Berlin. Es war klug, gegen einen längeren Streik bei der Bahn und für die Schlichtungsempfehlung zu stimmen. Auch zum Wohle der Bahnkunden.

Richtig glücklich sind die Eisenbahner wohl nicht. Aber am Ende haben die Mitglieder der Gewerkschaft EVG besonnen gehandelt. Es war klug, gegen einen längeren Streik bei der Bahn und für die Schlichtungsempfehlung zu stimmen.

Erstens ist das Ergebnis so schlecht nicht. Zweitens haben sie die Autorität der EVG-Führung gestützt. Erinnern wir uns: Die hatte ausdrücklich eine Annahme empfohlen. Drittens agiert keine Gewerkschaft im luftleeren Raum, losgelöst von der Gesellschaft, von ihren Kunden. Die waren schon genervt von den vielen Warnstreiks seit Februar. Für einen langen Arbeitskampf hätte die Gewerkschaft den Rückhalt der Bevölkerung verloren.

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Mindestens 410 Euro mehr im Monat, dazu einen steuerfreien Ausgleich von knapp 3.000 Euro im Jahr für die Inflation: Mit dem Kompromiss kann sich die Gewerkschaft sehen lassen. Die beiden Schlichter Heide Pfarr und Thomas de Maizière haben fair vermittelt. Die Arbeitnehmer in einigen anderen Branchen würden nur allzu gern mit den Eisenbahnern tauschen.

Miguel Sanches ist Mitarbeiter der Funke Medien Gruppe.
Miguel Sanches ist Mitarbeiter der Funke Medien Gruppe. © Reto Klar | Reto Klar

Nach dem Streik ist womöglich vor dem Streik

Materiell sprach viel für die Annahme, politisch erst recht; führen wir es einfach auf die Schwarmintelligenz zurück. Stellen wir uns nur mal das Gegenszenario vor: Die ganz große Mehrheit der Mitglieder wäre nicht der Gewerkschaftsführung gefolgt und hätte auf weitere Streiks bestanden. Dann wäre die Führung beschädigt worden und die ganze EVG jetzt auf einem toten Gleis.

Am genauesten wird sich die Lokführergewerkschaft GDL dieses Ergebnis anschauen – und alles daran setzen, ihre Konkurrenz zu übertrumpfen. Für die Deutsche Bahn heißt das: Nach dem Streik ist womöglich vor dem Streik. Die Konkurrenz zweier Gewerkschaften verschärft den Konflikt im Haus. Alles, was jede dieser beiden Gewerkschaften tut, muss man vor diesem Hintergrund dieses Machtkampfes zwischen EVG und GDL sehen. Es ist ein Machtkampf, der leider allzu oft auf dem Rücken der Bahnkunden ausgetragen wird.