Washington. Warum der Immobilien-Konzern von Ex-Präsident Trump noch vor der Wahl kollabieren könnte. Sogar sein Privatflugzeug ist in Gefahr.

Wenn der in den Umfragen weit enteilte Favorit auf die Präsidentschaftskandidatur in Amerika in seinem ureigensten Metier – Immobilien-Wirtschaft – von einem Richter als Lügner und Betrüger bezeichnet und an die Kette gelegt wird, könnte man schon erwarten, dass die Konkurrenten den Finger in die Wunde legen. Aber nichts da.

Bei der zweiten TV-Debatte der sieben übrig gebliebenen republikanischen Bewerber für die Wahl im kommenden Jahr erwähnte in der Nacht zu Donnerstag keiner den bisher größten juristischen Rückschlag für Donald Trump.

USA: Trumps Image als erfolgreicher Geschäftsmann steht vor dem Kollaps

Ein Rückschlag, der nach Überzeugung seines Biografen David Cay Johnston Trumps wirtschaftliche Existenz komplett vernichten und seinen Handlungsspielraum in der heißen Wahlkampfphase in den USA empfindlich einengen könnte. Ganz zu schweigen von einer atmosphärischen Nebenwirkung: Trumps selbst gebasteltes Image als unerreicht erfolgreicher Geschäftsmann und Milliardär stehe vor dem Kollaps.

Lesen Sie auch:Stolpert Trumps mögliche Mitbewerberin über eine Sex-Affäre?

Daran ist Arthur Engoron schuld. Der erfahrene Richter sitzt ab kommendem Montag in New York einem Zivilprozess vor, in dem es ausschließlich um windige Geschäftspraktiken geht, die Trump auf seinem Heimatspielfeld New York City über Jahrzehnte praktiziert hat. Im Kern steht dabei der Vorwurf von Generalstaatsanwältin Letitia James, dass Trump sich zum Nutzen seines Imperiums wahlweise arm gerechnet hat (wenn es um Steuerzahlungen ging) oder reich (wenn günstige Kredite bei den Banken eingeholt wurden).

Bis auf Weiteres sind seine Gewerbelizenzen einkassiert worden

Letitia James will, dass Trump eine viertelmilliarde Dollar Wiedergutmachung für seine halbseidenen Geschäfte zahlt und, was wichtiger ist, vom Wirtschaftsstandort New York verbannt wird. Letzteres hat Richter Engoron in einer bemerkenswerten 35-Seiten-Erklärung vor Prozessbeginn zumindest auf Zeit schon vorweggenommen.

Für Ex-Präsident Donald Trump, hier bei einem Auftritt vor Arbeitern der Autoindustrie in Michigan, geht es bei dem Betrugsprozess ab Montag um die Existenz seines Immobilienkonzerns.
Für Ex-Präsident Donald Trump, hier bei einem Auftritt vor Arbeitern der Autoindustrie in Michigan, geht es bei dem Betrugsprozess ab Montag um die Existenz seines Immobilienkonzerns. © AFP | Matthew Hatcher

Bis auf Weiteres sind die Gewerbelizenzen, die Trump und seine ältesten Söhne, Donald Trump Jr. und Eric Trump, für die Ausübung der meist um Immobilien kreisenden Geschäfte benötigen, einkassiert worden. Die Trump-Organisation ist damit nach Angaben von Trumps früherem Anwalt Michael Cohen in New York nicht nur „handlungsunfähig”. Die Perspektive sei, dass die Unternehmen „liquidiert” werden können.

Muss Trump sein Privatflugzeug verkaufen?

Ein unabhängiger Gutachter/Treuhänder soll laut Engoron bis zu einem abschließenden Urteil, das noch vor Weihnachten erwartet wird, über das Gebaren des Trump-Konzerns wachen. Der Betrieb des Trump-Wolkenkratzers 40 Wall Street im Süden Manhattans und eines üppigen Anwesen im Landkreis Westchester County nördlich von New York sei unter diesen Voraussetzungen fortan nicht mehr von Trump steuerbar, schreibt die New York Times. Andere Medien sehen bereits Trumps Privatflugzeug, eine Boeing 757, vor dem Verkauf.

