung, weil es sich um ihren ersten eigenen Haushaltsplan handelt. Der des Vorjahres war noch von Melonis Vorgänger Mario Draghi und von der Bekämpfung der hohen Energiekosten geprägt. Für die Einlösung der teuren Wahlversprechen hat Meloni praktisch kaum Spielraum, denn die finanzielle Situation ist durchaus angespannt.

Gehaltserhöhung für italienische Beamte

Die Regierung plant für 2024 mit einem Defizit von 4,3 statt 3,6 Prozent. Rom hat mit dieser Ankündigung die Märkte aufgeschreckt. Während sich das einstige Krisenland Griechenland auf dem Weg der Besserung befindet, macht Italien der EU-Kommission wegen der hohen Schulden Sorgen.

Die Erhöhung des Defizits ist vor allem einer Senkung der Arbeitsnebenkosten zuzuschreiben, die Meloni zur Stützung von Geringverdienern plant. Sieben Milliarden Euro stellt die Regierung in Rom für die Gehaltserhöhungen der Beamten zur Verfügung. Deren Gehälter müssen an die Inflation angepasst werden, die bis Ende 2023 um gut sieben Prozent steigen wird. Zugleich enthält das Haushaltsgesetz Begünstigungen für Unternehmen, die Frauen, Jugendliche und Behinderte anstellen. Zusätzliche drei Milliarden Euro werden dem Gesundheitssystem zur Verfügung gestellt.

Was Italien ausgeben muss, um die eigenen Schulden bedienen zu können

Die Folge ist, dass der Schuldenberg Italiens wohl schon im kommenden Jahr die Grenze von drei Billionen Euro durchbrechen wird. Kombiniert mit den gestiegenen Zinsen wird dies laut Finanzminister Giorgetti im kommenden Jahr zu einer Erhöhung der Zinslast um 14 Milliarden Euro führen. Insgesamt wird Italien 2024 rund 90 Milliarden Euro für den Schuldendienst ausgeben müssen. Um die hohen Schulden einzudämmen, denkt die Regierung Meloni an die Privatisierung der Fluggesellschaft ITA, bei der die Lufthansa eingestiegen ist, sowie der verstaatlichten Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS).

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CDU/CSU: Deutschland muss Rolle als Stabilitätsanker in der Eurozone erfüllen

DIW-Forscher Fratzscher sagte, er sehe Italien generell in einer guten Position. „Italien hat eine innovative Industrie sowie riesige Potenziale bei der Beschäftigung von Frauen und Migranten. Mario Draghi hat als Premierminister wichtige Reformen auf den Weg gebracht – deutlich mehr als das, was in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren gemacht wurde –, was sich positiv für Italien auswirken wird.“ Das wirtschaftliche Aufholpotenzial sei enorm, so Fratzscher.

Yannick Bury, Haushaltspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte dieser Redaktion, er sehe durch die italienische Schuldensituation aber auch Handlungsbedarf für Deutschland. „Deutschland muss seine Rolle als Stabilitätsanker der Eurozone erfüllen. Die ständigen Forderungen der Ampel nach noch mehr Schulden müssen enden. Vor allem brauchen wir aber zügig eine Einigung bei der Reform der europäischen Verschuldungsregeln, die auf Stabilität setzt“, so Bury. Das müsse beim Finanzminister spätestens jetzt Priorität haben.