Hintergrund:Wahlkampf im Gerichtssaal – Donald Trump droht Chaos

In seiner Begründung, die einem vorgezogenen Schuldspruch gleichkommt, nahm sich Richter Engoron viel Zeit, um Ungereimtheiten aufzulisten, die jedem normalen Immobilienunternehmer nach Ansicht von Branchenexperten „längst das Genick gebrochen hätten”.

Trump machte seine Penthousewohnung im Trump Tower größer – und damit wertvoller

So hat Trump seine dreistöckige Penthousewohnung im Trump Tower auf eine Größe von 2800 Quadratmetern hochgejazzt, obwohl das Refugium nur 1000 Quadratmeter misst. Den Unterschied beziffert Engoron auf einen Papierwert von über 200 Millionen Dollar, den sich Trump zunutze gemacht habe. Dass es sich dabei nicht um einen Buchungsfehler handelte, sondern um eine systematische Aufblähung von Vermögen, ist für den Richter eindeutig: „Eine Diskrepanz dieser Größenordnung durch einen Immobilienunternehmer, der seinen eigenen jahrzehntelangen Wohnraum ausmisst, kann man nur als Betrug betrachten”, schreibt Engoron.

Auch bei Trumps Golfplätzen und Privatanwesen handele es sich um eine „Fantasiewelt”, erklärte Engoron. So sei Trumps Privatdomizil Mar-a-Lago in Florida um 2300 Prozent überbewertet gewesen.

Endgültige Konsequenzen für den Trump-Konzern sind noch offen

Trump, wie auch seine Söhne, haben auf den Rückschlag erwartungsgemäß reagiert. Sie nannten das Urteil „lächerlich“, „unwahr“ und „unamerikanisch”. Ihre Anwälte hatten zuvor beantragt, die Vorwürfe als nichtig zu erklären, weil sämtliche Finanzberichte der Trump-Organisation eine Haftungsausschluss-Klausel beinhalteten, die den Firmenchef pauschal aus der Schusslinie nehme. Engoron hält dem entgegen, dass Trump „wissentlich” falsche Angaben gemacht habe. Joyce Vance, eine ehemalige Staatsanwältin, nennt das Urteil eine auf Trump gemünzte „wirtschaftliche Todesstrafe für jahrelangen Missbrauch”.

Lesen Sie auch: Donald Trump mach mit seinem Mugshot der Polizei Furore

Ob Trump auf Dauer seiner Immobilien im Bundesstaat New York verlustig geht, ist noch offen. Auf entsprechende Nachfragen von Trumps Anwalt Christopher Kise erklärte Richter Engoron, er sei noch nicht gewillt, über endgültige Konsequenzen für den Trump-Konzern öffentlich zu sprechen.

Der Ex-Präsident spricht von einem „Kill Trump“-Beschluss

Trump persönlich wertet die Entscheidung des Richter als „Kill Trump”-Beschluss. Einmal mehr machte der ehemalige Präsident geltend, das Opfer einer von Demokraten gesteuerten Gesinnungsjustiz zu sein. Seine Anwälte kündigten an, in Berufung zu gehen. Damit ist unklar, ob es noch vor der Präsidentschaftswahl 2024 zu einem rechtskräftigen Urteil kommt.

Trump-Gegner in der republikanischen Partei hoffen darauf, dass die juristische Beweisführung gegen den 77-Jährigen bei den Wählern seinen Nimbus als Super-Geschäftsmann, bei dem die US-Wirtschaft in besten Händen sei, „ein für alle Mal zerstören wird”.

Auch interessant:Stimmt so? Amerika stöhnt über gewaltige Trinkgeld-Explosion